Forschungsbericht 2014 - Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Wellenformen nach Maß: Neue Wege, um die Dynamik von Elektronen in Materie in Echtzeit zu beobachten und zu steuern

Autoren
Goulielmakis, Eleftherios
Abteilungen
Labor für Attosekundenphysik
Zusammenfassung
Die Beobachtung und Steuerung der Elektronendynamik in Atomen, Molekülen oder Festkörpern in Echtzeit zählt zu den wichtigsten Themen der modernen Naturwissenschaft. Dieser Bericht gibt einen Überblick, wie jüngste Fortschritte in der Synthese und Kontrolle der Lichtfelder es ermöglichen, Elektronen auf der ihnen gemäßen Zeitskala von Attosekunden (1 as = 10-18 s) zu steuern. Diese Entwicklungen versprechen neue Erkenntnisse der inneren Prozesse des Mikrokosmos und bilden die Basis für auf Licht basierende elektronische und photonische Geräte, die mit Petahertz-Frequenzen arbeiten.

Einführung

Licht gehört zu den Schüsselinstrumenten, um das Quantenverhalten in der Natur zu entdecken und für die Steuerung von Materie auf mikroskopischen und mesoskopischen Skalen zu nutzen. Laserpulse konnten erstmals 1960 erzeugt werden. In den darauf folgenden Jahrzenten gelang es, ihre Dauer auf Femtosekunden (1 fs = 10-15 s) zu beschränken und damit war die Grundlage geschaffen, die Quantennatur der Materie mit so hoher Auflösung zu kontrollieren, dass die Bewegungen von Atomen in Molekülen und Festkörpern in Echtzeit beobachtet werden konnten. Um die Möglichkeiten der modernen Spektroskopie auch auf der Zeitskala der Elektronen – der Attosekunden-Zeitskala – zu nutzen, benötigt man neue Methoden, die es erlauben, Licht innerhalb der Dauer einer optischen Schwingung zu manipulieren.

Das erste Jahrzehnt der Attosekunden-Wissenschaft war gekennzeichnet durch die Möglichkeit, die Bewegung von Elektronen in Materie mit intensiven Lichtpulsen aus wenigen Schwingungen zu steuern, deren Phase innerhalb der einhüllenden Welle auf Attosekunden genau festgelegt war (carrier envelope phase: CEP [1]). Die CEP-Kontrolle der Lichtschwingungen ist zwar ein sehr wichtiges, aber doch beschränktes Mittel, um die Dynamik von Materie zu erkunden und zu beeinflussen. Für darüber hinaus gehende Ziele ist es notwendig, die optische Wellenform intensiver Lichtpulse auf Attosekunden-Zeitspannen zu beschränken und innerhalb dieses Zeitraums zu steuern. Doch um diesen Anforderungen zu genügen, braucht man noch weit modernere Lichttechniken. Hier kommt die neue Technik der Synthese der Wellenformen des Lichtfeldes ins Spiel.

Synthese der Lichtfelder

Voraussetzung für die Synthese von Licht innerhalb eines Schwingungszyklus (sub-cycle) sind intensive Lichtpulse mit extrem großer Bandbreite, die kontinuierliche, sich über mehr als eine optische Oktave erstreckende Spektren liefern. Ein wichtiges Werkzeug dabei sind Faser-basierte Femtosekunden-Laser, die Pulse mit nicht-linearen Spektren liefern und schon kommerziell erhältlich sind (Abb. 1).

Hat man solche extrem breitbandigen Laserpulse, dann benötigt man noch eine effiziente Methode, um die Wellenform des Lichtfeldes zu manipulieren. Mit Dispersionsspiegeln lassen sich intensive Lichtpulse auf Zeitspannen in der Nähe einer Schwingung komprimieren, aber nur bei Bandbreiten bis zu einer Oktave und ohne die Möglichkeit, die Wellenform dynamisch zu verändern.

Eine etwas ausgefeiltere Methode, die es erlaubt, Lichtfeld-Synthese anzuwenden und dabei die Möglichkeiten dispersiver Optik im optischen Spektralbereich, im nahen Infrarot und im Ultravioletten in vollem Umfang zu nutzen, ist in Abbildung 2 dargestellt. Die ultrabreiten Pulse, die aus einem Hohlraum-Wellenleiter kommen (Abb. 1), sind mit dichroitischen Strahlteilern in verschiedene Spektralbereiche aufgeteilt. In einer ersten Test-Realisierung eines solchen Synthesizers wurden drei Frequenzbänder implementiert, im sichtbaren, im infraroten und im nahen ultravioletten Spektralbereich [2]. In den Weg jedes Kanals wurden Dispersionsspiegel gestellt, die die Pulse auf beinahe Fourier-begrenzte Zeitdauern komprimieren, bevor sie wieder mit derselben Art von Strahlteilern am Ausgang des Apparats zusammengeführt werden, um eine neue optische Wellenform zu erzeugen.

Damit ist es jetzt möglich, die erzeugten Lichtfelder im Detail zu formen, entweder durch Anpassung der relativen Phase zwischen den Pulsen aus den unterschiedlichen Kanälen, d. h. durch Variation ihrer gegenseitigen Verzögerung, oder durch Anpassung ihrer relativen Amplituden. Typischerweise kann schon durch Variation der relativen Phase zwischen diesen Pulsen eine Vielfalt von Wellenformen synthetisiert werden; die Angleichung ihrer relativen Amplituden ermöglicht es, die effektive Bandbreite der Wellenform zu erhöhen, um noch kürzere und besser steuerbare Lichtfelder zu erzeugen.

Der dritte essentielle Bestanteil der „Sub-Cycle”-Synthese von Lichtfeldern ist ein entsprechend gutes Messverfahren, das es erlaubt, die synthetisierte Wellenform auch mit „Sub-Cycle”-Genauigkeit im Detail zu bestimmen. Schon 2004 [4] wurde im Labor für Attosekundenphysik gezeigt, dass die „Attosecond Streaking”-Methode diese Möglichkeit bereitstellt. Abbildung 3 zeigt eine Serie von Streaking-Spektren von optischen Pulsen, die in diesem Apparat synthetisiert und innerhalb einer Lichtschwingung geformt wurden. In Rot sind die daraus abgeleiteten Felder, in Blau die dazu gehörigen Intensitäten dargestellt. Die Messungen unterstreichen die erstaunliche Übereinstimmung zwischen der vorhergesagten (schwarz) und der gemessenen (rot) Wellenform und sie etablieren die Attosekunden-Synthese von Lichtfeldern als wichtiges Werkzeug, um Licht jenseits des optischen Zyklus zu manipulieren. 

Ein Fallbespiel: Die Anregung und Beobachtung ultraschneller kohärenter Bewegungen in Atomen

In einem Test-Experiment werden die Zustände von einfach ionisierten Kryptonatomen untersucht. Durch die Ionisation werden die verbliebenen fünf Valenzelektronen des Edelgasatoms in eine kohärente Schwingung versetzt, deren Periode, entsprechend dem Energieunterschied zwischen den beiden untersten Valenzniveaus (∆E ≈ 0,67 eV), etwa sechs Femtosekunden beträgt. Die Ionisation und die Anregung erfolgt in dem Experiment mit einem „Sub-Cycle”-Puls, der im Feld-Synthesizer erzeugt wurde. Er erzeugt eine kohärente Überlagerung der Valenzzustände der resultierenden Ionen. Die zeitliche Entwicklung der Kohärenz, genauer gesagt der Dynamik des zurück gebliebenen Elektronenlochs nach der Anregung des ersten Elektrons, wird untersucht, in dem man die Probe mit synchronen Attosekunden-Pulsen im extremen Ultraviolett bestrahlt. Die Modulationen in der Amplitude der Absorptionsspektren (Abb. 4) dieses Pulses sind eine Manifestation der dynamischen Reaktion des Systems auf die ultrakurze Anregung.

Auf der Grundlage rein quantenmechanischer Überlegungen könnte man argumentieren, dass diese Amplitudenmodulationen aufgrund der Quanteninterferenz von Übergängen aus anfänglich kohärenten Zuständen in einen gemeinsamen Endzustand zu Tage treten. In diesen Endzustand wird das System durch einen EUV Attosekunden-Puls gebracht, wodurch Resonanzen in der Absorption entstehen. Genauso intuitiv ist es, sich die oszillierende Elektronenwolke als eine Antenne auf Angström-Skala vorzustellen. Je nachdem, ob die Antenne entlang der Polarisation des EUV-Feldes (die Wolke ist länglich geformt) oder nicht ausgerichtet ist, ist die Absorption der elektromagnetischen Welle, die auf die Probe trifft (Abb. 4(c)), erhöht oder unterdrückt. Mit einem intuitiven Modell erhält man sowohl die Schwingungsperiode (T = 6,2 fs) als auch den Grad der Kohärenz (85%) des oszillierenden Wellenpakets des Elektrons aus der Rekonstruktion der Messergebnisse. Die präzise Beschränkung der Anregung des Elektrons auf ein Zeitfenster, das erheblich kürzer ist als die Schwingungsperiode der induzierten Kohärenz, haben es hier erstmals erlaubt, die Anfangsphase des elektronischen Wellenpakets direkt zu der Geburtsstunde zu bestimmen.

Ein Blick in die Zukunft

Seit kurzem werden auch feste Stoffe mit „Sub-Cycle”-Pulsen untersucht. Damit wurde es möglich, durch Einstrahlung von Licht elektrische Ströme in dielektrischen Materialien zu induzieren und präzise zu steuern. Diese Experimente eröffnen neue Perspektiven für die Elektronik und die Informatik und versprechen, den jetzigen Stand der Technik in den Petahertz-Bereich weiter zu entwickeln. Die Kombination dieser Methode mit der Technik der Lichtfeld-Synthese bietet eine Reihe weiterer Möglichkeiten. Mit der Lichtfeld-Synthese können digitale oder analoge Informationen auf der Trägerfrequenz der Lichtwellen kodiert werden, so wie moderne Elektronik diese Möglichkeit bei Mikrowellenfrequenzen bereitstellt. Wenn man so eine Wellenform mit einem Festkörper in Wechselwirkung treten lässt, dann kann die Information auf ein Plasmon oder einen Strom im Innern des Geräts übertragen werden, möglicherweise funktioniert dies auch in umgekehrter Richtung.

Literaturhinweise

Hassan, M. Th.; Wirth, A.; Grguraš, I.; Moulet, A.; Luu, T. T.; Gagnon, J.; Pervak, V.; Goulielmakis, E.
Attosecond photonics: Synthesis and control of light transients
Review of Scientific Instruments 83, 111301 (2012)
Wirth, A.; Hassan, M. Th.; Grguraš, I.; Gagnon, J.; Moulet, A.; Luu, T. T; Pabst, S.; Santra, R.; Alahmed, Z. A.; Azzeer, A. M.; Yakovlev, V. S.; Pervak, V.; Krausz, F.; Goulielmakis, E.
Synthesized light transients
Science 334, 195-200 (2011)
Goulielmakis, E.; Uiberacker, M.; Kienberger, R.; Baltuska, A.; Yakovlev, V.; Scrinzi, A.; Westerwalbesloh, Th.; Kleineberg, U.; Heinzmann, U.; Drescher, M.; Krausz, F.
Direct measurement of light waves
Science 305, 1267-1269 (2004)
Baltuska, A.; Udem, Th.; Uiberacker, M.; Hentschel, M.; Goulielmakis, E.; Gohle, Ch.; Holzwarth, R.; Yakovlev, V. S.; Scrinzi, S.; Hänsch, T. W.; Krausz, F.
Attosecond control of electronic processes by intense light fields
Nature 421, 611-615 (2003)
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