Forschungsbericht 2014 - Max-Planck-Institut für Biogeochemie

Von Bakterien zum Menschen: Die Rekonstruktion der frühen Evolution mit fossilen Biomarkern

Autoren
Hallmann, Christian Olivier Eduard
Abteilungen
Max-Planck-Forschungsgruppe Organische Paläobiogeochemie
Zusammenfassung
Das Leben auf der Erde ist erstaunlich alt. Nach ihrer Entstehung vor ca. 4,5 Milliarden Jahren war die Erde ein äußerst lebensfeindlicher Ort – ohne verfestigte Kruste, ohne Wasser und mit häufigen Meteoriteneinschlägen. Sobald die Umweltbedingungen sich erstmalig stabilisierten und flüssiges Wasser vorkam, sollte es nicht lange dauern, bis erstes Leben in Form primitiver einzelliger Bakterien erschien. Die Max-Planck-Forschungsgruppe Organische Paläobiogeochemie erforscht, wie sich das Leben auf der Erde zwischen seinem ersten Aufkommen und den heutigen komplexen Ökosystemen entwickelt hat.

Die ältesten Spuren des Lebens

Die ältesten Spuren irdischen Lebens befinden sich fernab der Zivilisation im Westaustralischen Outback (Abb. 1). In einer geologischen Formation, welche als Warrawoona-Gruppe bekannt ist, enthält teilweise verkieseltes 3,5 Milliarden Jahre altes Karbonatgestein kleine, jedoch regelmäßige konische Strukturen, sogenannte Stromatolite, deren Entstehung unverkennbar auf Mikroorganismen zurückzuführen ist [1]. Dies allein ist allerdings kein Indiz für den Ursprung des Lebens. Sedimentäres Gestein, welches sich als Sand, Ton und Karbonat in Meeresbecken und Seen ablagert, durchläuft mitsamt den Kontinenten, auf denen sich die Gesteine befinden, sogenannte Wilson-Zyklen. Durch die tektonische Bewegung der Kontinentalplatten werden Gebirge wie Falten aufgeworfen und im Laufe der Zeit wieder abgetragen. Vulkanische Aktivität bricht das umgebende Gestein auf und wenn eine Platte sich unter ihre Nachbarplatte schiebt, schmilzt diese langsam auf und Ihre Gesteinsinformation fließt in das große Mantelreservoir ein. So ist es nicht verwunderlich, dass im Laufe der Zeit immer weniger ursprünglich abgelagertes Sedimentgestein vorhanden ist [2]. Die Warrawoona-Gruppe enthält die ältesten Sedimentgesteine auf der Erde, welche nicht unter hohem Druck und hohen Temperaturen umgewandelt wurden. Das Leben auf der Erde könnte also noch älter sein, doch diese Information ist durch die gesteinsverändernden Prozesse für immer verloren gegangen.

Parallelentwicklung von Leben auf dem Mars

Falls das Leben sich gleichzeitig auf Erde und Mars entwickelt hat (es gibt die Hypothese, dass die notwendigen organischen Moleküle des Lebens mit Meteoriten auf die Erde gekommen sind [3] – diese wären somit ebenfalls auf dem Mars gelandet), wäre es möglich, weitere Einblicke zum frühesten Leben auf unserem Nachbarplaneten zu finden. Dort hat die Aktivität der Plattentektonik irgendwann aufgehört und wesentlich älteres Gestein ist noch unverändert vorhanden. Die technischen und methodischen Anforderungen an die Mars-Forschung, welche aktuell von der NASA mit dem Curiosity Rover durchgeführt wird, sind allerdings viel höher als auf der Erde und die Fragestellung ist höchst spekulativ.

Fragen zur frühen Evolution

Doch zurück zur Erde – über Jahrmilliarden entwickelten sich die Mikroben der Warrawoona-Gruppe zu dem Leben, welches uns heute umgibt – unter anderem Insekten, Fische, Vögel, Säugetiere und den Menschen. Diese Entwicklung nahm sehr viel Zeit in Anspruch und die mechanistischen Details der Evolution gehören immer noch zu den großen Fragestellungen der Molekularen Geobiologie – dem höchst interdisziplinären Forschungszweig an der Grenze der Chemie, Biologie und Geologie, mit dem sich die Max-Planck Forschungsgruppe beschäftigt. Eines der größten verbleibenden Rätsel ist der Faktor Zeit, denn die Evolution verlief nicht linear (Abb. 2). Die ältesten Lebensspuren sind 3,5 Milliarden Jahre alt. Komplexere Lebensformen erschienen allerdings erst vor etwa 500 Millionen Jahren – dann allerdings in rapidem Tempo während der Kambrischen Explosion [4]. Stellen wir uns den Ablauf der gesamten Erdgeschichte an einem 24-stündigen Tag vor, so liegt die Warrawoona-Gruppe mitsamt Ihrer mikrobiell-gebildeten Stromatolite bei ungefähr 5:15 Uhr morgens. Das erste komplexe Leben entstand allerdings erst um etwa 21:05 Uhr abends (kleine Anmerkung: Homo Sapiens erschien irgendwann in den letzten 5 bis 7 Sekunden). Die große Frage ist: Was geschah tagsüber auf der Erde?

Makrofossilien, Mikrofossilien und molekulare Fossilien

Aus dem traditionellen Blickwinkel der Paläontologie würde man fossile morphologische Überreste einstiger Lebensformen zunächst miteinander vergleichen. Das Problem dabei ist allerdings, dass komplexes Leben erst mit der Kambrischen Explosion – vor etwa 550 Millionen Jahren oder in unserem Bild um 21:00 Uhr abends – anfing, die Erde zu besiedeln. Alle skelettragenden Lebensformen entstanden nach dieser Zeit. Zwar hinterlassen Bakterien und einzellige Algen auch Überreste ihrer Zellwände, jedoch sind diese Mikrofossilien, oder Akritarchen im Falle von eukaryotischen Algen, taxonomisch sehr schwer innerhalb der modernen Organismen einzuordnen [5]. Die Lösung ist, die paläontologische Herangehensweise auf die Ebene der Moleküle zu übertragen, da die molekulare Zusammensetzung eines jeden Organismus die größte Menge an phylogenetischer Information trägt. Nukleinsäuren sind sehr instabil und zerfallen rapide, nachdem die tote Biomasse von Bakterien und Algen im Sediment eingebettet wurde, weshalb genetische Analysen für unseren Ansatz nicht in Frage kommen. Glücklicherweise gibt es aber mehrere Fette, die unter bestimmten Umweltbedingungen nicht nur sehr stabil sind, sondern sich zusätzlich durch eine hohe taxonomische Spezifität auszeichnen [6]. Zwar verändern sich die Moleküle leicht während der Jahrmillionen, die sie unter erhöhten Temperaturen und Drücken im Sediment verbringen, aber das verbleibende Kohlenwasserstoff-Gerüst ist dem Ausgangsprodukt in bestimmten Fällen so ähnlich, dass anhand dieser analogen Struktur und manchmal aufgrund der Zusammensetzung aus Kohlenstoffisotopen eine eindeutige Verbindung zu einem Vorgängermolekül und daher einem Mutter-Organismus erstellt werden kann. Mithilfe unseres Wissens über den Aufbau komplexer organischer Verbindungen in modernen Organismen kann so die einstige Organismenvielfalt mit dem molekularen Inventar alter Gesteine rekonstruiert werden.

Kontamination und Beprobung

Lange Zeit gab es wenig Beachtung für die Tatsache, dass die winzigen Mengen solcher Biomarker-Moleküle in uraltem Gestein höchst anfällig für Verunreinigungen sind. Biomarkersignaturen aus Gesteinen, die eine halbe, eine und zwei Milliarden Jahre alt sind, zeigten häufig ein Verteilungsmuster, das dem in sehr jungem Gestein stark ähnelte (Abb. 3) – das Leben hätte sich demnach sehr früh sehr schnell entwickelt und aufgefächert [7]. Zusammen mit amerikanischen und australischen Kollegen erbohrte Hallmann sehr altes Gestein unter äußerst sauberen Bedingungen. Seine Analysen ergeben ein leicht anderes Bild: Die ältesten molekularen Überreste von marinen Algen, zum Beispiel, stammen nicht aus der Zeit um 2,5 Milliarden Jahren, sondern sind lediglich 750 Millionen Jahre alt (Abb. 2), was darauf hindeutet, dass eukaryotische Algen erst dann eine ökologisch relevante Rolle einnahmen. Außerdem unterscheidet sich das Verteilungsmuster von Steroiden – Moleküle, welche hochspezifisch für alle Eukaryonten sind, sowohl für marine Algen als auch für uns Menschen – zu dem Zeitpunkt stark vom Verteilungsmuster, welches in Gesteinen der letzten 550 Millionen Jahre, also nach der Kambrischen Explosion, vorherrscht (Abb. 4). Somit ändert sich allmählich das Bild der frühen Evolution des Lebens und in kleinen Schritten wird deutlich, was in den fehlenden 16 Stunden passierte.

Literaturhinweise

Allwood, A. C.; Grotzinger, J. P.; Knoll, A. H.; Burch, I. W.; Anderson, M. S.; Coleman, M. L.; Kanik, I.
Controls on development and diversity of Early Archean Stromatolites

Proceedings of the National Academy of Sciences USA 106, 9548-9555 (2009). doi: 10.1073/pnas.0903323106

Summons, R. E.; Hallmann, C.
Organic geochemical signatures of early life on Earth

In: Falkowski, P.; Freeman, K. (Eds.) Treatise on geochemistry, 2nd edition, Volume 12: Organic Geochemistry. Elsevier, pp. 33-46 (2014).

doi: 10.1016/B978-0-08-095975-7.01005-6

Martins, Z.; Botta, O.; Fogel, M. L.; Sephton, M. A.; Glavin, D. P.; Watson, J. S.; Dworkin, J. P.; Schwartz, A. W.; Ehrenfreund, P.
Extraterrestrial nucleobases in the Murchinson meteorite

Earth and Planetary Science Letters 270, 130-136 (2008)

Marshall, C. R.
Explaining the Cambrian “Explosion” of Animals

Annual Review of Earth and Planetary Sciences 34, 355–384 (2006)

Knoll, A. H.; Javaux, E. J.; Hewitt, D.; Cohen, P.
Eukaryotic organisms in Proterozoic oceans

Philosophical Transactions of the Royal Society B 361, 1023-1038 (2006)

Killops, S; Killops, V.
Introduction to Organic Geochemistry, 2nd edn.

Blackwell Publishing, Oxford 2005, 393 pp.

Brocks, J. J.; Logan, G. A.; Buick, R.; Summons, R. E.
Archean molecular fossils and the early rise of eukaryotes

Science 285, 1033-1037 (1999)

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