Gen-Schalter für Geruchsrezeptoren

Regulatorelemente im Erbgut kontrollieren die Wahrscheinlichkeit, mit der Riechzellen eines der rund 1200 Rezeptorgene auswählen

10. November 2011

Die Sinneszellen der Nasenschleimhaut nehmen die unzählige Vielfalt der Gerüche aus der Umgebung mit Hilfe von Geruchsrezeptoren wahr. Jede Sinneszelle entscheidet sich dabei für die Auswahl eines einzigen Rezeptortypen. Die Wahrscheinlichkeit, mit der diese Entscheidung auf ein bestimmtes Rezeptorgen fällt, bestimmt, wie viele Riechzellen diesen Rezeptortyp produzieren. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biophysik in Frankfurt haben nun einen wichtigen Mechanismus entdeckt, der die Wahrscheinlichkeit der Auswahl dieser Gene bestimmt. Demnach kontrollieren im Erbgut so genannte Regulatorelemente jeweils eine Gruppe von Rezeptorgenen in der ihrer näheren DNA-Umgebung. Diese Elemente wirken wie molekulare Schalter, welche die Aktivität von Genen anschalten können. Reguliert wird die Wahrscheinlichkeit, mit der Gene angeschaltet werden, nicht die Menge an Rezeptormolekülen, die eine Zelle bildet.

Die Gene für Geruchsrezeptoren bilden die größte Genfamilie im Erbgut vieler Tiere: Bei Mäuse beispielsweise sind von insgesamt 25000 Genen rund 1200 Gene für Geruchsrezeptoren. Die Rezeptorgene sind auf etwa 40 Regionen verteilt. Diese Gen-Gruppen enthalten unterschiedlich viele Rezeptorgene. Regulatorelemente in der näheren Umgebung auf dem Chromosom kontrollieren die Aktivität einzelner Gene aus diesen Gruppen. Bekannte Regulatorelemente sind bislang das H-Element auf Chromosom 14 und das P-Element auf Chromosom 7.

Die Max-Planck-Forscher haben nun mittels RNA-Analysen entdeckt, dass das P-Element einzelne Gene aus einer Gruppe von 24 Geruchsrezeptor-Genen aktiviert: In gentechnisch veränderten Mäusen ohne das P-Element verändert sich die Wahrscheinlichkeit drastisch, dass eine Geruchssinneszelle eines der Gene auswählt. „Das P-Element kann die Gene nur anschalten und so bestimmen, ob eine Zelle einen Rezeptor bildet. Es hat jedoch keinen Einfluss darauf, wie viele Rezeptormoleküle die Zelle produziert. Es wirkt also wie ein Ein-Aus-Schalter“, sagt Peter Mombaerts vom Max-Planck-Institut für Biophysik. Andere Gen-Gruppen auf demselben oder anderen Chromosomen beeinflusst das Element nicht.

Der gezielte Verlust des P-Elements wirkt sich dabei unterschiedlich auf die Wahrscheinlichkeit der Rezeptorgenaktivierung aus: Manche Rezeptorgene werden nun gar nicht mehr ausgewählt, andere von weniger Sinneszellen. Wieder andere bleiben völlig unbeeinflusst. Daraus lässt sich schließen, dass das P-Element nicht als einziges die Aktivierung dieser Gen-Gruppe kontrolliert. Darauf deutet auch die begrenzte „Reichweite“ der Regulatorelemente in der jeweiligen Gen-Gruppe: Die Wirkung von H- und P-Elementen beschränkt sich nämlich auf 200000 Basenpaare. „Aus der Anzahl von Rezeptorgenen und den Abständen zwischen ihnen können wir auf die potenzielle Anzahl an Regulatorelementen schließen, die für ihre Kontrolle nötig sind. Jede Gen-Gruppe muss also von mehreren Elementen kontrolliert werden, insgesamt gibt es möglicherweise etwa 150 solcher Elemente für Geruchsrezeptorgene“, erklärt Mombaerts.

Noch wissen die Wissenschaftler nicht, auf welche Weise die Regulatorelemente die Auswahl von Geruchsrezeptorgenen beeinflussen. Möglicherweise geschieht dies über regulatorische Proteine, die an spezielle Bindungsstellen auf der DNA andocken können.

Möglich wurden diese Befunde mit der neuen Methode „NanoString“ zur Messung einzelner Boten-RNA-Moleküle. Mit dieser Methode konnten die Forscher die Menge an Boten-RNA von der Hälfte aller Geruchsrezeptorgene in einem Arbeitsschritt messen. Herkömmliche Methoden dagegen können nur ein Gen nach dem anderen auf seine Aktivität analysieren.

Die Ergebnisse bringen die Wissenschaftler der Antwort einen Schritt näher, wie die Geruchssinneszellen aus der riesigen Anzahl an Rezeptorgenen jeweils nur ein Gen auswählen. „Die vollständige Aufklärung dieser faszinierenden Frage wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Anordnung in Gen-Gruppen spielt dabei möglicherweise eine besondere Rolle. Den einen Mechanismus dafür gibt es aber sicher nicht, wahrscheinlich wird die Auswahl auf verschiedenen Ebenen reguliert“, mutmaßt Mombaerts.

HR

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