„Wir nehmen eine große Verunsicherung wahr“

6. Februar 2017

Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, angesichts des anstehenden Brexits und der Wahl von US-Präsident Donald Trump:

Ob der Brexit oder die Wahl von Trump – wir nehmen angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen eine große Verunsicherung in der wissenschaftlichen Community wahr. Insbesondere in England und den USA, immerhin die Länder mit den weltweit forschungsstärksten Universitäten. Ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben – vor allem jenseits des Atlantiks und je nachdem welchem Fach sie angehören – Sorgen, dass der politische Einfluss auf Förderung von Forschungsgebieten zunehmen und die Freiheit der Forschung eingeschränkt werden könnte. Unsere Max-Planck-Wissenschaftler sind mit Kolleginnen und Kollegen in den USA hoch vernetzt. Eine radikale Veränderung der Forschungsschwerpunkte würde die MPG treffen – und die gesamte deutsche wie internationale Wissenschaft. Gleiches gilt beim von US-Präsident Trump erlassenen Einreisedekret. Allein aus Iran und Syrien arbeiten derzeit rund 230 Wissenschaftler an Max-Planck-Instituten; die meisten von ihnen konnten zwischendurch nicht in die USA reisen. Die für Wissenschaft notwendige Zusammenarbeit war empfindlich gestört.

Auch bei Großbritannien geht es um wissenschaftliche Zusammenarbeit in Netzwerken und die finanzielle Unterstützung dafür. Die britische Regierung ist beim Thema Wissenschaft immer sehr rational gewesen und weiß um ihren Wert, das hat sich auch unter der neuen Führung nicht verändert. Aber wir haben in Europa in den vergangenen Jahren so große Fortschritte erzielt bei den wissenschaftlichen Netzwerken. Wissenschaftliche Exzellenz wird gefördert, junge Forscher werden unterstützt, mobil zu sein, den wissenschaftlichen Nachzüglern unter den Ländern wird geholfen. Bricht Großbritannien als Nettozahler der EU weg, wer schließt die Lücke, wo wird gekürzt? Das werden nicht die Agrar-Subventionen sein, sondern das werden Kurzzeitprojekte sein, wie sie typisch sind für die Wissenschaft. Das ist eine der großen Sorgen, die uns umtreiben muss. Das ist wie bei einem gut gewebten Spinnennetz: Schneidet man an einer Stelle, ist das ganze Netz zerstört, auch wenn vielleicht noch ein paar Fäden halten. Diese Entwicklungen in Europa wie Nordamerika stimmen mich nachdenklich, weil Wissenschaft bei der Gestaltung nahezu aller gesellschaftlichen Bereiche eine maßgebliche Rolle spielt. Sie braucht daher weltweit ein solides Fundament; also individuelle, institutionelle und finanzielle Autonomie.

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