Ein zielgenaues Elektronenkatapult

Wenn starke Laserpulse aus Nanokugeln durch Photoemission Elektronen herausschleudern, hängt deren Flugrichtung von der Kugelgröße ab

14. August 2015

Die Beziehung zwischen starken Laserpulsen und Glas-Nanoteilchen ist eine ganz spezielle. So speziell, dass sie medizinische Methoden oder die Elektronik verändern könnte, wie Wissenschaftler aus Rostock, München und Berlin nun herausgefunden haben. Dieses Zusammenspiel aus Licht und Materie untersuchte ein Team, an dem unter anderem Physiker des Max-Planck-Institut für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians-Universität München beteiligt waren. Die Forscher ließen starke Laserpulse mit Nanoglaskügelchen aus mehreren Millionen Atomen interagieren. Dabei entstand auf der Oberfläche eines solchen Kügelchens innerhalb von Attosekunden (eine Attosekunde ist der milliardste Teil einer Milliardstel Sekunde) ein Nahfeld, aus dem durch Photoemission Elektronen herauskatapultiert werden. Abhängig von der Größe des Kügelchens fliegen die Elektronen zielgenau in unterschiedliche Richtungen. Die Forschungsergebnisse könnten langfristig die Methoden bei der Bildgebung in der Medizin und bei der Krebsbekämpfung erweitern.

Wenn starke Lichtpulse auf ein Nanoteilchen treffen, passiert im Atomverbund des Partikels einiges. Sobald die Atome das elektromagnetische Feld des Lichts spüren, fangen deren Elektronen an zu schwingen: An der Oberfläche der Kügelchen bilden sich so genannte Nahfelder aus. Das sind elektromagnetische Felder mit Abmessungen im Nanometerbereich, die je nach Wellenlänge des eintreffenden Lichts in einer charakteristischen Weise schwingen.

Die Physiker um Matthias Kling, Forscher am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und Professor der Ludwig-Maximilians-Universität München, untersuchten Nanoglaskügelchen aus Siliziumdioxid mit Durchmessern zwischen 50 und 550 Nanometern, die Chemiker um Eckart Rühl an der Freien Universität Berlin hergestellt wurden. Auf die Atomverbünde schickten die Wissenschaftler starke, rund vier Femtosekunden lange Laserpulse (eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde).

Die Lage des Nahfeldes und hängt von der Kugelgröße ab

Sobald die Wellen des elektromagnetischen Lichtfeldes die Nanokugeln erfasst hatten, bildeten sich an deren Oberfläche die Nahfelder aus, begannen zu pulsieren – und schleuderten durch Photoemission innerhalb von Attosekunden aus ihrer Mitte Elektronen heraus. So werden die Nanokugeln im Zusammenspiel mit den Laserpulsen zu Katapulten, die Elektronen gezielt in eine Richtung schießen. Denn wo auf der Kugeloberfläche das Nahfeld entsteht, hängt von der Größe der Nanokugeln ab: Je größer die Kügelchen verglichen mit den 720 Nanometern Wellenlänge des verwendeten Laserlichts sind, desto weiter wandern die Nahfelder von der Polgegend auf die Rückseite der Teilchen. Da die Elektronen aber immer aus der Mitte des Nahfeldes herausfliegen, konnten die Forscher die Flugrichtung der Elektronen über die Größe der Nanokügelchen einstellen.

Den Zusammenhang zwischen der Kugelgröße und der Richtung der Elektronenschüsse beobachteten die Forscher, indem sie mit Teilchendetektoren die Flugbahnen der Elektronen aufzeichneten, während der Laserpuls die Kugeloberfläche erfasste. „Die Energie und Richtung der emittierten Elektronen ist in diesem Fall eng verknüpft mit der räumlichen und zeitlichen Struktur der Nahfelder“, erläutert Thomas Fennel, Professor an der Universität Rostock. „Die Emission von Elektronen selbst ist eine Art Ping-Pong-Spiel an der Oberfläche der Nanokügelchen, das sich mit einer Genauigkeit im Attosekundenbereich steuern lässt.“ Fennels Team führte Simulationsrechnungen durch, die die mikroskopischen Vorgänge und deren Ablauf aufdeckten. „Die Elektronen verlassen zunächst die Kugeln, werden dann aber wieder in Richtung der Oberfläche zurückgezogen. Dort prallen sie ab und erhalten aus dem Nahfeld einen finalen, starken Impuls, der sie dann endgültig aus dem Nanoteilchen herauslöst“, ergänzt Matthias Kling.

Mögliche Anwendungen in Röntgen- und Ionenquellen für die Medizin

Da man mit dieser Technik kontrollieren kann, in welche Richtung Teilchen durch Laserlicht ausgesendet werden, können sich die Wissenschaftler als Langzeitperspektive eine medizinische Anwendung für die Technik vorstellen. „Mit der gerichteten Elektronenbewegung könnte man stark gerichtet Röntgenstrahlung für die Bildgebung produzieren.“, erklärt Eckart Rühl. Mit genügend starken Laserpulsen, wäre es auch denkbar, Ionen, also geladene Atome, aus dem Nanoteilchen zu lösen. So entstünde stark gerichtete Ionenstrahlung, mit der sich Tumore bekämpfen lassen könnten. Ferner könnte die Technik neue Perspektiven für die Materialverarbeitung jenseits des Beugungslimits eröffnen –  etwa um Nanometer große Bereiche von einer Oberfläche abzutragen.

Die Kombination aus starken Lichtpulsen und Nanoteilchen könnte schließlich zu einem Baustein für eine besonders schnelle Elektronik der Zukunft werden. Denn die sogenannte lichtwellengesteuerte Elektronik könnte Daten mit der Frequenz von Lichtwellen (rund eine Billiarde Schwingungen pro Sekunde) übertragen und speichern. Das wäre in etwa 100.000 Mal schneller, als es gegenwärtig möglich ist.

TN/PH

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