Licht in der Möbiusschleife

Ein Möbiusband aus Laserlicht eröffnet neue Möglichkeiten für die Materialverarbeitung sowie für die Mikro- und Nanotechnologie

Manchmal grenzt Physik an Lichtkunst. Zumindest was die Fertigkeit angeht, Licht zu formen, kann es ein internationales Team um Forscher des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts und der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg locker mit Lichtkünstlern aufnehmen. In ihrer jüngsten Arbeit haben sie eine Lichtwelle zu einem Möbiusband gewunden: Ein Band, das zu einer Schleife geschlossen wird, wobei sein eines Ende um 180 Grad gegen das andere verdreht ist, sodass das Band nur eine Kante und eine Oberfläche aufweist. Mit solchen Kunststücken beweisen die Physiker nicht nur, wie präzise sie Licht inzwischen manipulieren können, sie schaffen auf diese Weise auch Werkzeuge, die für die Nanotechnologie interessant sein könnten.

Ein Möbiusband kann die Wahrnehmung irritieren. Auf den ersten Blick besitzt ein solches Band zwei Seiten und zwei Kanten wie ein gewöhnlicher Ring etwa aus einem Papierstreifen. Folgt man einer Seite oder einer Kante jedoch mit dem Finger, kommt man nach einem Umlauf auf der jeweils anderen heraus. Ihren Namen verdankt die geometrische Form dem Mathematiker August Ferdinand Möbius, der sie zeitgleich mit seinem Fachkollegen Johann Benedict Listing erstmals mit Formeln beschrieb. In der Natur ist eine solche Struktur eher selten anzutreffen; immerhin gibt es etwa ein Protein, das als Möbiusband geformt ist. In der Technik findet es dagegen häufiger Anwendung, in manchen Getrieben etwa oder im Bauprinzip eines Fusionsreaktors, der nach dem Vorbild der Sonne Energie aus der Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium gewinnen soll.

So wie eine Möbiusschleife im Großen technische Anwendung findet, könnte es auch in der Nanotechnologie, etwa zur Bearbeitung von Materialien nützlich sein. Um die entsprechenden nanoskopischen Strukturen aus einem Material herzustellen, könnte das Möbiusband, das die Wissenschaftler unter anderem vom Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts und von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg aus Laserlicht erzeugen, das probate optische Werkzeug sein. „Unser optisches Möbiusband eröffnet aber auch neue Möglichkeiten, mit optischen Pinzetten Mikro- und Nanoteilchen auf komplexen Bahnen zu dirigieren“, sagt Peter Banzer, Leiter einer Forschungsgruppe am Erlanger Max-Planck-Institut, der das Konzept für das einseitige Lichtband zusammen mit Ebrahim Karimi von der University of Ottawa entwickelte. Mit optischen Pinzetten manövrieren Biologen etwa Zellen unter einem Mikroskop, Materialwissenschaftler manipulieren damit aber auch Mikro- und Nanopartikel in winzigen Maschinen.

Ein Möbiusband im Brennpunkt zweier stark fokussierter Laserstrahlen

Bevor die Erlanger Forscher die Möbiusschleife jedoch mit ihren optischen Geräten fanden, berechneten sie, unter welchen Bedingungen eine solche Struktur entsteht. Dabei bauten sie auf einer Idee von Isaac Freund auf, der an der Bar-Ilan Universität in Israel erstmals vorschlug, eine Möbiusschleife durch zwei gekreuzte Laserstrahlen zu erzeugen. „Wir haben diesen Ansatz jetzt so abgewandelt, dass wir die Struktur im Brennpunkt von zwei gleichzeitig sehr stark fokussierten Strahlen erhalten“, erklärt Peter Banzer.

Damit das Experiment funktioniert, müssen die Forscher die beiden Laserstrahlen vorher sorgfältig im gleichen Strahlengang präparieren. Mit einem einzigen Laserstrahl beginnt die Prozedur. Diesen schicken die Forscher zunächst durch einen Filter, der Lichtwellen so polarisiert, dass sich Ihr elektrischer Feldvektor im Uhrzeigersinn um ihre Ausbreitungsrichtung dreht. Solches Licht nennen Physiker rechtshändig zirkular polarisiert.

Eine q-Platte dreht und verzögert einen Teil des Laserstrahls

Den im Uhrzeigersinn drehenden Strahl leiten die Erlanger Forscher nun durch eine q-Platte, ein optisches Element, das Lorenzo Marrucci und Ebrahim Karimi an der Universität Neapel entwickelt haben. Dieses Element besteht im Wesentlichen aus vielen Schichten von Flüssigkristall-Molekülen zwischen zwei Glasscheiben, wobei sich an eine solche Zelle eine elektrische Spannung anlegen lässt. Bei einer gewissen Spannung dreht die q-Platte die Polarisation eines Teils des Strahls in die Richtung, die der Polarisation des anderen Teilstrahls entgegengesetzt ist. Die Wellen der einen Strahlhälfte drehen sich nun also gegen den Uhrzeigersinn um ihre Ausbreitungsrichtung.

Gleichzeitig verzögert die q-Platte diesen Teil des Laserlichts an verschiedenen Stellen unterschiedlich stark. Physiker sprechen davon, dass sie die Phase des einen Teilstrahls ortsabhängig verschiebt. Die Phase charakterisiert eine Schwingung und gibt an, an welchem Punkt ihrer Wellenbewegung sich diese zu einer bestimmten Zeit befindet. Das hat zur Folge, dass in einem Teil des Strahls das elektromagnetische Feld der Lichtwellen an verschiedenen Positionen im Strahlquerschnitt in ganz unterschiedliche Richtung weist.

Wenn sich die beiden Teilstrahlen mit den unterschiedlichen Eigenschaften überlagern, verhalten diese sich so wie ein einzelner Laserstrahl. Das nutzen Peter Banzer und seine Kollegen aus, wenn sie das Laserlicht durch ein Mikroskopobjektiv, das wie eine starke Linse wirkt, schicken. Die Linse fokussiert das Licht auf einen Brennpunkt. Dabei werden die äußeren Lichtwellen sehr viel stärker gebrochen als die inneren, sodass sich die elektromagnetischen Felder der Lichtwellen im Brennfleck in sehr unterschiedliche Richtungen schwingen, je nach ihrer Position im Strahlquerschnitt. Und wie die theoretischen Überlegungen zeigten, ergibt sich auf einem Kreis um den Brennpunkt herum eine Konstellation der Polarisation, die sich zu einem Möbiusband schließt. Das einseitige Lichtband liegt dabei in der Brennebene senkrecht zur Ausbreitungsrichtung des Lasers.

Stapelweise Vorschläge, was sich mit Licht alles machen lässt

Für den Nachweis des Möbiusbandes, das für das menschliche Auge im Brennfleck nicht zu erkennen ist, verlassen sich die Forscher nicht nur auf die Rechnungen der Theoretiker. „Wir haben in Erlangen kürzlich eine Methode entwickelt, um elektromagnetische Felder mit sehr hoher Auflösung zu vermessen“, sagt Peter Banzer. Zu diesem Zweck platzieren die Forscher ein Gold-Kügelchen mit gerade einmal 82 Nanometern Durchmesser auf einer Glasplatte in der Brennebene. Ein kleiner Teil des Lichts, das durch die Glasplatte fällt, wird an dem Nanokügelchen gestreut. „Aus dem Streumuster können wir die Stärke und die Orientierung des elektromagnetischen Feldes an jedem Punkt im Brennfleck rekonstruieren“, erklärt Banzer. Dazu fangen die Forscher das gestreute und ungestreute Licht mit einem weiteren Mikroskopobjektiv auf und messen es mit einer CCD-Kamera.

Mit dieser optischen Feldstudie ließ sich nun die Existenz von Möbiusschleifen, die von der Polarisation des Lichts geformt werden, erstmals experimentell nachweisen. Die Messungen sehen dabei genauso aus, wie es die theoretischen Überlegungen vorhergesagt hatten. Ein Ergebnis, das für Peter Banzer zweierlei zeigt: „Zum einen hat mein Kollege Thomas Bauer, der einen Großteil dieser experimentellen Arbeiten gemacht hat, sehr präzise gearbeitet und das Laserlicht sehr sauber fokussiert.“ Zum anderen zeige der Vergleich von Theorie und Experiment, wie empfindlich und genau die Methode zur Analyse der Felder ist – eine wesentliche Erkenntnis aus der Arbeit, aber nicht die einzige: „Mit dem optischen Möbiusband haben wir jetzt einen Effekt nachgewiesen, von dem bislang nicht klar war, ob es ihn wirklich gibt“, sagt Gerd Leuchs, der die Arbeit als Direktor des Erlanger Max-Planck-Instituts und als Professor der Universität Erlangen-Nürnberg leitete. „Und wir zeigen, dass sich mit Licht sehr komplexe Strukturen schaffen lassen.“

Die Arbeit mit geformten Lichtwellen werden die Physiker nun in verschiedenen Richtungen fortsetzen. „Wir wollen schauen, ob es noch woanders optische Möbiusbänder gibt“, sagt Peter Banzer. Darüber hinaus will sein Team zusammen mit den Kooperationspartnern testen, inwieweit sich diese optische Struktur für die Materialverarbeitung oder als optische Pinzette eignet. „Und außerdem haben mich schon einige Theoretiker angesprochen“, sagt der Physiker: „Jetzt, da sich optische Feldverteilungen auf der Nanoskala so genau vermessen ließen, könnten sie noch stapelweise Vorschläge aus der Schublade ziehen, was man mit Licht alles machen kann.“

PH

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