Sprache

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Die Wissenschaft gewinnt immer neue Erkenntnisse über unsere besondere Art der Kommunikation

Erzählen, erklären, diskutieren, überreden, unterrichten - was Menschen mit Sprache bewerkstelligen, geht weit über den Austausch von Information hinaus. Ohne Sprache gäbe es weder Handel noch Politik, weder Religion noch Wissenschaft, weder Rechte noch Gedichte. Doch das Phänomen Sprache birgt viele Rätsel: Worauf ist diese einzigartige menschliche Fähigkeit zurückzuführen? Wie prägt uns unsere Muttersprache und welche Ausprägungen hat die Sprache in verschiedenen Teilen der Welt entwickelt? All diesen Fragen geht die Forschung nach und findet teils überraschende Antworten.

Aktuelle Beiträge

Eine Fremdsprache verändert die Gehirnverbindungen

Das Erlernen einer Zweitsprache verstärkt Nervenverbindungen des Sprachnetzwerks in der linken Gehirnhälfte mehr

Wie unser Gehirn Sprache zeitlich verarbeitet

Forschende entdecken zeitliches Zusammenspiel innerhalb des menschlichen Sprachnetzwerks
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Schimpansen können in Lautäußerungen Bedeutungen kombinieren

Freilebende Schimpansen verwenden Lautabfolgen, um miteinander über mehrere etwa zeitgleich stattfindende Alltagsereignisse zu kommunizieren mehr

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Max-Planck-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben 2021 viele hochkarätige Veröffentlichungen publiziert. Wir haben eine Auswahl getroffen und stellen Ihnen zwölf Highlights vor. Ein Rückblick auf ein turbulentes Jahr 2021 mehr

Das geht ins Ohr

Operngesang. Vogelgezwitscher. Lautes Schreien. Eine nicht gestimmte Geige. Manche Töne finden wir instinktiv angenehm, andere unangenehm. Doch wie entscheiden wir, ob etwas gut oder schlecht klingt? Das Team um David Poeppel am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt, versucht Sprache und Musik in ihre elementarsten Bestandteile zu zerlegen mehr

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Warum sprechen wir alle so verschieden?

Warum lernen manche Menschen scheinbar mühelos mehrere Sprachen, während andere bereits mit nur einer Fremdsprache zu kämpfen haben? Und warum sprechen wir alle so unterschiedlich? Mit solchen Fragen beschäftigt sich der Sprachwissenschaftler Florian Hintz am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen und gibt in diesem Podcast Antworten. mehr

Podcast: Lernen, eine geistige Höchstleistung

Lernen, also der Erwerb von Fähigkeiten, folgt komplexen Regeln und Grundsätzen – ob beim Menschen oder im Tierreich. Was dabei im Gehirn vorgeht, erklären Angela Friederici, Caroline Rowland und Stefan Leitner im Gespräch mit Lara-Lena Gödde in dieser langen Podcast-Folge des Forschungsquartetts.  mehr

Wenn Buchstaben verschwimmen

Nach fünf Jahren Forschung präsentieren Wissenschaftler erste Erfolge mit einem Frühtest für Legasthenie. Doch bedeutet eine zeitige Behandlung auch einen sicheren Erfolg? Ein Interview mit Jens Brauer vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig mehr

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Wie und wo wird Sprache im Gehirn verarbeitet?

Ein wesentlicher Schlüssel zum Verständnis der menschlichen Sprache liegt im Gehirn. Schon vor mehr als 150 Jahren wurden Gehirnareale entdeckt, die wesentlich für das Sprechen und das Verstehen von Sprache sind. Doch viele scheinbar einfache Fragen sind weiterhin ungelöst. So untersucht David Poeppel, Direktor am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, wie Gesprochenes, das als Schall am Ohr ankommt, im Gehirn richtig verarbeitet werden kann. Und umgekehrt, wie die Antwort im Gehirn generiert und als gesprochenes Wort geäußert wird.

Peter Hagoort, Direktor am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik befasst sich wiederum mit der Frage: Wie führt das Gehirn verschiedene Informationen aus verschiedenen Quellen mithilfe von Sprache zu einer Botschaft zusammen? Hagoort war der erste Forscher der spezielle Messmethoden anwendete, um dem Gehirn beim Sprechen zuzuschauen. So entdeckte er unter anderem, dass das Gehirn zunächst grammatische Informationen über ein Wort sammelt, ehe es seinen Klang analysiert.

Sprache macht den Menschen
Nicht nur Menschen, auch Affen und Hunde können Wörter lernen. Wo liegt er also, der entscheidende Unterschied zu unserer menschlichen Sprache? Und wie entwickelt sich eigentlich dieses Medium, in dem wir sprechen und schreiben, denken und dichten? Ein Beitrag von Angela Friederici, Michael Skeide und Verena Müller

Wie funktioniert Sprache?

Sprache ist zum Sprechen da, aber genau das ist für die Forschung eine Herausforderung. Alltägliche Unterhaltungen sind im Vergleich zu Tests unter Laborbedingungen sehr heterogen und damit schwieriger zu analysieren. Trotzdem hat gerade die Untersuchung von Gesprächen in letzter Zeit zu interessanten Ergebnissen geführt. So haben Forscher um Stephen C. Levinson am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik herausgefunden, dass sich Menschen in Gesprächen erstaunlich schnell abwechseln. Nur rund 200 Millisekunden beträgt die Zeit zwischen der Aussage eines Sprechers und der Antwort seines Gegenübers. Das ist deswegen so überraschend, weil unser Gehirn mindestens 600 Millisekunden braucht, um ein Wort zu generieren. Damit überschneiden sich Sprachverstehen und Sprachproduktion, das heißt, wir antworten zwangsläufig, bevor wir überhaupt über eine Antwort nachdenken konnten.

Welche Taktiken Menschen dabei anwenden, untersucht Levinsons Kollegin Antje Meyer, am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik. Eine Möglichkeit ist etwa, zunächst einige Worte aus dem Satz des Vorredners aufzugreifen und dadurch Zeit zu gewinnen, zur eigentlichen Aussage zu kommen. Auf die Frage „Was ist dein Lieblingsessen?“, kann die Antwort dann beispielsweise lauten: „Mein Lieblingsessen? – Das ist Pizza.“ Langsameres Sprechen und Pausen im Satz, die oft mit „Ähs“ gefüllt werden, helfen dem Sprecher ebenfalls, Zeit zum Denken zu gewinnen.

Wie lernen Kinder Sprache?

Kinder machen sehr schnell große Fortschritte im Sprachenlernen. Trotzdem können erst Erwachsene komplizierte Formulierungen ohne Probleme begreifen. Angela Friederici, Direktorin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, hat herausgefunden, warum das so ist: Bis zum dritten Lebensjahr ist nur ein bestimmter Bereich des Großhirns bei der Sprachverarbeitung beteiligt. Erst danach kommt mit dem Broca-Areal langsam eine zweite zentrale Sprachregion dazu. Dieses Areal ist ein wichtiges Sprachzentrum im Stirnbereich des Großhirns, das vor allem komplexe sprachliche Information verarbeitet. Wie Friederici entdeckte, wird das Areal mit zunehmendem Alter nicht nur stärker aktiviert, sondern auch zunehmend in das gesamte Sprachnetzwerk eingebunden.

Im Bann der Sprache
Ein Gespräch mit der Linguistin, Psychologin und Neurowissenschaftlerin Angela D. Friederici über die rasante Entwicklung der Hirnforschung, den größten Linguisten aller Zeiten und ihren ganz persönlichen Triumph. mehr

Wie wirkt Sprache?

Vor allem in der Literatur wird deutlich, welche Wirkung Sprache entfalten kann. Romane, Erzählungen, Gedichte, Theaterstücke bringen uns zum Lachen und Weinen, Nachdenken und Zweifeln. Winfried Menninghaus, Direktor am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, untersucht, wie wir auf literarische Werke reagieren – und zwar nicht nur mental, sondern auch körperlich. Dabei entwickelt er neue Kategorien und Methoden, um die ästhetische Wirkung zu messen. Eine wichtige Erkenntnis ist: Egal, welche Texte wir hören oder lesen, unser Körper schlägt immer aus. Und gerade Gedichte wühlen uns emotional fast genauso auf wie unsere Lieblingsmusik.

Die Vermessung der Wirkung
Winfried Menninghaus erforscht am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main, wie Menschen nicht nur mental, sondern auch körperlich auf Dichtung und Prosa reagieren. Für viele Altphilologen und Germanisten begeht er damit Verrat an ihren Disziplinen. Tatsächlich aber gelingt es dem Forscher, poetische und rhetorische Sprache in ihrer Wirkung erstmals messbar zu machen. Obendrein belebt er mit seinem Team eine alte und viel zu lange stiefmütterlich behandelte Disziplin wieder – die Rhetorik.

Wie viele Sprachen gibt es?

Weltweit existieren nach heutiger Erkenntnis rund 7000 Sprachen – und immer wieder werden neue entdeckt. Eine der großen Fragen der Linguistik ist seit langem: Gibt es universelle Prinzipien, die all diese Sprachen verbinden? Die Suche nach Antworten gestaltet sich schwierig: Die Vielfalt der Wörter und Grammatiken ist riesig, doch tatsächlich haben sie auch Gemeinsamkeiten. Bei bestimmten Begriffen findet sich etwa in völlig unterschiedlichen Sprache eine überraschend deutliche Häufung bestimmter Laute und Buchstaben. Das ist das Ergebnis einer Vergleichsstudie, für die Wissenschaftler von den Max-Planck-Instituten für Menschheitsgeschichte und für Mathematik in den Naturwissenschaften Wörter aus mehr als 4000 Sprachen analysiert haben. Außerdem existieren weltweit grundlegende Strategien, um Missverständnisse in der Kommunikation aufzudecken und zu beheben, wie Forscher vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik herausgefunden haben.

Wörter sind kein Zufall
Für viele Begriffe werden auch in nicht-verwandten Sprachen bestimmte Laute bevorzugt oder vermieden

Russel Gray, Direktor am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, geht der Frage nach, wie die Vielzahl der Sprachen entstanden ist. Seine Ausgangsthese ist, dass sie sich ebenso evolutionär entwickelt haben wie körperliche Merkmale. Mithilfe computergestützter Modellierungsmethoden arbeitet er daran, Stammbäume für Sprachen zu erstellen.

Beeinflusst Sprache das Denken?

Menschen verschiedener Kulturen und verschiedener Sprachen nehmen die Welt unterschiedlich wahr. Das wirkt sich auch auf ihr Denken aus. Wie Kultur und Sprache, Wahrnehmen und Denken genau zusammenhängen, ist eine alte und bis heute aktuelle Forschungsfrage. Lange ging man davon aus, dass vor allem der Wortschatz die Sicht auf die Welt prägt. Aber auch die Grammatik hat einen Einfluss darauf, wie wir unsere Umgebung erleben. So fanden Forscher am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik heraus, dass deutsche und englische Muttersprachler Bewegungen unterschiedlich wahrnehmen. Das liegt daran, dass in der englischen Grammatik Verlauf und Ziel der Bewegung das gleiche Gewicht haben, während im Deutschen der Endpunkt hervorgehoben ist.

Ich sehe was, was du nicht sagst! Wie Sprache unsere Wahrnehmung färbt
Die Hypothese, dass die Muttersprache die Wahrnehmung der Welt beeinflusst, fasziniert Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten. In einem Projekt am MPI für Psycholinguistik wird sprachvergleichend mithilfe neurowissenschaftlicher Methoden untersucht, unter welchen Umständen diese Annahme bestätigt werden kann. Es konnte gezeigt werden, dass bei der Wahrnehmung von sowohl einfachen als auch komplexen Sachverhalten (Objekte oder Bewegungsereignisse) stets automatisch unser Sprachsystem involviert ist. Diese Aktivierung entsteht ungeheuer schnell und kommt somit unbewusst zur Wirkung. mehr

Was haben Sprache und Musik gemeinsam?

Es ist wohl kein Zufall, dass wir Menschen mit Sprache und Musik zwei Kommunikationskanäle haben, über die kein anderes Lebewesen verfügt. Das menschliche Gehirn scheint sich im Laufe der Evolution so verändert zu haben, dass es beides verarbeiten kann. Eine wichtige Rolle in beiden Bereichen spielen Melodien - auf der einen Seite die Sprachmelodie, also die Betonung von Wörtern oder der Tonfall des Gesprochenen, auf der anderen Seite die Wahrnehmung von Melodien in der Musik. Wie Untersuchungen am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften ergaben, sind die gleichen Hirnareale bei der Verarbeitung von Melodien in Sprache und Musik beteiligt.

Fragen über Fragen

Nicht nur Linguisten und Literaturwissenschaftler, Psychologen und Kognitionsforscher befassen sich mit dem umfassenden Thema Sprache, sondern auch Forscher angrenzender Gebiete. So untersuchen Genetiker, wo und wie das Sprechen in unserem Erbgut verankert ist. Am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung gehen Forscher der Frage nach, wie Schüler am besten den Umgang mit geschriebener Sprache lernen. Ein weiteres wichtiges Thema an mehreren Max-Planck-Instituten ist die Kommunikation von Tieren - und wiederum der Vergleich mit dem Menschen. Die Forschungsfragen rund um das Phänomen Sprache und Sprechen werden den Wissenschaftlern also noch lange nicht ausgehen.

mez  

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