Malaria-Erreger lässt sich Zeit

Die Parasiten wollen möglichst lange von dem Nahrungsangebot profitieren, das das Leben in in den Überträger-Mücken ihnen bietet

Anstatt möglichst schnell vom Moskito auf einen Menschen übertragen zu werden, entwickeln sich Malaria-Parasiten bis zu zwölf Tage lang in Mücken und gehen damit das Risiko ein, nicht übertragen zu werden. Mithilfe mathematischer Modelle können Forschende vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin nun die Evolution der Malaria-Parasiten über hunderte Generationen untersuchen. Auf diese Weise konnten sie das Nährstoffangebot der Mücken als treibenden Faktor hinter der langen Entwicklungszeit identifizieren. Das Übertragungsmodell ermöglicht langfristig eine verbesserte Vorhersage von Malaria-Epidemien.

Der Malaria-Parasit ist ein Anpassungskünstler. Für seinen Lebenszyklus muss er von einer Mücke auf einen Menschen und dann wieder auf einen Moskito übertragen werden. Über eine Jahrmillionen lange Evolution hat er sich perfekt an diese beiden Wirte angepasst. Doch obwohl wir den Malariazyklus seit über hundert Jahren kennen, sind viele Fragen nach wie vor offen.

Eine dieser Fragen betrifft die Zeit, die Malaria-Erreger benötigen, um sich in der Mücke zu entwickeln. Derzeit geht man davon aus, dass sie nach durchschnittlich zwölf Tagen übertragen werden können. Es wird jedoch angenommen, dass Stechmücken in der Natur nur durchschnittlich zwei Wochen leben. Man würde erwarten, dass der Parasit so schnell wie möglich auf den Menschen übertragen wird, denn mit jedem Tag, den er in der Mücke verbringt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese stirbt, bevor der Erreger durch einen Stich übertragen wird. Worin liegt also der Vorteil, der das Risiko rechtfertigt, nicht übertragen zu werden?

Evolutionärer Kompromiss

Diesen Vorteil haben Forscherinnen des Levashina Lab am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie nun aufgedeckt. Sie konnten zeigen, dass die Erreger vom reichhaltigen Nährstoffangebot des Moskitos profitieren, wenn sie dort länger verweilen, bevor sie auf einen Menschen übertragen werden. Je länger ein Parasit in der Mücke bleibt, desto besser genährt ist er und desto wahrscheinlicher ist es, dass er einen Menschen erfolgreich infiziert. Der Zeitpunkt, zu dem ein Parasit auf einen Menschen übertragen wird, ist demnach ein evolutionärer Kompromiss zwischen „fit werden für die Infektion“ und „Moskito rechtzeitig verlassen“.

Zu ihrem Ergebnis kamen die Forscherinnen mit Hilfe mathematischer Modelle. Diese basieren zwar auf Erkenntnissen aus Laborexperimenten, der tatsächliche Zusammenhang konnte aber erst im Modell entschlüsselt werden. „Im Labor ist es bislang unmöglich, die Evolution der Parasiten zu untersuchen“, erklärt die Erstautorin der Studie, Paola Carrillo-Bustamante: „Dazu müsste man dem Malariaparasiten über hunderte von Übertragungszyklen Moskito – Mensch – Moskito verfolgen. Das ist mit Laborexperimenten nicht machbar.“

Mathematische Modelle fassen reale Prozesse in mathematische Formeln und erlauben so, Vorhersagen zu treffen und das Verhalten dieser Prozesse unter verschiedenen Bedingungen zu analysieren und zu verstehen. Es gibt bereits Modelle der Malariaübertragung, die ein Moskitoleben grundlegend abbilden. Sie enthalten jedoch meist nur Variablen für Larvenentwicklung, Stichverhalten, Fortpflanzung und Alter der Moskitos. Diese Modelle gingen bisher von der intuitiven Erwartung aus, dass Malaria-Parasiten eine kurze Entwicklungszeit im Moskito benötigen, was in der Realität eben nicht der Fall ist.

Ergänzung des Modells

Dass Modelle nicht vollständig der Realität entsprechen, ist kein Problem an sich, da ein Modell immer nur eine Annäherung an die Wirklichkeit darstellt. Wenn ein Modell jedoch entscheidende Mechanismen nicht korrekt abbilden kann, muss es ergänzt werden. Aufgabe der Forschenden war es daher, die fehlende Variable zu finden, mit der ein Übertragungsmodell die Entwicklungszeit der Parasiten korrekt abbilden kann. Hinweise für die fehlende Variable gab es durch vorangegangene Studien zum Stoffwechsel der Mücken.

Um ihre Eier zu entwickeln, benötigen die weiblichen Moskitos Nährstoffe aus dem Blut von Säugetieren. Darum stechen sie zum Beispiel Menschen. Bei dieser Blutmahlzeit gelangen die Malariaparasiten in den Darm der Mücke und nutzen ebendiese Nährstoffe für ihre eigene Entwicklung. Oft sticht ein Moskito jedoch mehr als einmal in seinem Leben. „Unser Modell sagt voraus, dass der Parasit wird mit jeder Blutmahlzeit stärker wird, also von mehreren Stichen profitiert“, so Carrillo-Bustamante: „Mit dieser entscheidenden Information haben wir das Übertragungsmodell überarbeitet“. Mehrfache Stiche benötigen Zeit – ein möglicher Grund für den Parasiten lange im Moskito zu warten, um von möglichst vielen Blutmahlzeiten zu profitieren.

Mehr als nur eine Spritze

Ergänzt um die neue Variable „Stoffwechsel“ führten die Forschenden dann Experimente mit dem aktualisierten Übertragungsmodell durch. Sie gaben dem virtuellen Parasiten die Möglichkeit, zufällig seine Entwicklungszeit im Moskito zu verändern, sprich zu mutieren. Dann ließen sie im Modell 5.000 Tage vergehen – genug Zeit für die natürliche Selektion einer optimalen Entwicklungszeit. Egal ob der Ausgangspunkt wenige oder viele Tage im Moskito war, immer setzten sich Parasiten mit 12zwölf Tagen Entwicklungszeit in der Population durch. Genau dieses evolutionäre Optimum lässt sich auch in der Realität beobachten. Für Carrillo-Bustamante ist das Ergebnis auch ein Hinweis darauf, dass bestehende Modelle ergänzt werden müssen: „Bisherige Modelle haben den Moskito oft wie eine Spritze behandelt, die den Malariaerreger auf den Menschen überträgt. Unsere Studie zeigt aber, dass die Interaktionen zwischen Moskitos und Parasiten in Übertragungsmodellen berücksichtigt werden müssen.“

An Malaria erkranken weltweit jedes Jahr 250 Millionen Menschen. Präzise Modelle der Krankheitsübertragung sind ein wichtiger Schritt, um die Krankheit zu verstehen und zukünftige Epidemien korrekt hervorzusagen. Das ist vor allem in Zeiten von sich verändernden Umwelteinflüssen relevant – denn mit dem Klimawandel erreicht Malaria auch neue Regionen und Länder.

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