Sonne seit über 8.000 Jahren nicht mehr so aktiv wie heute

Internationales Forscherteam rekonstruiert historischen Verlauf der Sonnenaktivität und prognostiziert deren Rückgang in wenigen Jahrzehnten

Die Aktivität der Sonne im Verlauf der letzten 11.400 Jahre, also zurück bis zum Ende der letzten Eiszeit, hat jetzt erstmals eine internationale Forschergruppe um Sami K. Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung durch Isotopenanalyse von Jahrtausende alten Bäumen und Polareis rekonstruiert. Wie die Wissenschaftler aus Deutschland, Finnland und der Schweiz in der neuen Ausgabe der Zeitschrift "Nature" berichten, muss man über 8.000 Jahre in der Erdgeschichte zurückgehen, bis man einen Zeitraum findet, in dem die Sonne im Mittel ebenso aktiv war wie in den vergangenen 60 Jahren (nature, 28. Oktober 2004). Aus dem Studium früherer Perioden mit hoher Sonnenaktivität sagen die Forscher voraus, dass die gegenwärtig hohe Aktivität der Sonne wahrscheinlich nur noch wenige Jahrzehnte andauern wird.

Schon 2003 hatte die Forschergruppe erste Hinweise gefunden, dass die Sonne heute aktiver ist als in den 1.000 Jahren zuvor. Anhand eines neuen und längeren Datensatzes konnte jetzt der studierte Zeitraum auf 11.400 Jahre ausgedehnt werden, so dass nunmehr die ganze Zeitspanne seit dem Ende der letzten Eiszeit auf der Erde abgedeckt ist. Dabei zeigte sich, dass die Sonne seit den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts aktiver ist als in den 8.000 Jahren zuvor. Dies bedeutet, dass sie mehr dunkle Sonnenflecken, aber auch mehr Eruptionen und Gasausbrüche als in der Vergangenheit zeigt. Ursache und Energiequelle für alle diese Phänomene ist das Magnetfeld der Sonne.

Seit der Erfindung des Fernrohrs im frühen 17. Jahrhundert beobachten Astronomen regelmäßig die Sonnenflecken. Hierbei handelt es sich um Regionen auf der Oberfläche der Sonne, in denen die Energieversorgung aus dem Inneren aufgrund der in ihnen wirkenden starken Magnetfelder behindert wird. Dadurch kühlen diese Gebiete um etwa 1.500 Grad ab und erscheinen dunkel im Kontrast zu ihrer rund 5.800 Grad heißen Umgebung. Die Zahl der Sonnenflecken schwankt in einem etwa elfjährigen Aktivitätszyklus, der von längerfristigen Schwankungen überlagert ist. So gab es beispielsweise in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fast gar keine Sonnenflecken.

Für viele Untersuchungen über die Ursachen der Sonnenaktivität und ihre mögliche Wirkung auf langfristige Schwankungen des Erdklimas ist die Zeitspanne ab dem Jahr 1610, für die systematische Aufzeichnungen von Sonnenflecken vorliegen, viel zu kurz. Für die Zeit davor muss die Sonnenaktivität aus anderen Daten abgeleitet werden. Diese Informationen sind auf der Erde in Form so genannter "kosmogener Isotope" gespeichert. Das sind radioaktive Atomkerne, die in der oberen Atmosphäre der Erde produziert werden, wenn ein energiereiches Teilchen der kosmischen Strahlung auf ein Luftmolekül trifft. Eines dieser Isotope ist C-14 (radioaktiver Kohlenstoff mit einer Halbwertszeit von 5.730 Jahren), das auch zur Altersbestimmung von Gegenständen aus Holz dient (C-14-Methode). Die Menge des produzierten C-14 hängt stark von der Zahl der Teilchen der kosmischen Strahlung ab, welche die Erdatmosphäre erreichen. Diese Zahl wiederum schwankt mit der Stärke der Sonnenaktivität: Ist die Aktivität höher, so bildet das Magnetfeld der Sonne einen effektiven Schutzschild gegen diese Teilchen, ist die Aktivität geringer, steigt die Intensität der kosmischen Strahlung an. Folglich wird bei höherer Sonnenaktivität weniger und bei geringerer Sonnenaktivität mehr C-14 produziert.

Das auf diese Weise in der Hochatmosphäre gebildete C-14 gelangt in die Biosphäre und wird unter anderem in die Biomasse von Baumstämmen eingebaut. Einige dieser Baumstämme können Jahrtausende nach ihrem Tod noch intakt aus dem Untergrund geborgen und das in ihnen gespeicherte C-14 gemessen werden. Aus den Baumringen kann man dann durch Vergleich verschiedener Bäume, deren Lebenszeit sich überlappt, das Jahr bestimmen, in dem das C-14 aufgenommen wurde. Auf diese Art konnten die Forscher jetzt die Produktionsrate von C-14 über 11.400 Jahre zurück verfolgen, d.h. bis zum Ende der letzten Eiszeit. Die Max-Planck Forscher haben nun zusammen mit ihren Kollegen aus der so bestimmten Produktionsrate des C-14 anhand einer Reihe physikalischer Zusammenhänge die Zahl der Sonnenflecken über diese 11.400 Jahre berechnet. Diese Zahl ist auch ein gutes Maß für die Stärke der verschiedenen anderen Phänomene der Sonnenaktivität.

Die Rekonstruktionsmethode, welche jedes Glied der komplexen Kette - von der Isotopenhäufigkeit in den Baumringen bis hin zur Sonnenfleckenzahl - mit konsistenten physikalischen Modellen beschreibt, konnte durch den Vergleich mit den historischen Aufzeichnungen über Sonnenflecken und mit früheren Rekonstruktionen der Forschergruppe auf der Basis des kosmogenen Isotops Beryllium-10 in den polaren Eisschilden geeicht werden. Dies betrifft sowohl die Bildung der Isotope durch die kosmische Strahlung, die Modulation der kosmischen Strahlung durch das interplanetare Magnetfeld als auch den Zusammenhang zwischen dem Magnetfeld der Sonne und der Zahl ihrer Flecken. Auf diese Weise gelang es den Wissenschaftlern erstmals, eine quantitativ zuverlässige Bestimmung der Sonnenfleckenzahl für den gesamten Zeitraum seit dem Ende der letzten Eiszeit zu gewinnen.

Da auch die Helligkeit der Sonne leicht mit der Sonnenaktivität schwankt, ergibt sich aus der neuen Rekonstruktion auch, dass die Sonne heute etwas heller scheint als in den 8.000 Jahren davor. Ob dieser Effekt einen wesentlichen Beitrag zur globalen Erwärmung des Erdklimas im vergangenen Jahrhundert geleistet haben könnte, ist eine offene Frage. Die Forscher um Sami K. Solanki weisen jedoch darauf hin, dass die Sonnenaktivität seit etwa 1980 auf ungefähr konstantem Niveau verharrt - abgesehen von Schwankungen mit dem 11-jährigen Aktivitätszyklus der Sonne -, während die Temperatur auf der Erde in diesem Zeitraum einen starken Anstieg erfahren hat. Allerdings zeigt der ähnliche Verlauf von Erdtemperatur und Sonnenaktivität während der letzten Jahrhunderte (mit Ausnahme der letzten 20 Jahre), dass der Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und Erdklima weiterer Erforschung bedarf.

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