Forschungsbericht 2014 - Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik

Helimagnetismus in nanometerkleinen Eiseninseln

Autoren
Sander, Dirk; Kirschner, Jürgen
Abteilungen
Experimental Department 1
Zusammenfassung
2D-Eiseninseln mit wenigen tausend Atomen zeigen eine neuartige magnetische Ordnung auf der Nanometerskala, die erstmals mit der Spin-polarisierten Rastertunnelmikroskopie aufgeklärt wurde. Die lokale Magnetisierungsrichtung im Eisen dreht sich auf einer Strecke von nur fünf Atomabständen um 360 Grad. Diese für Eisen ungewöhnliche magnetische Ordnung ist eine Folge der reduzierten Dimensionalität der Eisennanostruktur. Deren strukturelle Relaxation verändert die spinabhängige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und dies verursacht eine nicht-kollineare Ausrichtung benachbarter Spins.

Ist Eisen nicht immer magnetisch?

Eisen gilt als Prototyp eines magnetischen Elements. Ein Stück Eisen kann magnetisiert und als Magnet genutzt werden. Diese Eigenschaft des Eisens hat den Begriff Ferromagnetismus geprägt, der auf das lateinische Wort ferrum für Eisen verweist. Die Quantenmechanik erklärt das Phänomen Ferromagnetismus und identifiziert die Elektronenspins als Träger des Magnetismus im Eisen. Die Quantenmechanik zeigt, dass die Austauschwechselwirkung eine parallele Ausrichtung der Elektronenspins im Eisen verursacht und damit zu einer anhaltenden Magnetisierung führt.

Was ist neu auf der Nanometerskala?

Die magnetischen Eigenschaften von Eisen sind jedoch keineswegs immer durch eine große Magnetisierung ausgezeichnet, die aus einer parallelen Ausrichtung der Elektronenspins resultiert. Temperatur, Gitterdehnung und Wechselwirkung mit anderen Elementen sind Faktoren, die die magnetische Ordnung beeinflussen. Während für makroskopische Proben die zugrundliegenden Wirkmechanismen zum Teil verstanden sind, ist ein vergleichbar gutes Verständnis auf der Nanometerskala noch nicht vorhanden. Dies ist bemerkenswert, da im Zuge der fortschreitenden Miniaturisierung entsprechende Nanostrukturen vor ihrem kommerziellen Einsatz stehen. Dabei geht es um Anwendungen der magnetischen Datenspeicherung und der Spintronic, eines aufstrebenden Gebiets der Elektronik, bei der neben magnetischen auch elektrische Felder zur Manipulation der Spinorientierung genutzt werden.

Für das Verständnis physikalischer Eigenschaften von Nanostrukturen spielt die Probengröße eine wesentliche Rolle. Sie liegt in der Größenordnung Nanometer, einem zehntausendstel Haardurchmesser. Eine solch kleine Probe enthält nur einige Tausend Atome. Ihre physikalischen Eigenschaften werden maßgeblich von Grenzflächeneffekten und quantenmechanischen Interferenzeffekten bestimmt [1, 2]. Dies führt auch zu veränderten magnetischen Eigenschaften, die nicht von denen ausgedehnter 3D-Proben abgeleitet werden können. Ein tieferes Verständnis des Magnetismus auf der Nanometerskala ist daher nicht nur für potenzielle Anwendungen, sondern auch aus Sicht der Grundlagenforschung von größtem Interesse und ist Gegenstand aktueller Forschung. Entsprechende Arbeiten stellen enorme Herausforderungen für Experiment und Theorie dar, die den Einsatz höchstspezialisierter Methoden erfordern.

Hier wird das Ergebnis einer kombinierten experimentellen und theoretischen Studie zu den magnetischen Eigenschaften von nanometerkleinen 2D-Eiseninseln vorgestellt. Die Inseln zeigen eine überraschende, vom Verhalten ausgedehnter Volumenproben abweichende, räumlich variierende Magnetisierungsrichtung auf der Nanometerskale, die maßgeblich von einer strukturellen Relaxation der Inseln getrieben ist [3].

Einblicke in den Nanomagnetismus

Die Spin-polarisierte Rastertunnelmikroskopie wird eingesetzt, um die magnetischen Eigenschaften von Nanostrukturen auf der atomaren Skala zu untersuchen [2, 3]. Bei dieser speziellen Form der Rastertunnelmikroskopie wird die Probenoberfläche mit einer atomar scharfen magnetischen Spitze im Abstand weniger Atomdurchmesser abgerastert. Dabei fließt ein Tunnelstrom, dessen Betrag vom Abstand zwischen Spitze und Probe und auch von der relativen lokalen Orientierung zwischen Spitzen- und Probenmagnetisierung abhängt. Eine Verringerung des Spitzen-Probenabstands um einen halben Atomdurchmesser führt zu einem zehnfach erhöhten Tunnelstrom. Bei gegebenem Spitzen-Probenabstand führt eine Änderung der relativen Orientierung zwischen Spitzen- und Probenmagnetisierung zu einer Leitfähigkeitsänderung im Prozentbereich. So werden Probentopographie und lokale Magnetisierungsrichtung auf atomarer Skala abgebildet.

Zum Studium der besonderen magnetischen Eigenschaften einzelner Nanostrukturen werden Eiseninseln durch Verdampfen von Fe auf einer atomar sauberen Kupfereinkristalloberfläche unter Ultrahochvakuumbedingungen hergestellt. Abbildung 1(a) zeigt ein Rastertunnelmikroskopie-Bild der Topographie einer einzelnen Eiseninsel. Die Eiseninsel hat eine Seitenlänge von 8 nm, und sie ist 0,4 nm hoch. Dies entspricht einer Dicke von zwei Atomlagen Fe. Somit besteht die Insel aus einer Eisen Bilage. Aufgrund der kleinen Inselhöhe im Vergleich zur Inselseitenlänge handelt es sich hierbei um eine 2D-Struktur, die einem Pfannkuchen gleich auf der Kupferoberfläche liegt. Die Leitfähigkeit ist in Abbildung 1(b) dargestellt. Sie ist im Innern der Insel höher als im umgebenden Kupferkristall und sie fällt zum Inselrand auf einer Strecke von 1 nm ab. Dieses Ergebnis ist bemerkenswert. Obwohl die gesamte Insel aus Fe besteht, variieren ihre elektronischen Eigenschaften auf der Nanometerskala stark. Dies ist durch eine strukturelle und elektronische Relaxation am Inselrand bedingt, die vom Wechselspiel zwischen struktureller Dehnung der Insel und der verminderten Koordination der Eisen Randatome ausgelöst wird [4, 5].

Das Anlegen eines Magnetfelds von 3 T senkrecht zur Probenoberfläche stabilisiert die magnetische Ordnung gegen eine thermische Anregung bei der Messtemperatur von 10 K. Die Messung der Leitfähigkeit in Abbildung 1(c) unterscheidet sich deutlich von der Messung ohne Magnetfeld, die in Abbildung 1(b) dargestellt ist. Abbildung 1(c) zeigt ein regelmäßiges Streifenmuster im Innern der Insel. Der Streifenabstand beträgt 1,28 nm. Dies entspricht fünf Eisenatomabständen. Diese räumliche Variation der Leitfähigkeit weist auf eine Änderung der lokalen Magnetisierungsrichtung in der Eiseninsel hin, die im Folgenden genauer analysiert wird.

Um den Einfluss des Magnetfelds auf die Leitfähigkeit der Insel klar zu charakterisieren, wird in Abbildung 2(a) das Differenzbild zwischen der Messung im Magnetfeld und ohne Magnetfeld dargestellt. Das Streifenmuster tritt klar hervor und rote (blaue) Bereiche zeigen eine gegenüber der Messung bei 0 T erhöhte (verringerte) Leitfähigkeit. Das Profil (Abb. 2(b)), gemessen entlang des Pfeils in Abbildung 2(a), zeigt deutlich eine regelmäßige Leitfähigkeitsänderung mit einer Wiederholungslänge von 1,28 nm. Da im Rastertunnelmikroskop eine Spitze mit einer Magnetisierungsrichtung senkrecht zur Probenoberfläche genutzt wird folgt, dass die Magnetisierungsrichtung der Eiseninsel von senkrecht von der Probenoberfläche wegweisend, über parallel zur Oberfläche, zu senkrecht in die Oberfläche hineinweisend variiert [3]. Diese Rotation der Magnetisierungsrichtung ist schematisch durch die Pfeile in Abbildung 2(b) dargestellt. Diese magnetische Ordnung wird als Helimagnetismus beschrieben.

Rotierende Magnetisierungsrichtung auf der Nanometerskala

Warum beobachtet man für das gleiche Element Fe eine unterschiedliche magnetische Ordnung in nanometerkleinen Eisen-Bilagen, mit einer Rotation der Magnetisierungsrichtung, im Vergleich zu einer makroskopischen Eisenproben, die eine parallele, ferromagnetische Ausrichtung der Magnetisierung zeigen? Die Antwort hierzu liefert die Theorie. Die Rechnungen zeigen, dass der entscheidende Aspekt zum Auftreten des Helimagnetismus in der Eisen-Bilage der Lagenabstand zwischen erster und zweiter Eisenlage ist [3].

Abbildung 3 zeigt die berechnete Differenz der Energiekosten zur Ausbildung einer helikalen Spinordnung im Vergleich zur ferromagnetischen Spinordnung als Funktion der reziproken Wiederholungslänge k. Eine reziproke Wiederholungslänge von 0 nm-1 entspricht einer unendlich kleinen Änderung der Spinorientierung von Atom zu Atom, entsprechend der ferromagnetischen Ordnung. Die Rechnungen zeigen, dass die Energiekosten zur Bildung einer helikalen Spinordnung für alle k monoton ansteigen, sofern mit einem Lagenabstand von 0,21 nm gerechnet wird. Die Ausbildung einer helikalen Spinordnung ist energetisch ungünstig. Jedoch führt ein verringerter Lagenabstand zu einem Minimum der Energiekosten, und die Bildung einer helikalen Spinordnung ist energetisch begünstigt. Das Minimum liegt bei 0,9 nm-1, entsprechend einer Wiederholungslänge von 1,1 nm, in befriedigender Übereinstimmung mit dem experimentellen Wert von 1,28 nm. Die Rechnungen identifizieren eine negative Austauschwechselwirkung über eine Länge vom zweit- bis zum fünft-nächsten Eisenatomabstand, und dies unterstützt die Ausbildung einer helikalen Spinordnung in der Eiseninsel [3].

Zukünftige Entwicklungen

Die kombinierte experimentelle und theoretische Studie zum Helimagnetismus in Eiseninseln auf einem Kupfersubstrat zeigt die große Bedeutung struktureller Relaxation für die magnetische Ordnung auf der Nanometerskala. Hier führt die reduzierte Dimensionaliät der 2D-Bilagen-Eiseninsel zu einer bis dahin unbeobachteten nicht-kollinearen Spin-Struktur mit einer Wiederholungslänge von fünf Eisenatomabständen. Eisen reagiert sehr empfindlich mit einer im Vergleich zu 3D-Volumenproben veränderten Spinordnung auf die lokalen Bindungsverhältnisse auf dem Kupfersubstrat. Dies steht im Gegensatz zu Kobalt, das als Bilagen-Insel auf dem selben Kupfersubstrat eine räumlich konstante Magnetisierung senkrecht zur Probenoberfläche zeigt [6]. Aneinandergrenzende Atomlagen unterschiedlicher Spinordnungen eröffnen neue Möglichkeiten, um mit atomarer Präzision die Austauschwechselwirkung über Grenzflächen zu charakterisieren. Magnetische Frustration in helikalen Spinstrukturen und laterale Magnetwiderstandsstrukturen werden Gegenstand zukünftiger Arbeiten sein. Die Manipulation nicht-kollinearer Spinstrukturen eröffnet dabei neben neuen Einblicken in die Grundlagen des Nanomagnetismus auch neue Perspektiven für Anwendungen in der magnetische Datenspeicherung und der Spintronic.

Literaturhinweise

Oka, H.; Ignatiev, P. A.; Wedekind, S.; Rodary, G.; Niebergall, L.; Stepanyuk, V. S.; Sander, D.; Kirschner, J.
Spin-dependent quantum interference within a single magnetic nanostructure
Science 327, 843-846 (2010)
Oka, H.; Brovko, O. O.; Corbetta, M.; Stepanyuk, V. S.; Sander, D.; Kirschner, J.
Spin-polarized quantum confinement in nanostructures: Scanning tunneling microscopy
Review of Modern Physics 86, 1127-1168 (2014)
Phark, S. H.; Fischer, J. A.; Corbetta, M.; Sander, D.; Nakamura, K.; Kirschner, J.
Reduced-dimensionality-induced helimagnetism in iron nanoislands
Nature Communications 5, 5183 (2014)
Sander, D.; Phark, S.-H.; Corbetta, M.; Fischer, J. A.; Oka, H.; Kirschner, J.
The impact of structural relaxation on spin polarization and magnetization reversal of individual nano structures studied by spin-polarized scanning tunneling microscopy
Journal of Physics: Condensed Matter 26, 394008 (2014)
Brovko, O. O.; Bazhanov, D. I.; Meyerheim, H. L.; Sander, D.; Stepanyuk, V. S.; Kirschner, J.
Effect of mesoscopic misfit on growth, morphology, electronic properties and magnetism of nanostructures at metallic surfaces
Surface Science Reports 69, 159-195 (2014)
Ouazi, S.; Wedekind, S.; Rodary, G.; Oka, H.; Sander, D.; Kirschner, J.
Magnetization Reversal of Individual Co Nanoislands
Physical Review Letters 108, 107206 (2012)
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