Die vierte Massenbleiche

In vielen Gebieten der Ozeane verlieren die Korallenriffe ihre Farbe und drohen abzusterben – Ursache sind die hohen Temperaturen der Weltmeere

Seit Anfang 2023 kommt es in über 50 Gebieten auf der Erde zu einer Massenbleiche von Korallenriffen. Dabei stoßen die Korallen einzellige Algen aus, die sie zum Überleben benötigen. Ursache sind die hohen Temperaturen in den Weltmeeren. Seit dem 15. April 2024 sprechen die US-amerikanische National Oceanic and Atmospheric Administration und die International Coral Reef Initiative nun von der vierten globalen Korallenbleiche. Es ist bereits die zweite innerhalb eines Jahrzehnts.

Seit Jahren sagen Klimamodelle voraus, dass mit der weiteren Erwärmung des Ozeans die Korallenriffe immer häufiger und stärker bleichen werden. Die außergewöhnlich warmen Meerwassertemperaturen werden unter anderem durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Abholzung von Wäldern verursacht. Inzwischen treten diese Bleichereignisse immer häufiger auf. „Die Zeitabstände zwischen den einzelnen Bleichen werden immer kürzer, so dass den Korallen nicht genügend Zeit bleibt, sich zu erholen“, sagt Mathilde Godefroid, die am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen Korallenriffe erforscht.

Wenn die Meerwassertemperaturen über einen längeren Zeitraum höher liegen als normal, beginnen Korallen unter Hitzestress zu leiden. Die hohen Temperaturen stören die Symbiose zwischen den Korallen und den in ihrem Gewebe lebenden Mikroalgen (Zooxanthellen). Die Algen produzieren dann Moleküle, die sowohl die Algen selbst als auch die Koralle schädigen. Als Reaktion stoßen die Korallen ihre Symbiosepartner aus, um die Schäden zu verringern. Dies hilft den Korallenzellen zwar für kurze Zeit, langfristig schadet es ihnen jedoch, denn die Mikroalgen decken durch Fotosynthese bis zu 90 Prozents des Energiebedarfs der Korallen.

Korallen verlieren ihre Farbe

Die Algen verleihen den Korallen auch ihre Farbe. Wenn sie abgestoßen werden, wird das Korallengewebe daher durchsichtig, und das darunter liegende weiße Skelett kommt zum Vorschein: Die Korallen scheinen also auszubleichen. „Wenn sich die Umgebungstemperaturen relativ schnell wieder normalisieren, können die Korallen ihre Symbionten wieder aufbauen und Bleiche überleben, auch wenn sie dadurch natürlich stark belastet werden. Halten die erhöhten Temperaturen jedoch an oder kommen andere Stressfaktoren hinzu, können sich die Korallen nicht mehr erholen. Dann sterben sie ab“, erklärt Mathilde Godefroid.

Globale Korallenbleichen gab es zuletzt 1998, 2010 und von 2014 bis 2017. Die letzte betraf mehr als die Hälfte der aller Riffe. Im Great Barrier Reef vor der Ostküste Australiens ist infolgedessen die Hälfte der Riffe abgestorben. Terry Hughes von der James Cook University in Australien zufolge ist dies das fünfte Mal in acht Jahren, dass das Great Barrier Reef von diesem Phänomen heimgesucht wird. In diesem Jahr seien sogar 75 Prozent von der Bleiche betroffen.

Für die Zukunft der Korallenriffe auf der Erde sind das Ausmaß und die Geschwindigkeit der globalen Erwärmung entscheidend: Bei einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad werden voraussichtlich 70 bis 90 Prozent der Riffe verschwinden. Bei einem Anstieg um zwei Grad, wie er 2050 erreicht werden könnte, werden fast alle Riffe der Erde absterben. Wichtig ist aber auch das Tempo der Erwärmung: Ein langsamerer Temperaturanstieg gibt den Korallen die Gelegenheit, sich anzupassen. „Wenn es uns also gelingt, die Erwärmung zu begrenzen und lokale Schutzmaßnahmen zu ergreifen, können wir vielleicht einige Riffe oder einige widerstandsfähige Korallenarten erhalten. Das Zeitfenster für Maßnahmen wird immer aber kleiner. Es gibt nur eine Möglichkeit, gesunde Korallenpopulationen langfristig zu erhalten: die Stabilisierung der Meerestemperaturen durch eine Verringerung unserer Treibhausgasemissionen“, sagt Mathilde Godefroid.

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