Forschungsbericht 2008 - Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik

Das Problem der Reduktion: Wie die Chromosomenverteilung in der Meiose reguliert wird

The Dbf4-dependent Cdc7 kinase initiates processes required for the segregation of homologous chromosomes in meiosis I

Autoren
Zachariae, Wolfgang
Abteilungen

Zachariae: Kontrollmechanismen der Zellteilung durch Proteolyse (Dr. Wolfgang Zachariae)
MPI für molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden

Zusammenfassung
Der Bildung von Ei- und Samenzellen geht die Meiose voraus. In dieser besonderen Form der Zellteilung werden mütterliche und väterliche Chromosomen getrennt, sodass genetisch ungleiche Gameten entstehen. Dazu sind mehrere Prozesse nötig, die in einer normalen Zellteilung, der Mitose, nicht vorkommen. Arbeiten an Hefezellen in der Gruppe von Wolfgang Zachariae zeigen, dass diese Prozesse von einem einzigen Enzym, der Dbf4-abhängigen Cdc7-Proteinkinase, ausgelöst werden. Die Inaktivierung dieser Kinase verwandelt die Meiose in eine Mitose-ähnliche Zellteilung, bei der zwei genetisch identische Gameten entstehen.
Summary
The research group of Wolfgang Zachariae shows that in yeast, the Dbf4-dependent Cdc7 kinase (DDK) provides a link between premeiotic S phase and the segregation of homologous chromosomes in meiosis I. Independently from its established role in initiating DNA replication, DDK promotes double-strand break formation, the first step of recombination, and the recruitment of the monopolin complex to kinetochores, which is essential for monopolar attachment of sister kinetochores. Thus, activation of DDK both initiates DNA replication and commits meiotic cells to reductional chromosome segregation in meiosis I.

Mitose und Meiose

Die Vermehrung fast aller Tiere, Pilze und Pflanzen basiert auf zwei verschiedenen Formen der Zellteilung, der Mitose und der Meiose. Bei der mitotischen Zellteilung wird die DNA zunächst verdoppelt, wobei aus jedem Chromosom zwei identische Schwesterchromatiden entstehen. Diese werden dann mithilfe des Spindelapparates gleichmäßig auf die beiden Tochterzellen verteilt (Abb. 1). Viele solcher Teilungen machen aus der befruchteten Eizelle, der Zygote, schließlich einen Menschen mit mehr als 10 Trillionen Zellen. Die Zygote enthält eine mütterliche und eine väterliche Kopie von jedem Chromosom, sie ist somit diploid. Damit sich die Chromosomenzahl nicht in jeder Generation verdoppelt, müssen Ei- und Samenzellen (Gameten) aus einer speziellen Zellteilung hervorgehen, die den doppelten Chromosomensatz auf einen einfachen (haploiden) Satz reduziert. Auch die Meiose beginnt mit der Replikation der DNA, auf die jedoch zwei Kernteilungen folgen (Abb. 2). In der Meiose I (Reduktionsteilung) werden homologe Chromosomen mütterlichen und väterlichen Ursprungs getrennt und damit die Chromosomenzahl halbiert. In der Meiose II (Äquatorialteilung) werden wie in der Mitose Schwesterchromatiden getrennt, sodass schließlich vier haploide Gameten entstehen.

Von Erbsen und Hefen

Die besondere Art der Chromosomenverteilung in der Meiose ist der Grund dafür, dass die Weitergabe von „Erbfaktoren” (Genen) bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgt, die vor mehr als 140 Jahren von Gregor Mendel entdeckt wurden. Aus Kreuzungen von Erbsenpflanzen schloss er, dass „normale” Zellen eine mütterliche und eine väterliche Kopie (ein Allel) von jedem Erbfaktor enthalten. Gameten tragen jedoch entweder die eine oder die andere Kopie, aber niemals beide zusammen. Die „Mechanik” der Chromosomensegregation wurde zuerst an Organismen (z.B. Seeigel und Bandwürmer) mit großen Keimzellen und gut sichtbaren Chromosomen beschrieben. Bei der Aufklärung der molekularen Mechanismen spielen jedoch einzellige Hefen eine entscheidende Rolle, da ihr Genom mit hoher Genauigkeit und relativ geringem Aufwand manipuliert werden kann. Für die Erforschung der Meiose ist besonders nützlich, dass sich alle Zellen einer Hefekultur von mitotischer Zellteilung auf Meiose „umschalten” lassen. Die entstandenen haploiden Zellen (Sporen) können zudem isoliert und einzeln vermehrt werden, sodass man alle Produkte einer Meiose analysieren kann.

Die Mechanik der Meiose

Die korrekte Segregation oder Aufspaltung der Chromosomen hängt von der richtigen Verknüpfung mit den Fasern (Mikrotubuli) des Spindelapparates ab. Mikrotubuli binden an Chromosomen über große Proteinkomplexe, die Kinetochore, welche sich auf einem bestimmten Chromosomenabschnitt, dem Zentromer, bilden. In der Mitose (und der Meiose II) müssen die Kinetochore der Schwesterchromatiden an Mikrotubuli von gegenüberliegenden Spindelpolen binden (bipolare Anheftung). Bindung an Mikrotubuli vom selben Pol (monopolare Anheftung) oder Anheftung nur eines Kinetochores würde zu Fehlern in der Chromosomenverteilung führen. Wie aber erkennen mitotische Zellen die korrekte, bipolare Anheftung? Während der DNA-Replikation werden die Schwesterchromatiden über ihre gesamte Länge durch ringförmige Proteinkomplexe (Kohäsin) verbunden (Abb. 1, Replikation). Nur bei bipolarer Anheftung entsteht an den Kinetochoren eine Zugspannung, da die Spindelkräfte nun gegen diese Verbindung zwischen den Schwesterchromatiden arbeiten (Abb. 1, Metaphase). Kinetochore ohne Zugspannung erzeugen ein Signal, das den Fortgang der Mitose blockiert. Erst wenn alle Kinetochore unter Zugspannung stehen, wird das Kohäsin zerstört und die Spindel kann die Schwesterchromatiden auseinanderziehen (Abb. 1, Anaphase).

In der Meiose müssen sowohl homologe Chromosomen als auch Schwesterchromatiden zuerst verknüpft und dann wieder getrennt werden (Abb. 2). Dies erfordert drei von der Mitose abweichende Prozesse: (1) Nach der DNA-Replikation lagern sich homologe Chromosomen (kurz Homologe genannt) aneinander und werden dann durch Rekombination verknüpft. Dazu werden die DNA-Stränge an mehreren Stellen durchtrennt. Ein Strangbruch wird mithilfe eines homologen Stranges, nicht aber mit dem Schwesterstrang, repariert. Dadurch entsteht eine als Chiasma bezeichnete Struktur, welche die beiden Homologen zusammenhält (Abb. 2, Prophase I). Ein Nebenprodukt der meiotischen Rekombination ist die Vermischung von mütterlichen und väterlichen Allelen. (2) Durch die Verknüpfung der Homologen kann jetzt Zugspannung durch das Auseinanderziehen von mütterlichen und väterlichen Zentromeren erzeugt werden. Dafür müssen jedoch die beiden Schwesterkinetochore eines Chromosoms an Mikrotubuli vom selben Spindelpol binden (Abb. 2, Metaphase I). Obwohl die monopolare Anheftung die biochemische Basis für die Homologentrennung und damit für die Mendelschen Regeln ist, gehört dieser Prozess zu den am wenigsten verstandenen Aspekten der Meiose. (3) Die Trennung der Homologen wird durch die Auflösung der Chiasmata initiiert. Dazu wird das Kohäsin auf den Armen der Chromosomen zerstört (Abb. 2, Anaphase I). Das Kohäsin um die Zentromere bleibt jedoch erhalten, da es für die bipolare Anheftung der Schwesterkinetochore in der Meiose II benötigt wird (Abb. 2, Metaphase II). Die Zerstörung des Zentromerkohäsins führt schließlich zur Trennung von Schwesterchromatiden und damit zur Bildung haploider Gameten (Abb. 2, Anaphase II).

Auf molekularer Ebene verstehen wir die Mitose wesentlich besser als die Meiose. Bei der mitotischen Zellteilung ist zumindest im Prinzip bekannt, wie die einzelnen Prozesse ablaufen und wie sie miteinander koordiniert werden. Für einige Prozesse der Meiose müssen die wichtigen Proteine erst noch entdeckt werden und es ist unklar, wie die verschiedenen Vorgänge in eine Sequenz geordnet werden, die haploide Gameten erzeugt.

Die Dbf4-abhängige Cdc7-Kinase: Mehr als nur ein Replikationsenzym

Um neue Regulatoren der Reduktionsteilung zu finden, hat die Gruppe von Wolfgang Zachariae Proteine analysiert, die in der Meiose I an eine als Polo-Kinase bezeichnete Proteinkinase binden. Proteinkinasen sind Enzyme, die Phosphatgruppen auf andere Proteine übertragen und dadurch deren Aktivität regulieren. Polo-Kinase wird in Hefen und multizellulären Organismen während der mitotischen und der meiotischen Kernteilung gebildet. Überraschenderweise wurde als prominentester Bindungspartner von Polo-Kinase eine andere konservierte Proteinkinase identifiziert, die Dbf4-abhängige Cdc7-Kinase (kurz DDK) [1]. Diese besteht aus einer katalytischen (Cdc7) und einer aktivierenden Untereinheit (Dbf4) und wird für die Initiation der DNA-Replikation benötigt. Die Bindung von DDK an Polo-Kinase in Meiose I deutete darauf hin, dass diese Kinase noch weitere Funktionen hat. Um diese Möglichkeit zu testen, musste DDK inaktiviert werden, ohne dabei die DNA-Replikation und damit den Fortgang der Meiose zu blockieren. Dies wurde mit zwei verschiedenen Tricks erreicht. Zum einen wurde das Replikationsenzym, das normalerweise von DDK eingeschaltet wird, durch eine Mutation aktiviert. Zum anderen wurde die DDK-Aktivität soweit verringert, dass sie für eine normale DNA-Replikation gerade noch ausreichte. Beide Manipulationen haben den gleichen Effekt auf die Meiose: Es werden nicht mehr vier haploide, sondern zwei diploide, lebensfähige Sporen gebildet! Diese Zellteilung ähnelt einer Mitose, da Schwesterchromatiden getrennt werden und genetisch identische (klonale) Sporen entstehen [1]. DDK hat also in der Meiose neben der Replikation noch andere Funktionen, die für die Segregation homologer Chromosomen und damit für die Halbierung der Chromosomenzahl gebraucht werden.

Ein Meister der Reduktion

Um die Rolle von DDK bei der Reduktionsteilung zu verstehen, wurden die beiden Meiose-spezifischen Prozesse – Rekombination und monopolare Anheftung an die Spindel – näher untersucht. Die Rekombination wird durch DNA-Strangbrüche ausgelöst, an die sich dann Rekombinationsenzyme anlagern. Die DNA aus DDK-Mutanten war jedoch intakt und die Rekombinationsenzyme bildeten keine Komplexe [1]. Normalerweise führt das Ausbleiben der Rekombination zu einer extrem fehlerhaften Chromosomenverteilung in der Meiose I und damit zu Sporen, die nicht lebensfähig sind. In DDK-Mutanten muss also ein weiterer Defekt vorliegen, der die Segregation unverknüpfter Chromosomen in Meiose I verhindert, ohne jedoch die Sporenbildung zu unterbinden. Frühere Arbeiten haben gezeigt, dass eine bipolare Anheftung der Schwesterkinetochore an die Spindel jegliche Chromosomensegregation in Meiose I blockiert. In diesem Fall arbeiten die Spindelkräfte gegen das Kohäsin, welches die Schwesterzentromere zusammenhält und erst in der Meiose II zerstört wird. Aufgrund der fehlenden Kernteilung in Meiose I werden die Schwesterchromatiden dann auf nur zwei Sporen verteilt (Abb. 3).

Um diese Möglichkeit zu untersuchen, wurden zelluläre Strukturen mit fluoreszierenden Proteinen markiert, sodass sie durch Videomikroskopie in lebenden Zellen beobachtet werden können (Abb. 4). Markiertes Kohäsin verschwindet in DDK-Mutanten planmäßig von den Armen der Chromosomen, ohne jedoch eine Kernteilung auszulösen. Markierung von Schwesterzentromeren zeigte, dass diese in DDK-Mutanten in Meiose I unter Zugspannung stehen, was ein Hinweis auf ihre bipolare Anheftung ist. In Hefezellen hängt die monopolare Anheftung von der Bindung des Proteinkomplexes Monopolin an die Kinetochore in Meiose I ab. Es stellte sich heraus, dass der Monopolin-Komplex in DDK-Mutanten gebildet wird, aber nicht an die Kinetochore binden kann [1]. Dieser Defekt beruht wahrscheinlich auf der fehlenden Phosphorylierung einer Monopolin-Untereinheit. Meiose I ohne Rekombination oder mit bipolarer Anheftung führt zu nicht lebensfähigen Sporen. Die Kombination dieser beiden Defekte in DDK-Mutanten ergibt zwei lebende Sporen, die genetische Klone der Ausgangszelle sind (Abb. 3).

Diese Untersuchungen erklären, warum die erste Kernteilung nach der meiotischen DNA-Replikation reduktional ablaufen muss. Nach dem Eintritt in die Meiose steigt die DDK-Aktivität durch Expression von Dbf4 an. Dies löst die DNA-Replikation aus und etabliert eine Phase erhöhter DDK-Aktivität, die bis zur Zerstörung von Dbf4 am Ende von Meiose I anhält. Erhöhte DDK-Aktivität initiiert Rekombination und monopolare Anheftung, sodass in der folgenden Kernteilung zwangsläufig homologe Chromosomen getrennt werden. Nach der Meiose I wird keine DDK-Aktivität mehr gebildet. Dadurch werden Bedingungen für die Verteilung von Schwesterchromatiden in der Meiose II geschaffen. DDK hilft auch die zeitliche Reihenfolge festzulegen, in der Replikation, Rekombination und monopolare Anheftung auftreten, da diese Prozesse durch unterschiedliche DDK-Aktivitäten ausgelöst werden [1]. Die Rekombination benötigt wesentlich mehr DDK-Aktivität als die DNA-Replikation und setzt deshalb erst später ein. Für die monopolare Anheftung muss DDK mit der Polo-Kinase zusammenarbeiten, die erst nach der Reparatur aller DNA-Strangbrüche exprimiert wird. Die zwei Kinasen binden aneinander und beide werden zur Phosphorylierung von Monopolin gebraucht.

DDK wurde als ein Enzym entdeckt, das notwendig ist, um aus einem Genom zwei identische Kopien herzustellen. Diese Arbeit zeigt, dass es zumindest in Hefe auch dazu beiträgt, genetische Vielfalt zu erzeugen. Genauso könnte unsere eigene DDK bewirken, dass wir Menschen keine Klone sind.

Originalveröffentlichungen

J. Matos, J. J. Lipp, A. Bogdanova, S. Guillot, E. Okaz, M. Junqueira, A. Shevchenko, W. Zachariae:
Dbf4-dependent Cdc7 kinase links DNA replication to the segregation of homologous chromosomes in meiosis I.
Cell 135, 662–678 (2008).
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