Maßgeschneiderte Wirkstoffe als Grundlage für neue Antidepressiva

SAFit-Liganden bilden die Basis für neue Behandlungsstrategien bei stressbedingten psychiatrischen Erkrankungen

1. Dezember 2014

Das FK506-bindende Protein 51 (FKBP51) ist ein Risikofaktor für psychiatrische Erkrankungen, wie beispielsweise die Depression, die durch Stress ausgelöst werden. Es ist schwierig, bei der Entwicklung von Medikamenten pharmakologisch zwischen FKBP51 und dem strukturell sehr ähnlichen Gegenspieler FKBP52 zu unterscheiden. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München haben jetzt den ersten wirkungsvollen und hoch selektiven Hemmstoff von FKBP51 produziert. Der sogenannte SAFit-Ligand blockiert FKBP51, wodurch das Wachstum von Nervenzellen in Zellkultur gefördert und bei Mäusen der Umgang mit Stress verbessert wird. Diese Forschungsergebnisse liefern strukturelle und funktionale Grundlagen für die Entwicklung neuer Antidepressiva.

FKBP51 und FKBP52 sind Proteine, die viele Vorgänge in unseren Zellen regulieren. Im Zusammenhang mit psychiatrischen Erkrankungen wirken die beiden Proteine genau gegensätzlich auf Rezeptoren für Stresshormone im Gehirn. Während FKBP52 die Aktivität des Glukokortikoid-Rezeptors erhöht, hemmt FKBP51 diese. Auf diese Weise spielen beide Proteine bei der Regulierung der Stressreaktion eine bedeutende Rolle.

Erstmals ist es Wissenschaftlern um Felix Hausch, Projektgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Psychiatrie und Dozent an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, nun gelungen, hochspezifische Hemmstoffe für FKBP51 durch einen induced-fit Mechanismus zu entwickeln. „Ursprünglich haben wir einen chemisch-genetischen Ansatz verwendet und dann Schritt für Schritt die Bindung unserer Hemmstoffe verbessert“, erläutert Steffen Gaali, Post-Doc in der Projektgruppe von Felix Hausch und Erstautor der vorliegenden Studie. „Schließlich lagerte sich der wirksamste Ligand SAFit, ein selektiver Antagonist von FKBP51 durch induced fit, mehr als 10.000-mal besser an FKBP51 als an FKBP52.“ Der SAFit-Ligand passt nur deswegen in eine Tasche von FKBP51, da er eine der Aminosäureseitenketten des Proteins zur Seite schiebt. Diese Verschiebung kann im FKBP52-Protein nicht geschehen.

In weiteren Experimenten untersuchten die Wissenschaftler die Eigenschaften und Auswirkungen des SAFit-Liganden. In Zellkulturen stimulierte SAFit die Ausbildung neuronaler Zelllinien. Im Gegensatz zu früheren Hemmstoffen von FKBP51 hatte SAFit keinerlei Nebenwirkungen auf das Immunsystem. Darüber hinaus linderte SAFit depressionsähnliche Verhaltensweisen bei Mäusen. Indem der SAFit-Ligand FKBP51 blockiert, wird wiederum die hemmende Wirkung des Proteins auf den Glukokortikoid-Rezeptor im Gehirn reduziert. Somit verbessert SAFit die Regulierung der HPA-Achse, einem Schlüsselmechanismus bei der Stressbewältigung.

„Die Depression ist vermutlich eine biologisch nicht einheitliche Erkrankung und die wesentliche Schwierigkeit besteht darin, Antidepressiva auf die spezifischen zugrunde liegenden biologischen Veränderungen abzustimmen“, erklärt Felix Hausch. „Patienten mit FKBP51-überaktivierenden Genvarianten oder mit einer hyperaktiven HPA-Achse können durch Genuntersuchungen für FKBP51 und/oder den Dex-CRF Test klinisch identifiziert werden.“ Durch die Entwicklung des SAFit-Liganden zeigen die Max-Planck-Wissenschaftler, dass selektive FKBP51 Hemmstoffe generell als neue Behandlungsstrategie bei stressbedingten psychiatrischen Erkrankungen geeignet sind.

Die Hypothalamus-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse, engl. hypothalamic–pituitary–adrenal axis) ist ein komplexes Wirkungsgefüge zwischen Hypothalamus, Hirnanhangsdrüse und Nebennieren. Die Wechselwirkungen zwischen diesen Organen sind bei der Kontrolle der Stressreaktion wichtig und regulieren viele Prozesse, einschließlich Verdauung, Immunsystem, Stimmungslage oder Emotionen. Die stressbedingte Abgabe des Corticotropin freisetzenden Faktors (CRF, engl. corticotropin-releasing factor) im Hypothalamus erhöht die Produktion von Cortisol in den Nebennieren. Cortisol selbst verursacht Anpassungen, wobei Alarmreaktionen einschließlich der Immunreaktion unterdrückt werden. Dadurch kann sich der Körper gegen den Stress wehren.

Die Aktivität der HPA-Achse kann mit Hilfe des Dex-CRF Tests gemessen werden. Die Freisetzung von Cortisol ist in einigen Gruppen depressiver Patienten im Vergleich zu nicht-depressiven Kontrollpersonen deutlich erhöht, was auf eine Hyperaktivität der HPA-Achse schließen lässt.

AN/HR

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