Zur aktuellen Berichterstattung in stern TV

18. September 2014

Vor dem Hintergrund der in der Sendung stern TV vom 10. September 2014 präsentierten illegal aufgenommenen Filmsequenzen aus der Tierhaltung des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik hat der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft den Leiter des Deutschen Primatenzentrums, Prof. Dr. Stefan Treue, gebeten, die Situation vor Ort zu prüfen.

Herr Prof. Treue hat im Rahmen eines mündlichen Berichts eine Einschätzung und Bewertung zum Umgang und der tiermedizinischen Versorgung der Tiere abgegeben. Diese erfolgte unbenommen einer noch laufenden intensiven und detaillierten Prüfung durch die Behörden. Sie sollte die Max-Planck-Gesellschaft aber angesichts der Schwere der Vorwürfe schnell in die Lage versetzen, sachgerecht über die nächsten Schritte zu entscheiden. Sämtliche Protokolle und Dokumentationen stehen den Behörden selbstverständlich für eine weitere Überprüfung zur Verfügung.

Prof. Treue hat bei seinem Besuch in Tübingen mit den Mitarbeitern gesprochen und Einsicht in Protokolle und Dokumentationen genommen. Der erfahrene Forscher unterstrich, dass jede Operation ein Risiko berge – das gelte auch für jede humanmedizinische OP. Nachblutungen oder Nahtinsuffizienzen ließen sich nie vollkommen ausschließen. Für ihn sei es wichtig gewesen zu erfahren, ob solche Komplikationen am MPI gehäuft aufgetreten seien, bzw. ob es einen adäquaten Umgang damit gegeben habe (z.B. unmittelbare Versorgung einer wieder aufgegangenen Naht).  Der Leiter des Primatenzentrums attestierte den Mitarbeitern am Institut große Sorgfalt im Umgang mit den Tieren. Die Mitarbeiter seien sehr erfahren und hoch motiviert. Es sei keine Vernachlässigung der Tiere festzustellen, so Treue. Die Dokumente belegten eine enge tiermedizinische Betreuung am Institut.

Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Prof. Martin Stratmann, war eigens nach Tübingen gereist, um ebenfalls Gespräche mit den Mitarbeitern vor Ort zu führen. Diese Vorwürfe seien eine große Belastung für alle Mitarbeiter am Institut, die ihren Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen nachgingen, betonte der Präsident.

Stratmann hob hervor, dass die Forschungen am Institut national wie international einen herausragenden Ruf genießt. Er unterstrich, dass aus Sicht der Max-Planck-Gesellschaft nach wie vor die Notwendigkeit zu tierexperimenteller Forschung – auch mit nichthumanen Primaten – bestehe, um zentrale wissenschaftliche Fragen zu beantworten und damit u.a. auch die Grundlagen zu schaffen für neue Behandlungsansätze in der Medizin. Stratmann erklärte, dass nicht nur ein hoher Anspruch an die Wissenschaft bestehe, sondern ein ebenso hoher Anspruch an die Tierhaltung sowie den Umgang mit den Tieren im Experiment. Nachdem der Leiter des Deutschen Primatenzentrums keine schwerwiegenden Mängel vorgefunden habe, habe man aber zusammen mit der Institutsleitung ausführlich über weitere Verbesserungsmaßnahmen diskutiert. In einen ersten Maßnahmenkatalog wurden nun die folgenden Punkte aufgenommen:

Die personelle Ausstattung der Abteilung ist auch im Vergleich mit anderen Einrichtungen angemessen. Deutlicher Verbesserungsbedarf wird jedoch in der Organisation festgestellt. Darüber hinaus stößt die tierärztliche Betreuung der Primaten an ihre Kapazitätsgrenzen. Das Institut wird deshalb sofort und dauerhaft zusätzliche externe tierärztliche Kapazität verfügbar machen. Ab sofort wird die Beobachtung der Primaten nicht nur tagsüber, sondern auch  in der Nacht nach der Operation personell sichergestellt. Für die Primatenhaltung wird ein Leiter in Vollzeit gesucht, der selbst Tierarzt ist. Um sicher zu stellen, dass die Strukturen mit den Anforderungen Schritt halten, wird das Institut bis zur Umsetzung dieser Maßnahmen keine weiteren Anträge auf Genehmigung von Versuchen mit Primaten stellen. Das Institut wird künftig eine IT-gestützte Dokumentation einführen, die u.a. nicht nur die Nahrungsaufnahme, sondern auch das Nahrungsangebot dokumentiert. Zukünftig wird das Institut auf den Einsatz der Führstange bei Trainingsmaßnahmen verzichten.

Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft betonte, dass tierexperimentelle Forschung mit nichthumanen Primaten höchsten Ansprüchen genügen muss. Mit ihrem Maßnahmenkatalog will die Max-Planck-Gesellschaft sicherstellen, dass die Tierhaltung sowie der Umgang mit den Tieren im Experiment am Institut unter optimalen Bedingungen stattfinden kann.

Im Kasten in der rechten Randspalte verweisen wir auf Hintergrundinformationen zu den beiden von stern TV in der Sendung vom 10. September 2014 sowie der Folgesendung am 17. September 2014 präsentierten Fällen.

Unsere Stellungnahme vom Montag, den 15. September 2014

Im Nachgang zu der Stellungnahme der Max-Planck-Gesellschaft vom 11. September 2014 zu der Berichterstattung in stern TV über Tierversuche am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen möchten wir Sie über das aktuell laufende Verfahren informieren.

Wir möchten noch einmal betonen, dass wir die Vorwürfe sehr ernst nehmen. Das Institut prüft alle Punkte und muss dazu umfänglich Protokolle und Dokumente sichten. Darüber hinaus hat die Max-Planck-Gesellschaft einen externen Experten mit einer Prüfung vor Ort beauftragt. Das Ergebnis dieser Untersuchung wird voraussichtlich am Donnerstag vorliegen. Erst dann kann sich die Max-Planck-Gesellschaft äußern und entscheiden, wie weiter verfahren werden soll. Es ist unser vordringliches Ziel, die erhobenen Vorwürfe restlos aufzuklären. Der hohe Wert und Nutzen der Primatenforschung für die Gesellschaft darf nicht gefährdet werden.

Unsere Stellungnahme vom Donnerstag, den 11. September 2014

In der Sendung stern TV vom 10. September 2014 wurden unter der Überschrift „Leiden für die Wissenschaft“ illegal aufgenommene Filmsequenzen aus der Tierhaltung des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik präsentiert. Die Auswahl des Bildmaterials erfolgte allein zu dem Zweck, Tierversuche zu diskreditieren. Praktisch keine der Aufnahmen zeigt den Normalzustand in der Tierhaltung am Institut. Darüber hinaus wurden die Bilder in einer Art und Weise aneinandergereiht, dass eine sinnvolle Einordnung in den eigentlichen Kontext, in dem sie entstanden sind, nicht mehr möglich war oder zum Teil sogar bewusst ein vollkommen anderer Kontext suggeriert werden sollte. Das Institut hatte dem Sender eigene Aufnahmen zur Verfügung gestellt, die in dem Beitrag leider so gut wie gar keine Berücksichtigung fanden. Vor diesem Hintergrund können wir nicht von einer ausgewogenen Berichterstattung sprechen.

Das Emotionalisieren mit Bildern von leidenden oder auch nur vermeintlich leidenden Tieren ist eine von Tierschützern immer wieder angewandte Methode. Einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema dient sie leider nicht. Im Nachgang zur Sendung von Stern TV sehen sich die Mitarbeiter des Instituts, aber auch anderer Institute der Max-Planck-Gesellschaft derzeit bösartigen Beschimpfungen, Schmähungen bis hin zu Morddrohungen ausgesetzt. Die Allianz der Forschungsorganisationen hat erst vor wenigen Monaten angesichts einer diffamierenden Anzeigenkampagne gegen einen Hirnforscher der Universität Bremen explizit alle Beteiligten dazu aufgefordert, die wichtige gesellschaftliche Diskussion zu den Rahmenbedingungen und der Bedeutung von Tierversuchen in der Forschung sachlich, offen und ohne persönliche Verunglimpfungen zu führen! Diese Bitte möchten wir im Namen unserer Mitarbeiter hier noch einmal wiederholen.

Darüber hinaus möchten wir an dieser Stelle Folgendes noch einmal grundsätzlich festhalten:

  • Deutschland hat im internationalen Vergleich eines der strengsten Tierschutzgesetze. Für Versuche an Wirbeltieren benötigen Wissenschaftler für jedes einzelne Versuchsvorhaben die Genehmigung durch die zuständige Behörde. In dem Antrag ist wissenschaftlich genau zu begründen, warum das Forschungsziel ohne den Einsatz von Labortieren nicht erreicht werden kann. Bei der Entscheidung über die Genehmigung oder Ablehnung eines solchen Tierversuchsantrages wird die Behörde durch eine Kommission beratend unterstützt, in der sich neben Experten aus der Tiermedizin, der Medizin oder einer naturwissenschaftlichen Fachrichtung auch Vertreter von Tierschutzorganisationen befinden.

  • Das Wohl der Versuchstiere ist allen mit Tierversuchen befassten Mitarbeitern in der Max-Planck-Gesellschaft ein wichtiges Anliegen: Tierschutz, bestmögliche Haltungsbedingungen und ein verantwortungsvoller Umgang mit den Tieren sind eine ethische Verpflichtung. Die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik arbeiten deshalb beispielsweise auch an einer ständigen Verbesserung der Implantate wie auch der Operationstechniken. Alle Operationen finden unter Vollnarkose und nach humanmedizinischen Standards statt. Darüber hinaus erfolgt die Durchführung eines Tierversuchs immer unter tiermedizinischer Aufsicht, der Aufsicht der Tierschutzbeauftragten sowie unter regelmäßiger behördlicher Kontrolle.

  • Ein wesentliches Ziel biologischer und medizinischer Grundlagenforschung ist es, ein möglichst vollständiges Bild über das komplexe Zusammenwirken im Körper zu bekommen. Dies ist die Voraussetzung, um Krankheiten zu verstehen und entsprechende Medikamente oder Behandlungsmethoden entwickeln zu können. Bei allen Bemühungen um tierversuchsfreie Methoden wie Zellkultur-Studien, Computer-Modellen etc. sind wir bei dem Studium so komplexer Organe wie dem Gehirn noch weit davon entfernt, die physiologischen Zusammenhänge auf diese Weise analysieren zu können.

    Die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik forschen im Bereich der Neurokognition. Ihre Erkenntnisse haben u.a. einen wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis von Magnetresonanz-Untersuchungen geleistet – genau jene non-invasive Methode, die in der Live-Diskussion bei Stern TV als Tierversuchs-Ersatz benannt wurde. Tatsächlich sind die Bilder aus dem Magnetresonanztomografen erst durch die Arbeiten der Max-Planck-Forscher für die Ärzte auf der Ebene von Nervenzellen interpretierbar geworden. Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist heute ein zentrales Diagnose-Instrument in der Medizin. Sie erlaubt eine schnelle und non-invasive Einschätzung und Beobachtung des Zustands beispielsweise von Schlaganfallpatienten, Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma oder auch von Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen.

    Nichtsdestotrotz bildet die Magnetresonanztomografie lediglich Hirnareale ab und nicht das Geschehen auf der Ebene Nervenzellen. Für die Weiterentwicklung und Optimierung beispielsweise von Hirnschrittmachern, wie sie bei Parkinson-Patienten eingesetzt werden, sind daher elektrophysiologische Ableitungen am Versuchstier nach wie vor unverzichtbar.

Zum jetzigen Zeitpunkt wird die gestrige Sendung von Stern TV noch ausgewertet, da uns nicht alle Filmsequenzen vorlagen. Wir können jedoch jetzt schon festhalten: Die in dem Filmbeitrag gezeigten Aufnahmen eines Tieres mit einem schweren Schlaganfall stellen eine absolute Ausnahme dar. Wir haben wenig Verständnis dafür, wenn der eingeschleuste Tierpfleger dieses schwer kranke Tier filmt anstatt unmittelbar den Tierarzt zu verständigen, was seine Pflicht gewesen wäre.

Wir treten auch dem im Film vermittelten Eindruck entgegen, tote Tiere würden wie „Müll“ entsorgt. Tatsache ist, dass alle toten Tierkörper zur pathologischen Untersuchung durch eine kompetente staatliche Veterinäruntersuchungsstelle geschickt werden, die sie auf den Gesundheitszustand vor der Tötung untersuchen und so stets überprüfen, ob ein tiermedizinisch verantwortungsbewusster Umgang mit den Tieren stattgefunden hat.

Ebenfalls vom Kontext losgelöst ist die Darstellung des Einstiegs in den Primatenstuhl. Trainierte Tiere steigen unmittelbar in den Stuhl ein. Dieses Training dauert zwischen zwei und drei Tagen. Der Filmbeitrag zeigt u.a. ein noch vollkommen untrainiertes Tier. Die Wissenschaftler am Institut haben einen neuen Primatenstuhl entwickelt, der den Tieren den freiwilligen Einstieg in den Stuhl ermöglicht. Sie dafür zu trainieren ist etwas aufwändiger, das Vorhaben wird aber insbesondere von den Behörden sehr unterstützt.

Die Max-Planck-Gesellschaft prüft den aktuellen Vorgang. Sie befindet sich dabei im engen Austausch mit den Behörden.

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