Gesichter der Wissenschaftskooperation

Wissenschaftler berichten über ihre Erfahrungen in Deutschland und Israel

9. Februar 2015

Der Austausch von Wissenschaftlern aus beiden Ländern ist fest etabliert. Allein über die Minerva-Stiftung erhielten bisher mehr als 900 israelische Doktoranden und Postdocs ein Stipendium für einen Aufenthalt in Deutschland. Etwa ebenso viele deutsche Nachwuchswissenschaftler gingen über die Stiftung nach Israel. Die Forschungsfelder sind dabei sehr vielfältig - das zeigen auch diese Kurzporträts, in der Deutsche und Israelis über ihre Erfahrungen im anderen Land berichten.

Das Labor als Treffpunkt

Seit August 2013 ist Alon Chen, geboren in Be’er-Sheva, Israel, Direktor am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Bereits vor seiner Berufung war er mehrmals in Deutschland auf wissenschaftlichen Kongressen. Als er nun mit seiner Familie nach Deutschland gezogen ist, wurden sie sehr freundlich aufgenommen und allseits unterstützt, berichtet Alon Chen. „Wir fühlen uns wohl hier und genießen im privaten wie auch im beruflichen Umfeld die lockere Atmosphäre.“ „Leider können wir die dunklen Seiten der deutschen Vergangenheit und die damalige Beteiligung des Instituts nicht ändern. Ich finde aber nicht, dass die Geschichte unsere tägliche Arbeit oder den Fortschritt der Wissenschaft beeinflusst“, sagt der 44-jährige Alon Chen. „Unsere Forschung richtet sich auf die Zukunft aus, nicht die Vergangenheit. Wir wollen das Gehirn bei Gesunden und Kranken besser verstehen und dadurch neue Behandlungsmöglichkeiten für psychiatrische Erkrankungen finden. Als israelischer Wissenschaftler und Direktor freue ich mich sehr, Teil der intensiven und blühenden wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel zu sein.“ Unter Chens Leitung wurde im März 2014 durch die finanzielle Unterstützung der Max-Planck-Förderstiftung das „Max Planck – Weizmann Labor für experimentelle Neuropsychiatrie und Verhaltensneurogenetik“ gegründet – eine enge wissenschaftliche Kooperation zwischen der Max-Planck-Gesellschaft in Deutschland und dem Weizmann Institut in Israel. Im Rahmen des gemeinsamen Labors werden Kooperationsprojekte junger Wissenschaftler der beiden Institutionen unterstützt. Die Forscher beschäftigen sich in ihren Projekten mit einem Kernproblem der heutigen Zeit: den Ursachen kognitiver, emotionaler und neurologischer Krankheiten.

Für die Pflanzenforschung nach Potsdam

Die Chemikerin Rivka Elbaum hat eine besondere Beziehung zu Deutschland: Ihr jüdischer Großvater konnte vor Kriegsbeginn aus Deutschland fliehen. Als sie sich 2007 für einen Forschungsaufenthalt am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam-Golm entschied, war er nicht begeistert. „Doch der Alltag hat viele Vorurteile abgebaut“, sagt Elbaum. Möglich wurde ihr Aufenthalt durch die Kontakte ihres Doktorvaters am Weizmann Institut mit dem Max-Planck-Direktor Peter Fratzl. Gefördert von der Alexander von Humboldt-Stiftung konnte sie 13 Monate in seiner Abteilung am Golmer MPI an neuen Verbreitungswegen von Weizen forschen. Dabei entdeckten sie einen pflanzeneigenen Mechanismus, der es erlaubt Samen besser in den Boden zu bringen. Sie ist dafür mit ihrer Familie von Israel nach Potsdam gezogen. „Unser Sohn war im Kindergarten der einzige, der nicht Deutsch sprach. Inzwischen lernt er auch in Israel weiter Deutsch“, berichtet die 44-Jährige. „Es war nicht einfach für mich in Deutschland zu sein – es ist schon ein Unterschied zu anderen Ländern“, so Elbaum im Hinblick auf die NS-Vergangenheit. Negative Erfahrung hat sie aber nicht gemacht. „Jüngere Deutsche fühlen sich oft schuldig, für das, was ältere Generationen verbrochen haben. Die Kooperation zwischen den beiden Ländern ist auch wichtig für die persönlichen Beziehungen zwischen Israelis und Deutschen.“ Inzwischen ist Elbaum zurück in Israel und arbeitet derzeit an der Hebrew University. Mit den befreundeten deutschen Wissenschaftlern steht sie immer noch in Kontakt, auch kehrte sie bereits öfters zurück. Sie könne sich gut vorstellen, noch einmal für längere Zeit nach Deutschland zu kommen. Möglicherweise schon diesen Sommer, um mit deutschen Wissenschaftlern vom Humboldt-Universität in Berlin zusammenzuarbeiten.

Chancen in Deutschland nutzen

Am Tübinger Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie befasst sich Vadim Puller mit der Bekämpfung von HIV und Influenza. Er kam extra her, um sich als Physiker mehr der Biologie zuzuwenden. Dass es die starke Kooperation zwischen Deutschland und Israel für einen Wissenschaftler einfacher macht, hierher zu kommen, findet Puller gut – sie hat auch ihn aus Israel hergebracht. Dabei hat ihn das MPI gut unterstützt, half beispielsweise bei der Wohnungssuche. Nachdem dem Aufenthalt will er in Israel weiterforschen. Deutschland gefällt ihm, er würde gern mal zurückkommen. Eine Konfrontation mit Deutschlands NS-Vergangenheit hatte er nie gehabt. Natürlich habe er vor seinem Umzug darüber nachgedacht, ob ihn Ausländerfeindlichkeit treffen könnte. Jetzt fühlt er sich im Land wohl, im MPI wurde er gut aufgenommen. „In meiner Forschungsgruppe sind acht Leute. Jeder davon aus einem anderen Land“, berichtet Puller. Da komme sich keiner fremd vor. „Fast alle sprechen Englisch, man kann sich mit jedem unterhalten.“ Überrascht haben ihn in Tübingen die vielen jungen Touristen aus Israel. „Das gute politische Verhältnis zwischen Israel und Deutschland ist für uns junge Generation zum Glück schon normal, und das ist gut so. Schließlich bietet es uns einfach nur Chancen!“

Die Vergangenheit bewusst halten

In ihrer Forschung befasst sich Elisabeth Gallas mit der jüdischen Nachkriegsgeschichte, daher lag ein Aufenthalt in Israel nahe, auch weil ihr früheres Leipziger Forschungsinstitut gut mit Jerusalem vernetzt ist und man sich unter Wissenschaftlern kennt. Unterstützt durch die Minerva Stiftung, eine Tochtergesellschaft der MPG und wichtiger Förderer des wissenschaftlichen Austausches zwischen beiden Ländern, arbeitet sie nun als Stipendiatin an der Hebrew University of Jerusalem. „Die Kooperation ist für beide Länder wichtig – als Chance zur weiteren Annäherung“, so Gallas. „Deutschland muss sich bewusst sein, dass es die Augen nicht vor der heutigen, politisch schwierigen Lage verschließen darf – auch die Vergangenheit in Deutschland hat Anteil an der Situation.“ Während sie auch zur NS-Geschichte forscht, wurde sie damit im Alltag aber nie negativ konfrontiert. „Die Israelis finden es gut, dass sich die jüngere Generation für das Land und die Kultur interessiert. Wenn gehört wird, dass ich Deutsch spreche, freut es die Israelis und es kommt vor, dass mir auf Deutsch geantwortet wird“, berichtet Gallas.

JE-LG, AN

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