Stressbewältigung im Gehirn

MikroRNA-Molekül verändert Reaktion auf Stress

4. November 2014

Chronischer Stress wirkt sich sowohl auf unsere Stimmungslage als auch auf unser Verhalten aus. Wissenschaftler des "Max Planck – Weizmann Labors für experimentelle Neuropsychiatrie und Verhaltensneurogenetik" haben nun die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen dafür untersucht, wie das Gehirn eine Reaktion auf Stress einleitet. Erstmalig konnten sie zeigen, dass unterschiedliche Mengen des mikroRNA-Moleküls miR19b in Gehirnregionen, welche für die Stressantwort zuständig sind, das Verhalten von Mäusen beeinflussen. Diese Entdeckung könnte dazu beitragen, die Stressbewältigung in unserem Gehirn besser zu verstehen.

Wissenschaftler um Alon Chen, Direktor am Max-Planck-Institut für Psychiatrie und Leiter des „Max Planck – Weizmann Labors für experimentelle Neuropsychiatrie und Verhaltensneurogenetik“ haben in speziellen Gehirnregionen von chronisch gestressten Mäusen erhöhte Mengen des Moleküls miR19b gefunden. MicroRNAs wie miR19b sind sehr kurze, nicht-kodierende RNA-Moleküle, die verschiedenste Vorgänge in Zellen regulieren. Die Forscher konnten zeigen, dass miR19b hauptsächlich auf den Adrenorezeptor beta-1 (Adrb1) wirkt. Wenn mehr miR19b vorhanden ist, wird weniger von dem Rezeptor Adrb1 produziert. Adrenorezeptoren werden durch das natürliche Stresshormon Noradrenalin aktiviert und spielen auch bei der Verfestigung von Erinnerungen eine wichtige Rolle.

Beeinflusst demnach eine erhöhte Menge an miR19b die Erinnerung an stressige Ereignisse bei Mäusen? „Mithilfe einer völlig neuen ortsspezifischen Gentechnik und Injektionsmethoden konnten wir exakt nur in denjenigen Gehirnbereichen die Menge an miR19b verändern, die mit der Stressreaktion in Verbindung stehen“, erklärt Alon Chen. Mäuse mit erhöhter oder verringerter Menge an miR19b – also mit verringerten oder erhöhten Mengen an Adrb1  – zeigten keine Verhaltensänderung während Versuchen zur Ängstlichkeit. Aber Mäuse mit mehr miR19b wiesen abweichende Erinnerung an stressige Situationen auf, die durch ein akustisches Signal angekündigt wurden. Die Mäuse sind weniger erschrocken und konnten besser mit dem Stress umgehen.

„In weiteren Experimenten konnten wir sogar zeigen, dass höhere oder niedrigere Mengen an miR19b nicht nur in den an der Stressreaktion beteiligten Gehirnbereichen die Signale des Noradrenalins beeinflussen, sondern auch in denjenigen Regionen, die an der Verfestigung von Erinnerungen mitwirken“, erläutert Naama Volk, Doktorandin von Alon Chen und Erstautorin der aktuellen Studie. „Die räumlich begrenzte Regulierung des Rezeptors Adrb1 durch die miR19b ermöglicht angemessene Reaktionen in stressigen Situationen. So können die Tiere ihr Verhalten an wechselnde Begebenheiten anpassen.“ Diese Entdeckung könnte dazu beitragen, die Stressbewältigung in unserem Gehirn besser zu verstehen und aufzuklären, wie unterschiedliche Ereignisse unterschiedliche Reaktionen hervorrufen.

AN/HR

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