Forschungsbericht 2015 - Max-Planck-Institut für Polymerforschung

Korrosion als Herausforderung für die Materialwissenschaft

Autoren
Crespy, Daniel; Landfester, Katharina
Abteilungen
Physikalische Chemie der Polymere
Zusammenfassung
In Industrieländern beträgt der volkswirtschaftliche Schaden durch Korrosion nach neueren Erkenntnissen bis zu 6 Prozent des Bruttonationaleinkommens, wenn man alle Folgekosten miteinbezieht, die beispielsweise durch Produktionsausfälle oder Betriebsstörungen entstehen. Allein in Deutschland sind dies rund 150 Milliarden Euro pro Jahr. Daher wird das Thema Korrosionsschutz sowohl in der angewandten industriellen als auch in der Grundlagenforschung an Instituten und Hochschulen intensiv erforscht.

Korrosion ist ein finanzielles schwarzes Loch

In Industrieländern beträgt der volkswirtschaftliche Schaden durch Korrosion nach neueren Erkenntnissen bis zu sechs Prozent des Bruttonationaleinkommens, wenn man alle Folgekosten miteinbezieht, die beispielsweise durch Produktionsausfälle oder Betriebsstörungen entstehen. Allein in Deutschland sind dies rund 150 Milliarden Euro pro Jahr. Daher wird das Thema Korrosionsschutz sowohl in der angewandten industriellen als auch in der Grundlagenforschung an Instituten und Hochschulen intensiv erforscht.

Zu einer umweltverträglichen Lösung

Um Korrosionsschutz zu erzielen, wird bereits viel Geld investiert. Allerdings ist die Freisetzung von toxischen Substanzen an die Umgebung noch ein großes Problem. Letzteres gilt nicht nur für Metallkationen selbst wie beispielsweise Nickel, sondern auch für Korrosionsinhibitoren. Diese werden Kunststoffbeschichtungen beigefügt, um einen effizienten Korrosionsschutz für den Einsatz in der Automobil-, Luftfahrt-, Bau- und Geräteindustrie zu erreichen. Die Inhibitoren gewährleisten langfristigen Schutz des beschichteten Metalls. Die Hauptfunktion der polymeren Beschichtungen besteht darin, als Barriere gegen den Zugang von Wasser und Ionen an der Grenzfläche zu wirken und dort elektrochemische Reaktionen zu hemmen. Jedoch ist keine Beschichtung völlig undurchlässig gegenüber Wasser und Ionen.

Daher können früher oder später einige korrosive Aktivitäten an kleinen Defekten, die latent vorhanden sind, und vor allem bei größeren Defekten von Beschichtungen, die durch Einwirkung von außen (Kratzer, Steinschlag) zugefügt werden, auftreten. Inhibitoren können dann die Lebensdauer des beschichteten Materials (häufig Stahl) verlängern, indem sie die Korrosion in diesen Defekten hemmen, zumindest so lange sie in die Beschichtung freigesetzt werden. Die Freisetzung der Inhibitoren erfolgt allerdings nicht in einer kontrollierten Art und Weise. Stattdessen werden die Inhibitoren kontinuierlich aus der Beschichtung ausgewaschen, und zwar auch dann, wenn gar keine Korrosion stattfindet. Leider sind aber die meisten der aktuell verwendeten Inhibitoren als ökologisch schädlich eingestuft.

Dazu zählt auch der mit Abstand beste bisher bekannte Korrosionsinhibitor, Chromat, eine für die Umwelt toxische Substanz, die bald vollständig in Europa verboten wird. Da die meisten anderen Inhibitoren, die bei weitem nicht so effizient wie Chromat sind, ebenfalls problematisch sind, sind neue Konzepte für den Korrosionsschutz erforderlich. Am besten wären Beschichtungen geeignet, bei denen die Wirkstoffe nur im Fall einer Korrosion freigesetzt werden, um diese gezielt zu stoppen und den entsprechenden Defekt zu reparieren. Solche Beschichtungen würden nur geringe Mengen an Chemikalien in die Umgebung freisetzen und trotzdem einen hervorragenden Korrosionsschutz bieten.

Ideal schützendes Material muss Korrosion-responsiv sein

Aufgrund des hohen ökonomischen Drucks und trotz des erst kürzlich aufgekommenen Konzepts der künstlichen Selbstheilung (SH), wurden SH-Materialien in Verbindung mit Korrosionsschutz bereits weltweit von anderen Gruppen und sogar Industriefirmen untersucht. Pionierarbeit dazu wurde bereits im Jahr 2001 geleistet, einige Gruppen verschiedene Einkapselungsverfahren testeten. Shchukin und Möhwald (Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung) setzten Nano- und Mikrocontainern, die über die sogenannte „Layer-by-Layer“-Technik (Schicht-für-Schicht) erhalten wurden, für die Verkapselung von Korrosionsinhibitoren ein. Sie fanden, dass sich die Freisetzung dieser Inhibitoren bei Veränderung des pH-Werts und der Ionenstärke durch die Durchlässigkeit der Polymerhülle steuern lässt. Die Autoren untersuchten auch die Freisetzung eines Fluoreszenzfarbstoffs (Rhodamin 6G) in Abhängigkeit des pH-Wertes. Das elektrochemische Potential als Auslöser für eine kontrollierte Freisetzung von Inhibitoren aus Nanokapseln wurde jedoch bislang nie untersucht.

Da es viele Ursachen für korrosive Angriffe gibt, die sowohl physikalischer (mechanische Delaminierung beim Aufprall, Kratzer) als auch chemischer Natur (Unvollkommenheiten an der Grenzfläche aufgrund von Verunreinigungen) sind, ist der nützlichste und universellste Trigger zum Initiieren des Selbstheilungsprozesses die beginnende Korrosion selbst. Diese ist durch eine Potenzialänderung gekennzeichnet. Deswegen wurde die Potenzialänderung als Signal für die Freigabe der Wirkstoffe ausgewählt.

Responsive Nanokapseln übernehmen die Aufgabe

Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektes Heapocrates (SPP1568) sind neue Beschichtungen für einen intelligenten Korrosionsschutz hergestellt und die grundlegenden Aspekte der Heilungs- und Korrosionsschutzeigenschaften bei Korrosionsangriff aufgeklärt worden. Unser Ziel war es, ein neues komplexes Selbstheilungssystem zur Hemmung von Korrosion zu synthetisieren [1-7]. Die von uns vorgeschlagenen komplexen dreidimensionalen Strukturen basieren auf in Partikel oder Fasern eingekapselten, selbstheilenden Chemikalien, die durch eine Potenzialänderung freigesetzt werden können. Als Polymerhüllen für die Partikel und Fasern werden halbleitende polymere Materialien verwendet; und die Selbstheilungsreaktion selbst ist eine Polymerisation. Die Trigger-Empfindlichkeit, die Freisetzungsaktivität, die Beweglichkeit der reaktiven Spezies und die heilenden Eigenschaften der Materialien haben wir systematisch untersucht.

Zunächst wurde eine Synthese entwickelt, um halbleitende Polymer-Behälter für die Verkapselung von Antikorrosionswirkstoffen zu erzeugen. Die Grenzfläche kleiner Miniemulsionströpfchen fungierte als Templat für die Bildung einer Polyanilin- (PANI) oder eine Polypyrrol-(PPy) Schale um einen Kern, der die Selbstheilungsreagenzien oder Korrosionsinhibitoren enthält (siehe Abb. 2) [5,7]. Die Größe der Kapseln wurden durch die Konzentration der Monomere und Tenside gesteuert. Reaktive Polydimethylsiloxane als Komponenten für die Selbstheilungsreaktionen ließen sich erfolgreich in die Polymercontainer verkapseln. Die Behälter konnten erfolgreich chemisch oxidiert und reduziert werden. Signifikante Änderungen in ihrer Morphologie und ihren chemischen Strukturen ließen sich mittels Elektronenmikroskopie und optische Spektroskopie beobachten. Die Freisetzung der Selbstheilungsreagenzien wurde durch NMR-Spektroskopie nachgewiesen. Es zeigte sich, dass chemische Reduktion der Polymerhülle die Freisetzung beschleunigt und Oxidation sie verlangsamt (siehe Abb. 3). Schließlich wurden die Behälter mit gekapselten selbstheilenden Wirkstoffen in hydrophobe Beschichtungen eingebettet. Darin behielten die Kapseln ihre strukturelle Identität bei. Die Selbstheilungsreagenzien ließen sich im Kern der Kapseln per Elektronenmikroskopie und EDX-Spektroskopie nachweisen.

In einem weiteren Schritt wurden Korrosionsinhibitoren in die Polyanilinbehälter eingekapselt (siehe Abb. 4) [2]. Es konnte gezeigt werden, dass aus in die Beschichtungen eingebetteten Kapseln die Inhibitoren bei der Reduktion, d.h. also nach dem Einsetzen der Korrosion, gezielt freigesetzt wurden. Nach der Passivierung des Metalls ließen sich die Kapseln wieder oxidieren, was zu einer Abnahme der Freisetzung der Inhibitoren führte. Die korrosionsbedingte elektrochemische Potenzialänderung des Metalls steuerte dabei vollständig die Polyanilin-Durchlässigkeit der Kapseln. Nach einem Defekt in der polymeren Schutzschicht mit den eingebetteten Kapseln wurde der Einfluss auf die Korrosion mithilfe der Scanning Kelvin-Sonden (SKP)-Technik am MPI für Eisenforschung untersucht. Die beobachtete Verschiebung zu höherem Potential bedeutete, dass der Defekt passiviert wurde. Nach der Heilung des Defekts konnte die kathodische Delaminierung nicht weiter fortschreiten. Das entwickelte System spricht damit nur auf Korrosion an. Sobald die Korrosion gestoppt ist, wird kein Wirkstoff mehr freigesetzt, so dass stets genügend Wirkstoff in der Beschichtung für Heilung möglicher weiterer Defekte vorhanden bleibt.

Literaturhinweise

Fickert, J.; Rupper, P.; Graf, R.; Landfester, K.; Crespy, D.

Design and characterization of functionalized silica nanocontainers for self-healing materials

Journal of Materials Chemistry 22 (5), 2286-2291 (2012)

Vimalanandan, A.; Lv, L.-P.; Tran, T.H.; Landfester, K.; Crespy, D.; Rohwerder M.

Redox-Responsive Self-Healing for Corrosion Protection

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Fickert, J.; Makowski, M.; Kappl, M.; Landfester, K.; Crespy, D.

Efficient Encapsulation of Self-Healing Agents in Polymer Nanocontainers Functionalized by Orthogonal Reactions

Macromolecules 45 (16), 6324-6332 (2012)

Zhao, Y.; Fickert, J.; Landfester, K.; Crespy, D.

Encapsulation of Self-Healing Agents in Polymer Nanocapsules

Small 8 (19), 2954-2958 (2012)

Lv, L.-P.; Zhao, Y.; Vilbrandt, N.; Gallei, M.; Vimalanandan, A.; Rohwerder, M.; Landfester, K.; Crespy, D.

Redox Responsive Release of Hydrophobic Self-Healing Agents from Polyaniline Capsules

Journal of the American Chemical Society 135 (38), 14198-14205 (2013)

Fickert, J.; Schaeffel, D.; Koynov, K.; Landfester, K.; Crespy, D.

Silica nanocapsules for redox-responsive delivery

Colloid and Polymer Science 292 (1), 251-255 (2014)

Lv, L.-P.; Landfester, K.; Crespy, D.

Stimuli-Selective Delivery of two Payloads from Dual Responsive Nanocontainers

Chemistry of Materials 26 (11), 3351-3353 (2014)

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