Algen formten den Schneeball Erde

Die Entstehung eukaryotischer Zellen und die Diversifizierung des Lebens könnten zu extremen Eiszeiten geführt haben

31. August 2015

Mehrmals hat sich die Erde in der Vergangenheit in einen Schneeball verwandelt. Die Ozeane gefroren teilweise zu Eis, die Landmassen verschwanden unter Schneedecken, selbst in Äquatornähe herrschte Winter. Jetzt haben Forscher unerwartete Mittäter für zumindest eine der globalen Eiszeiten ausgemacht: Algen. Die Einzeller trugen vermutlich dazu bei, dass sich viel mehr Wolken bildeten, die das Sonnenlicht zurück ins All reflektierten. Dadurch kühlte die Erde ab. Christian Hallmann, der am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und am Zentrum für Marine Umweltwissenschaften (MARUM) in Bremen forscht, hat gemeinsam mit Georg Feulner und Hendrik Kienert vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung diese Theorie im Fachblatt Nature Geoscience veröffentlicht.

Vor etwa 700 Millionen Jahren war die Erde kein blauer, sondern ein weißer Planet. Wissenschaftler präsentieren jetzt eine neue Theorie darüber, wieso die Erde damals unter Schneemassen und Gletschern begraben lag. Sie klingt vielleicht paradox. Denn ausgerechnet  eine wachsende Vielfalt des Lebens könnte mitverantwortlich dafür sein, dass die Bedingungen auf der Erde eher lebensfeindlich wurden. Die Abkühlung wurde zwar vermutlich direkt ausgelöst, weil  es zu einer starken Verwitterung kam, als der Superkontinent Rodinia auseinanderbrach, und die Menge an CO2 in der damaligen Atmosphäre deshalb stark abnahm. Doch dieser Mechanismus funktioniert nur, wenn das Klima bereits vorgekühlt war. „Eine starke Diversifizierung von Algen könnte die perfekten Bedingungen für das Entstehen einer sogenannten Schneeball-Erde geschaffen haben“, sagt Christian Hallmann, Leiter einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Biogeochemie und einer der Autoren der aktuellen Studie.

„In der Erdgeschichte gibt es viele Beispiele für die enge Wechselwirkung von Leben und Klima“, sagt Georg Feulner, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Leitautor der Studie. „Die Zunahme bestimmter Algen vor etwa 800 Millionen Jahren hat das Klima deutlich abgekühlt und die nachfolgenden globalen Vereisungen wahrscheinlich erst möglich gemacht. Mit unserer Studie haben wir ein neues Puzzleteil entdeckt, um eine der faszinierendsten Episoden der Klimageschichte besser zu verstehen.“

Kurz bevor die Erde zum Schneeball wurde, haben sich eukaryotische Algen, die erstmals einen Zellkern besaßen und die Vorläufer aller mehrzelligen Lebewesen sind, stark diversifiziert und vermehrt. Diese Algen wirken als Wolkenmacher; Wolken wiederum halten wärmende Sonnenstrahlung von der Erde fern. „Ich habe schon seit Jahren mit dem Gedanken gespielt, dass das erste Aufkommen eukaryotischer Algen einen Klimaeffekt haben könnte“, sagt Hallmann.

Je mehr Algen, desto dichter die Wolken

Wenn Bakterien abgestorbene Algen zersetzen, kann die Atmosphäre mit Schwefelverbindungen angereichert werden, welche von den Algen stammen. Diese Aerosole dienen als Kondensationskeime für Wolken. Je mehr Aerosole sich in der Atmosphäre befinden, an desto mehr Stellen können sich die Wassertropfen festhalten. Es entstehen besonders dichte Wolken, die lange in der Atmosphäre verbleiben bevor sie abregnen. Weil die Sonnenstrahlung an den Wolken reflektiert wird, kühlt die Erde ab.

Dass eine dichtere Wolkendecke tatsächlich eine Mitschuld an der Schneeball-Erde tragen würde, haben Georg Feulner und Hendrik Kienert, Wissenschaftler des Potsdam Institutes für Klimafolgenforschung mit Klimamodellen errechnet. Sie simulierten die Lage der Kontinente vor 720 Millionen Jahren und veränderten sowohl die Konzentration von Kohlendioxid als auch die Wolkendecke. Es zeigte sich, dass erst eine Kombination aus sehr wenig Kohlendioxid und vielen Wolken, also vielen Aerosolen, die Erde in den Schneeballstatus kippen lassen kann.

„Dies bedeutet auch, dass es vor diesem massiven Aufkommen mariner Algen sehr schwierig gewesen sein könnte, eine Schneeball-Situation entstehen zu lassen“, erklärt Hallmann. „Unsere Studie liefert somit auch eine Erklärung, warum es in den Millionen Jahren davor gar keine Anzeichen für so einen drastischen Klimaumschwung gab“.

Eine neue Schneeball-Erde müssen wir zurzeit nicht fürchten

Ein Problem bleibt. „Wir können nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, ob die damaligen Algen tatsächlich in der Lage waren, die Schwefelverbindungen herzustellen, die als Aerosole dienen“, sagt Hallmann. Denn solche Rückschlüsse zu ziehen, ist sehr schwer. Zwar wissen die Forscher aus fossilen Funden, dass eukaryotische Algen sich vor 800 Millionen Jahren stark vermehrten. Aber welche Moleküle sie produzierten, ist nicht so einfach herauszufinden. Hallmann ist optimistisch: „Wir wissen, welche Algen heut zu Tage in der Lage sind, die nötigen Schwefelmoleküle her zu stellen. Laut molekularbiologischen Studien sind die Chancen hoch, dass zumindest eine dieser Algenlinien bereits vor dem Schneeball-Ereignis existiert hat“.

Auch heute noch gelten Algen als Hauptquelle für Kondensationskeime, die zur Wolkenbildung über den Meeren beitragen.  Darüber hinaus entziehen Algen der Atmosphäre das Treibhausgas Kohlendioxid. Sie haben also gleich in zweifacher Weise eine kühlende Wirkung auf das Klima.

Das Klima der Erde schwankt seit der Planet vor 4,6 Milliarden Jahren geboren wurde. Die meiste Zeit über befindet sich unser Planet in einer Warmzeit. Dann sind selbst Nord- und Südpol frei von Schnee. Doch während ein paar extremer Eiszeiten war die Erde nahezu komplett mit Schnee bedeckt. Die letzten beiden solcher extremen Schneeball-Vereisungen fanden während des Cryogeniums, der Periode von 720 bis 635 Millionen Jahren vor unserer Zeit, statt. Für eine Rückkehr zu solchen Bedingungen besteht zurzeit keine Gefahr.

CSt

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