Wissenschaftlicher Luxus – hart erarbeitet

Der Grieche Emmanouil Billis forscht am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg. Dort begeistern ihn nicht nur die exzellenten Arbeitsbedingungen. Auch das kollegiale und das soziale Umfeld machen Deutschland für den 31-Jährigen zu einem zweiten Zuhause.

Solange ich mich zurückerinnern kann, haben Bücher auf mich eine besondere Faszination ausgeübt. Allmählich wuchs auch mein Interesse an der wissenschaftlichen Forschung enorm, vor allem wenn es um Fragen zum Sozial- und Rechtswesen ging. In Deutschland, so wurde mir später als jungem Studenten gesagt, stehen die besten Bücher in den besten Bibliotheken der Welt. „Wenn du also ein Rechtswissenschaftler in Griechenland werden willst, solltest du nach Deutschland gehen“ – an diesen Tipp meines Universitätsprofessors erinnere ich mich sehr deutlich!

Vielleicht ein paar Jahre, habe ich gesagt, und dann komme ich wieder zurück, mit vollem Rüstzeug und dem Ziel, Professor zu werden. Dann kann ich mein im Ausland erworbenes Wissen da anwenden, wo es gebraucht wird. Dieser Karriereweg ist in Griechenland üblich: Immerhin haben viele griechische Wissenschaftler in Deutschland promoviert – nicht zuletzt, weil beide Länder durch eine tiefe humanistische und akademische Tradition verbunden sind. Auch in meiner Forschungsrichtung, dem Strafrecht, wird das sehr deutlich. Überhaupt muss ich aber sagen, dass das griechische Universitätssystem hervorragende Wissenschaftler und Praktiker hervorbringt. Nicht umsonst ist der Anteil griechischer Forscher an den besten Universitäten der Welt ziemlich groß.

Nach meinem Jurastudium und ein paar Jahren als praktizierender Anwalt ging es 2009 endlich los mit meinem lang geplanten Abenteuer im Ausland – zuerst in Bonn. Dort wollte ich meinen Master machen, gerade als die Schuldenkrise Griechenlands stärker in den europäischen Fokus rückte. Damals passierte es schon hin und wieder, bei einem Glas Bier oder auch bei der Begegnung mit Fremden, dass ich seltsame Kommentare hörte, sobald die Menschen erfuhren, wo ich herkam. Das Übliche halt.

Meine Familie gehört dem griechischen Mittelstand an, und im Rahmen der Steuererhöhungen wurde diese Schicht am meisten belastet – Kürzungen und Kündigungen waren und sind der Normalfall. Da war es natürlich für mich Luxus, wenn auch ein hart erarbeiteter, an einer deutschen Universität zu studieren. Und als faul kann man mich natürlich genauso wenig bezeichnen wie eine ganze Generation von fähigen Absolventen, die wegen der Haushaltskürzungen keinen Job finden.

Doch Bonn sollte für mich in Deutschland nur der Anfang sein – mein großes Ziel lag schon damals in Freiburg und dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht mit seiner herausragenden Bibliothek und einigen der besten Strafrechtswissenschaftler aus der ganzen Welt. Und neben den exzellenten Arbeitsbedingungen gab es hier am Institut keine gerümpften Nasen oder ironischen Sprüche, sondern informierte Nachfragen, Sorgen und Neugier, wie es mit Griechenland weitergehen könnte, wie es meiner Familie zu Hause geht und so weiter.

Natürlich ist die gesamte Situation nicht so einfach zu überblicken. Es ist nirgends leicht, in der Wissenschaft Fuß zu fassen, aber zu Hause ist es praktisch unmöglich geworden. Wir wollen ja forschen, aber in Griechenland können wir das im Moment nicht, vielleicht auch nicht in den kommenden zehn Jahren. Es gibt so viele fundamentale Probleme. Die müssen zunächst überwunden werden, bevor die Wissenschaftler, die im Ausland ausgebildet wurden, wieder in der Heimat ankommen können. Das traditionell hervorragende Bildungssystem, von dem ich noch als junger Mensch in Griechenland profitierte, braucht dringend Erneuerung und wirtschaftliche Unterstützung. Doch trotz dieser düsteren Perspektive ist für mich ganz klar: Die Konditionen im Ausland sind vielleicht zurzeit besser, aber in den kommenden Jahren will ich wirklich wieder zurück, denn meine wissenschaftliche Zukunft ist in Griechenland. Um mit den Worten meines Professors zu sprechen: Dafür bin ich ja letztendlich nach Deutschland gegangen.

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