Botschaften aus dem Mittelalter des Universums

MAGIC-Teleskope messen Gammastrahlung einer entlegenen Galaxie

16. Dezember 2015

Erstmals haben Forscher Gammastrahlung bei einer bekannten, weit entfernten aktiven Galaxie registriert. Im Zentrum des Objekts PKS 1441+25 befindet sich ein massereiches schwarzes Loch, das von einer leuchtenden Materiescheibe umgeben ist. Die Beobachtung führt nicht nur zu einem besseren Verständnis aktiver Galaxien: Da das Licht von PKS 1441+25 etwa 7,6 Milliarden Jahre zur Erde unterwegs ist, erhofft man sich auch neue Erkenntnisse aus dem „Mittelalter“ des Alls, das vor 13,8 Milliarden Jahren entstand.

PKS 1441+25 zählt zu den etwa zehn Prozent aktiver Galaxien im Universum. Ihr gemeinsames Kennzeichen: Sie produzieren mehr Licht als sich allein mit der Helligkeit von Sternen und Staub erklären ließe. In ihrem Zentrum befindet sich ein supermassereiches schwarzes Loch, das fast so schwer ist wie eine Milliarde Sonnen.

Schwarze Löcher üben eine starke Gravitationskraft auf die Materie in ihrer Umgebung aus. Bevor die Materie von einem solchen Massemonster verschluckt wird, kreist sie als hell leuchtende Scheibe um den aktiven Kern. PKS 1441+25 gehört außerdem zur Klasse der extrem hellen Quasare: Bei diesen Objekten werden Elementarteilchen als sogenannte Jets mit Lichtgeschwindigkeit ins All geschleudert, im Fall von PKS1441+25 in Richtung Erde – man spricht man von einem Blazar.

Bei diesem Objekt haben Wissenschaftler mit dem MAGIC-Teleskop auf La Palma in Spanien nun erstmals hochenergetische Gammastrahlen beobachtet. „Außer PKS 1441+25 kennen wir nur eine zweite, ähnlich entfernte aktive Galaxie, bei der Gammastrahlen zu entdecken waren“, sagt Razmik Mirzoyan, Sprecher des MAGIC-Verbundes und Forscher am Max-Planck-Institut für Physik. „Auch diese Galaxie, B0218+357, haben wir mit MAGIC entdeckt und untersucht.“

Die Beobachtung von PKS 1441+25 zeigte, dass die Aktivität des Quasars äußerst stark variiert: Die energiereichsten Gammastrahlen-Emissionen lagen bei 250 Gigaelektronenvolt. Diese Ausbrüche waren bis zu 100-fach stärker als das sonst beobachtete Gammastrahlenprofil. Die Gründe für diese große Bandbreite liegen noch im Dunklen.

Allerdings konnten die Wissenschaftler beobachten, wo der Ursprung der extrem heftigen Ausbrüche liegt. „Sie entstehen viele Milliarden Kilometer vom aktiven Kern entfernt“, sagt Mirzoyan, „während die anderen Emissionen aus Regionen stammen, die viel näher am schwarzen Loch liegen.“

Abgesehen von seinem ungewöhnlichen Verhalten ist der Quasar in einer weiteren sehr wichtigen Hinsicht interessant. Der Kosmos ist angefüllt mit diffusem extragalaktischem Hintergrundlicht. Dabei handelt es sich um die Lichtteilchen aller Sterne und Galaxien, die je im Universum existierten. Damit birgt der kosmische Nebel wichtige Informationen über die Vergangenheit des Alls.

Da sich von unserer Milchstraße aus kaum erschließen lässt, wie dicht das Hintergrundlicht ist, nutzen Astrophysiker eine indirekte Methode. Sie messen Gammastrahlen von entfernten Galaxien. Auf ihrem Weg zur Erde werden die hochenergetischen Strahlen abgeschwächt: Wenn sie auf ein Lichtteilchen treffen, wandeln sie sich in ein Elektron und ein Positron um – und sind damit für die Beobachtung verloren. Je dichter der Dunst, umso mehr Gammastrahlen werden vom Hintergrundlicht geschluckt.

„Für die exakte Bestimmung des extragalaktischen Hintergrundlichts sind Gammastrahlen weit entfernter Objekte erforderlich“, sagt Mirzoyan. „Mit PKS 1441+25 haben wir jetzt eine Quelle gefunden, die zweimal so weit entfernt ist wie bisher untersuchte Objekte.“ Damit haben die Astronomen ihre bisherige Rekord-Beobachtungsreichweite aus dem Jahr 2007 verdoppelt und erhalten nun Auskunft über den Zustand des Universums vor 7,6 Milliarden Jahren.

Die aktuellen Messungen stehen im Einklang mit gängigen Modellen zur Entwicklung von Sternen und Galaxien. Mit 250 Gigaelektronenvolt liegt die Gammastrahlung von PKS 1441+25 in der passenden Größenordnung.

Laut Mirzoyan wäre es spannend gewesen, wenn man Gammastrahlen mit wesentlich höheren Energien, ab etwa 1000 Gigaelektronenvolt, gefunden hätte: „Dann müssten wir unsere Modelle überdenken – oder davon ausgehen, dass wir es mit bisher unbekannten physikalischen Vorgängen zu tun haben, die dafür sorgen, dass mehr Gammastrahlen durch das kosmische Hintergrundlicht zu uns dringen“, so der Forscher.

Entdeckt wurde die Gammastrahlung der aktiven Galaxie im April 2015, als der Quasar einen besonders starken Materiejet in Richtung Erde schleuderte. „Gesehen“ hat sie zunächst das LAT-Instrument des NASA-Satelliten Fermi. Dieser scannt den gesamten Nachthimmel in nur etwa drei Stunden.

Da Fermi lediglich den unteren Bereich des Gammastrahlenspektrums erfasst, wurde schnell das auf höhere Energien spezialisierte, erdgebundene Doppelteleskop MAGIC zugeschaltet. Den Ausbruch haben später auch die VERITAS-Teleskope in Arizona (USA) beobachtet. Insgesamt sammelte MAGIC Beobachtungsdaten über einen Zeitraum von zehn Tagen.

BW / HOR

Zur Redakteursansicht