Frühwarnsystem für Ökosystem-Veränderungen

Frühwarnsystem für Ökosystem-Veränderungen

Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff – diese vier für das Leben bedeutsamen Elemente und ihre Verbindungen werden durch Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen umgesetzt und über Luft und Wasser verteilt. Das Max-Planck-Institut für Biogeochemie erforscht diese globalen Stoffkreisläufe und die daran beteiligten biologischen, chemischen und physikalischen Prozesse. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Jena wollen dabei das komplexe Zusammenspiel der Organismen am und im Boden, der Treibhausgase in der Atmosphäre und den Einfluss des Menschen auf diese Prozesse besser verstehen und wie Ökosysteme auf unterschiedliche Herausforderungen wie Klimabedingungen, Landnutzung und Artenvielfalt reagieren.

Die Forschungsgruppe Molekulare Biogeochemie um Gerd Gleixner identifiziert Schlüsselprozesse in den globalen biogeochemischen Stoffkreisläufen und untersucht diese Prozesse auf molekularer Ebene, um die Änderungen in Ökosystemen zu verstehen und frühzeitig zu erkennen. Dadurch können frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um wichtige Ökosystemfunktionen in einer sich ändernden Umwelt zu erhalten. Der Schwerpunkt der Arbeiten liegt darin, die sog. "kritische Zone der Erde" zu untersuchen – die verletzliche Haut der Erde, in der Gestein, Boden, Wasser, Luft und lebende Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen interagieren. Die Interaktionen in der „kritischen Zone“ beeinflussen den Kohlenstoffkreislauf in großem Maße und beeinflussen somit auch den Klimawandel sowie die lebenserhaltenden Ökosystemfunktionen wie die Nahrungsmittelproduktion und Wasserqualität.

Um diese Prozesse zu untersuchen eignen sich gelöste organische Verbindungen (engl.: "Dissolved Organic Matter - DOM") im Wasser besonders, weil es sich dabei um mobile Substanzen handelt, die zwischen Systemteilen transportiert werden können. Die gelösten organischen Verbindungen enthalten den „molekularen Fingerabdruck“ eines Ökosystems. Diese "molekularen Fingerabdrücke" können gelesen und mit modernsten und komplexen Analysemethoden wie etwa Elektrosprayionisation-Fouriertransformations-Ionencyclotronresonanz-Massenspektrometrie oder magnetische Kernresonanz-Spektroskopie charakterisiert werden. Ziel ist, im molekularen Fingerabdruck von Ökosystemen neue Markersubstanzen zu identifizieren, die dabei helfen können, die ablaufenden Prozesse aufzuklären. Im Fokus steht, wie stark bestimmte Umweltparameter und das Zusammenspiel von Pflanzen und Mikroorganismen in einem Ökosystem die molekulare Zusammensetzung der organischen Verbindungen beeinflussen. Hierfür wird zunächst ein systematischer Satz an Umweltparametern und Ökosystemtypen untersucht.

Was der molekulare Fingerabdruck verrät

Bisherige Ergebnisse zeigen, dass der pH-Wert und die Temperatur wichtige Einflussfaktoren des molekularen Fingerabdrucks darstellen. Es deutet sich allerdings an, dass auch die Vegetationszusammensetzung wesentlich beeinflusst, wie die DOM zusammengesetzt sind. Hierbei zeigt der molekulare Fingerabdruck in den oberen 60 Zentimetern des mineralischen Bodens starke Änderungen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass das frische Pflanzensignal mit Eintrag in den Boden schnell verschwindet und ein mikrobiell beeinflusstes Signal vorliegt. Es ist somit denkbar, dass mit einzelnen Markern die Reinigungskapazität und -fähigkeit von Böden beschreibbar ist.

Aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen arbeitet das Max-Planck-Institut für Biogeochemie zunächst daran, den Einfluss der Vegetation von dem des pH-Wertes und des Standorts zu trennen. Dazu ist es einerseits nötig, die molekularen Fingerabdrücke verschiedener Vegetationen auf gleicher Bodenbeschaffenheit zu vergleichen und andererseits die molekularen Fingerabdrücke verschiedener Standorte gleicher Vegetation zu vergleichen. Um das frische Pflanzensignal im Boden genauer zu charakterisieren ist es nötig, den molekularen Fingerabdruck frischer Pflanzen mit den molekularen Fingerabdrücken in verschiedenen Abbaustadien zu vergleichen.

Das Projekt wird von der Zwillenberg-Tietz Stiftung finanziell und infrastrukturell gefördert, denn zum Stiftungseigentum gehört eine größere Landfläche inmitten des westlichen Havellands zwischen den Städten Brandenburg, Nauen und Rathenow. Hier lassen sich die für das Projekt nötigen Langzeitstudien besonders gut durchführen und die Standortvergleiche bieten sich auf dem Gelände von Gut Linde an, weil die vorherrschenden sauren Bedingungen im sandigen Boden eine ideale und notwendige Ergänzung zu den bestehenden Untersuchungsgebieten darstellen. Der Bewuchs mit Grasland ergänzt einerseits die bereits bestehenden Untersuchungsstandorte bezüglich der Parameter Vegetation und pH/Standort. Sie erlauben andererseits auch, den  Vegetationseinfluss (Eichen vs. Kiefern vs. Grasland) bei vergleichbarer Bodenbeschaffenheit direkt zu vergleichen. Die DOM-Messungen der Standorte werden dabei routinemäßig mit atmosphärischen Umwelteinflüssen verglichen, die vor Ort mit einer eigens für das Projekt errichteten Wetterstation gemessen werden.

Bild: MPI für Biogeochemie.

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