Vom Winde bewegt

Zugvögel sind schneller, wenn sie Umwege fliegen und dabei optimale Windverhältnisse nutzen

Jedes Jahr legen Zugvögel Tausende von Kilometern zurück. Im Frühjahr und Herbst ziehen sie aus den kälteren und weniger produktiven Regionen in wärmere und ergiebigere Gebiete. Dabei gilt: Die kürzeste Route ist nicht automatisch die beste. Denn die Vögel sparen Energie und sind schneller, wenn sie sich vom Wind helfen lassen. Das haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell berechnet. Nutzen Vögel die Route mit optimalen Windverhältnissen sparen sie etwa ein Viertel der Reisezeit ein. Sie besitzen dann bei der Ankunft mehr Energie und haben dadurch höhere Überlebenschancen und Fortpflanzungserfolge. Das Wissen über die optimale Flugroute wird möglicherweise von einer Generation zur nächsten weitergegeben.

Auf ihren Reisen überqueren Zugvögel Ozeane, Gebirgsketten und Wüsten. Die Küstenseeschwalbe (Sterna paradisaea) fliegt sogar jedes Jahr von ihren Brutplätzen in der Arktis ins Winterquartier in der Antarktis. Sie hält damit den Streckenrekord unter den Zugvögeln. Solche und viele andere Meisterleistungen von Zugvögeln wollen Forscher künftig mit Satelliten gestützten Ortungssystemen untersuchen.

Wissenschaftler um Kamran Safi vom Max-Planck-Institut für Ornithologie haben nun berechnet, dass die kürzeste Route fast nie die beste ist. Stattdessen zahlt es sich für die Vögel aus, Umwege zu nehmen und dabei den Wind auszunutzen. „Natürlich können einzelne Vögel nicht vorhersagen, wann an welchem Ort der beste Wind weht“, sagt Bart Kranstauber, der Erstautor der Studie. „Dieses Wissen könnte von Generation zu Generation weitergegeben werden – entweder, indem Jungtiere die beste Flugroute von ihren Eltern lernen oder indem nur die bestangepassten Vögel  überleben.“ Das funktioniert jedoch nur, weil die Windverhältnisse tatsächlich über Jahre hinweg stabil sind.

Rückenwind spart Muskelkraft

„Einige der Routen, die wir aus Beobachtungen kennen, lassen sich auch mit unseren Berechnungen gut erklären“, sagt Safi. So ist es energetisch günstiger, im Herbst auf dem Weg von Europa nach Afrika weiter östlich zu fliegen. Auf dem Rückweg lohnt sich hingegen ein Umweg Richtung Westen. Genau diese Flugrouten wählt zum Beispiel der Kuckuck (Cuculus canorus).

Ein Viertel der Reisezeit sparen die Vögel, wenn sie statt der kürzesten Route die mit den besten Windverhältnissen wählen. Dadurch sind sie bei der Ankunft nicht so erschöpft. Ihre Überlebenschancen steigen. Außerdem können sie mehr Nachwuchs in die Welt setzen als ihre Artgenossen, die sich erst noch von der beschwerlichen Reise erholen müssen. Dieses Wissen über die beste Flugroute geben die Eltern dann ihren Kindern mit. Es kann entweder im Erbgut fixiert sein oder von den Eltern erlernt werden.

Außer dem Wind gibt es noch viele andere Faktoren

Die Wissenschaftler nutzten für ihre Berechnungen Wetterdaten der Jahre 1990 bis 2010. Ein Computerprogramm errechnete die schnellste Flugroute für einen Vogel zwischen 102 Orten im Norden und 65 im Süden. Obwohl das Programm keine weiteren Faktoren berücksichtigt, sagt es die tatsächlich genutzten Routen erstaunlich gut vorher.

Als nächstes will sich Safi die Fälle anschauen, in denen seine Berechnung und die Realität nicht zusammenpassen. „Wir wollen wissen, warum sich einige Vogelarten anders verhalten, als es unser Computermodell prophezeit“, erklärt Safi. Daraus könnte man ableiten, welche Einflüsse die Routen der Zugvögel zusätzlich beeinflussen.

Noch immer wird debattiert, wie Zugvögel sich überhaupt orientieren. Am wahrscheinlichsten gilt, dass sie das Magnetfeld der Erde nutzen. Doch mit welchem Organ sie dieses Magnetfeld wahrnehmen könnten, ist nicht abschließend geklärt.

CS/HR

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