Die dunkle Seite des Universums

Das Weltraumteleskop Euclid ist erfolgreich gestartet und bereit für die Erforschung dunkler Materie und dunkler Energie

Euclid, ein Weltraumteleskop der Esa mit starker deutscher Beteiligung, ist am 1. Juli 2023 um 17:12 Uhr mit einer Falcon 9-Rakete des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX ins All gestartet. Von seinem Zielort aus, dem Lagrange-Punkt 2 (L2) von Erde und Sonne, wird es mindestens sechs Jahre lang über ein Drittel des gesamten Himmels beobachten und die räumliche Verteilung von mehreren Milliarden Galaxien kartieren. Mit den Daten erhoffen sich die sechs aus Deutschland beteiligten Institute des internationalen Euclid-Konsortiums Aufschluss über den Einfluss der dunklen Materie und dunklen Energie auf die Struktur des Universums.

Euclid wird zum ersten Mal systematisch den Einfluss von dunkler Materie und dunkler Energie auf die Entwicklung und großräumige Struktur des Alls untersuchen. Diese weitgehend unbekannten und unsichtbaren Bestandteile des Universums machen zusammen einen Anteil von 95 Prozent des Kosmos aus. Während die dunkle Materie die Gravitationswirkung zwischen und innerhalb von Galaxien bestimmt und zunächst für eine Abbremsung der Ausdehnung des Weltalls sorgte, ist die dunkle Energie für die derzeitige beschleunigte Expansion des Universums verantwortlich. Um diese Größen zu messen, wird Euclid Milliarden Galaxien bis zu einer Entfernung von zehn Milliarden Lichtjahren beobachten und daraus eine großräumige, dreidimensionale Karte des beobachtbaren Universums erstellen. Jochen Weller von der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik zeigt sich enthusiastisch: „Euclid wird es uns ermöglichen, Einsteins Theorie der Schwerkraft bei großen Entfernungen zu testen und wer weiß – vielleicht müssen wir seine Theorie erweitern.“ Joseph Mohr von der Ludwig-Maximilians-Universität fügt hinzu: „Wir sind absolut begeistert, weil Euclid einen Quantensprung in der Fähigkeit der Menschheit darstellt, den Ursprung und die Entwicklung des Universums zu untersuchen“. Die Ludwig-Maximilians-Universität ist eines der sechs deutschen Forschungsinstitute, die an Euclid beteiligt sind und Schlüsselkomponenten beigetragen haben.

Euclid ist eine Weltraummission der Europäischen Weltraumagentur, Esa, mit Beiträgen der National Aeronautics and Space Administration, Nasa. Fast genau elf Jahre nachdem die Esa dieses Programm offiziell annahm, erwarten nun Hunderte von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Euclid-Konsortiums weltweit gespannt die Ankunft des Teleskops am Lagrange-Punkt 2 (L2) von Erde und Sonne, von wo aus es die wissenschaftlichen Beobachtungen im Herbst 2023 aufnehmen wird. Das Weltraumteleskop ist nach dem berühmten Mathematiker Euklid von Alexandria benannt, der vermutlich im 3. Jahrhundert v. Chr. tätig war.

Das Konsortium bringt Wissenschaftler und Ingenieurinnen aus 17 Ländern zusammen, viele aus Europa, aber auch aus den USA, Kanada und Japan. Es ist für die Entwicklung und den Bau der Messinstrumente, für die Erfassung aller ergänzenden Daten am Boden, für die Entwicklung der Durchmusterungsstrategie und der Datenverarbeitungspipeline zur Erstellung aller kalibrierten Bilder und Kataloge sowie für die wissenschaftliche Qualität der Daten verantwortlich. Die Leitung hat das Institut d'astrophysique de Paris in Frankreich. Die Firmen Thales Alenia Space und Airbus (ehemals Astrium) zeichnen für den Bau des Teleskops verantwortlich, dessen Hauptspiegel einen Durchmesser von 1,2 Metern aufweist.

In Deutschland wurde die Euclid-Mission vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching, der Ludwig-Maximilians-Universität in München und der Universität Bonn mit Unterstützung der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, dem DLR, gemeinsam initiiert und entwickelt. In Schlüsselpositionen waren die Euclid-Gründungsmitglieder Ralf Bender und Jochen Weller (Ludwig-Maximilians-Universität und Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik), Hans-Walter Rix (Max-Planck-Institut für Astronomie) und Peter Schneider (Universität Bonn) beteiligt. Im Jahre 2018 stieß die Ruhr-Universität Bochum hinzu.

Das Max-Planck-Institut für Astronomie und das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik haben Schlüsselkomponenten zur Optik von Euclid beigetragen. Letzteres betreibt das deutsche Euclid Science Data Center, während die anderen genannten Institute und Forschungseinrichtungen wichtige Softwarepakete für die Kalibrierung und Analyse der Euclid-Daten entwickelt haben. „Um die Materieverteilung im All zu bestimmen, müssen die Forschenden die Entfernung aller Galaxien zur Erde messen“, erläutert Hendrik Hildebrandt von der Ruhr-Universität Bochum. „Dabei werden die Satellitendaten von Euclid mit Daten von bodengebundenen Teleskopen kombiniert.“

Die Universität Bonn beherbergt das Euclid Publication Office, in dem die wissenschaftlichen Veröffentlichungen des Euclid-Konsortiums koordiniert und geprüft werden. Peter Schneider der Universität Bonn ist sich sicher: „Wir erwarten eine sehr große Zahl von bahnbrechenden Publikationen, nicht nur in der Kosmologie, sondern in nahezu allen Forschungsbereichen der Astrophysik.“ Alle Institutionen trugen zur Entwicklung der wissenschaftlichen Nutzung bei und nahmen an den wissenschaftlichen Arbeitsgruppen von Euclid teil.

Neben der wissenschaftlichen Fragestellung, die Euclid untersucht, ist auch die verwendete Technik zukunftsweisend. Frank Grupp von der Ludwig-Maximilians-Universität und dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik unterstreicht: „Euclid enthält die größten optischen Linsen, die jemals für eine wissenschaftliche Weltraummission entwickelt wurden. Das war eine echte Herausforderung und wir sind sehr dankbar für die Unterstützung, die die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR für diese außergewöhnliche Mission geleistet hat.“ Die Deutsche Raumfahrtagentur koordiniert die deutschen Beiträge zur Europäischen Raumfahrtstrategie der Esa und stellt darüber hinaus aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm Fördermittel in Höhe von 60 Millionen Euro für die beteiligten deutschen Forschungsinstitute zur Verfügung.

„Wir sind alle sehr froh über den gelungenen Start“, freut sich Hans-Walter Rix. „Nun liegen viele Jahre intensiver Arbeit mit spannenden Ergebnissen vor uns. Wir hoffen, dass wir schließlich einen deutlich verbesserten Blick auf das Universum haben werden.“

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