Forschungsbericht 2014 - Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns

Ist die altersbedingte Abnahme der Schlafqualität reversibel?

Autoren
Metaxakis, Athanasios; Tain, Luke Stephen; Grönke, Sebastian; Hendrich, Oliver; Hinze, Yvonne; Birras, Ulrike; Partridge, Linda
Abteilungen
Biologische Mechanismen des Alterns
Zusammenfassung
Schlaf ist wesentlich für die menschliche Gesundheit. Aber mit zunehmendem Alter nimmt bei vielen Menschen die Schlafqualität ab, was wiederum die Lebensqualität beeinträchtigt. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns haben am Beispiel der Taufliege (Drosophila melanogaster) untersucht, wie der Alterungsprozess den Schlaf beeinträchtigen kann. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine altersbedingte Verschlechterung verhindert werden kann und vielleicht sogar umkehrbar ist.

Erforschung des Alterungsprozesses mithilfe der Taufliege

Die Lebenserwartung der Menschen steigt seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts stetig an. Verbesserte Lebensqualität und eine umfassende Gesundheitsversorgung haben dazu geführt, dass die Menschen während des Alterns länger gesund bleiben und länger leben. Das Altern jedoch erhöht das Risiko für chronische und lebensbedrohliche Krankheiten - dazu gehören Krebs, Herz-Kreislauf- und neurodegenerative Erkrankungen. Auch die Qualität des Schlafs und damit die allgemeine Lebensqualität nehmen im Alter ab. Die Forscher am Max-Planck-Institut wollen daher versuchen, mithilfe der Taufliege Drosophila melanogaster herauszufinden, wie das Altern den Schlaf beeinflusst und vor allem, welche Faktoren dabei eine Rolle spielen.

Drosophila melanogaster ist weltweit einer der am besten untersuchten Organismen und zudem ein klassischer Modellorganismus der Alternsforschung. Die Fliege hat eine sehr kurze Lebensspanne von etwa 70 Tagen. Für Wissenschaftler wird sie dadurch zu einem idealen Forschungsobjekt, denn so kann innerhalb kurzer Zeit der komplette Lebenszyklus des Tieres untersucht werden (Abb. 1). Außerdem ist das gesamte Erbgut der Fruchtfliege bekannt und viele ihrer Gene kommen in ähnlicher Form auch beim Menschen vor.

Schlafqualität bei der Fliege verbessert

Der Schlaf von D. melanogaster hat viele Gemeinsamkeiten mit dem menschlichen Schlaf. Dazu gehört auch die altersbedingte Abnahme der Schlafqualität. Genau wie wir Menschen schlafen auch Fliegen in der Nacht, sind am Tage aktiv und man kann sogar genau beobachten, wann und wie lange Fliegen schlafen (Abb. 2). Die Qualität des Schlafes kann untersucht werden, indem man misst, wie oft die Fliegen aufwachen. Das wiederum ermöglicht es, die Auswirkungen bestimmter Substanzen oder anderer Faktoren auf den Schlaf zu studieren, wie etwa das Alter der Tiere oder deren jeweilige genetische Veranlagung. So haben die Forscher beispielsweise kürzlich entdeckt, dass eine verminderte Aktivität des Insulin/IGF1-Signalwegs (IIS) zu einer verbesserten Schlafqualität in der Nacht und einer höheren Aktivität am Tage führt [1].

Ganz allgemein übertragen Organismen die Information äußerer oder innerer Faktoren (Licht, Temperatur, Sättigung, etc.) über molekulare Signalwege in ihre Zellen. Auf diese Weise können sie auf Bedingungen wie beispielsweise das aktuelle Nahrungsmittelangebot reagieren. Der oben erwähnte II-Signalweg erfasst den Sättigungsstatus eines Tieres und stellt nährstoffverbrauchende Aktivitäten wie Wachstum, Reproduktion, Stoffwechsel und Stressreaktionen entsprechend darauf ein. Interessanterweise führt eine verminderte Aktivität des II-Signalwegs zu einer verlängerten Lebenszeit in Fliegen. Die Forscher haben in diesem Zusammenhang auch herausgefunden, dass die Neurotransmitter Dopamin und Octopamin Schlaf und Aktivität der Fliegen regulieren. Neurotransmitter sind biochemische Botenstoffe, deren Aufgabe darin besteht, Informationen zwischen Nervenzellen weiterzuleiten. Deren Regulation - Synthese, Abbau, Abgabe - geschieht auch über den IIS-Signalweg. Was diesen Signalweg so interessant macht ist die Tatsache, dass er evolutionär konserviert ist. Das heißt: Seine Bestandteile und Funktionen sind in verschiedenen Lebensformen ähnlich – von einfachen Organismen wie Taufliegen bis hin zu Mäusen und Menschen.

Verbesserung der Schlafqualität älterer Menschen

Die Wissenschaftler fanden ebenfalls heraus, dass Tagesaktivität und Nachtschlaf durch zwei verschiedene Signalwege gesteuert werden. Beim Signalweg für die Nachtruhe spielen nämlich das Protein TOR und der Neurotransmitter Dopamin wichtige Rollen. Beim Target of Rapamycin (TOR) Signalweg handelt es sich um eine molekulare Signalkette, die während des Alterungsprozesses eine wichtige Rolle spielt. Ebenso wie beim II-Signalweg führt eine verminderte Aktivität des TOR-Signalweges zu einer verlängerten Lebenszeit.

Überraschend ist, dass die Schlafqualität sogar in alten Fliegen verbessert wird, sobald die Aktivität von TOR durch Behandlung mit dem therapeutischen Wirkstoff Rapamycin gehemmt wird. Dies bedeutet, dass altersbedingte Schlafstörungen nicht nur vermeidbar, sondern eventuell auch wieder umkehrbar sind. Auf Basis dieser Ergebnisse wird nun intensiv weiter geforscht. Weil, wie bereits erwähnt, sowohl die IIS- als auch die TOR-Funktion phylogenetisch hoch konserviert sind, könnten die mithilfe des Modellorganismus D. melanogaster erzielten Ergebnisse dazu beitragen, therapeutische Ansätze für eine Verbesserung der Schlafqualität älterer Menschen zu entwickeln. Der unmittelbar nächste Schritt ist aber herauszufinden, ob die hier beschriebenen Erkenntnisse auf dem Menschen näher als Fliegen verwandte Lebensformen, beispielsweise Mäuse, übertragbar sind.

Literaturhinweise

Metaxakis, A.; Tain, L. S.; Grönke, S.; Hendrich, O.; Hinze, Y.; Birras, U.; Partridge, L.
Lowered insulin signalling ameliorates age-related sleep fragmentation in Drosophila
PLOS Biology 12, e1001824 (2014)

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