Forschungsbericht 2003 - MPI für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht

Lauterkeitsrecht am Scheideweg

Autoren
Hilty, Reto M.; Henning-Bodewig, Frauke
Abteilungen

Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht (Prof. Dr. Dres. h.c. Joseph Straus)
MPI für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, München

Zusammenfassung
Die Harmonisierung des Lauterkeitsrechts - des Rechts, das das "Fair Play" im Wirtschaftsleben festlegt - erfährt gegenwärtig einen tief greifenden Wandel. Welche Bedeutung hat in dieser Situation der Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten zur Europäischen Union? Diese Frage steht im Mittelpunkt eines Forschungsprojekts des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht.

Das Recht zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs ("Lauterkeitsrecht") zählt in den meisten Staaten zu den wichtigsten Wirtschaftsgesetzen. Anders als das Kartellrecht, das auf die Freiheit des Wettbewerbs abzielt, geht es in ihm um das "Fair Play" im Wirtschaftsleben, um die Spielregeln, denen ein freier Wettbewerb unterliegt. Diese Spielregeln werden vor dem Hintergrund eines sich verschärfenden Wettbewerbs, insbesondere im Zuge der Globalisierung, immer wichtiger.

Am 3. August 2004 wurde in Deutschland ein neues Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verabschiedet. Damit hat das deutsche Lauterkeitsrecht nach fast einhundert Jahren Geltung seine erste umfassende Reform erfahren. Das "neue UWG" geht dabei maßgeblich auf Vorarbeiten und Initiativen des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht zurück. Inhaltlich setzt es die 2003 mit Aufhebung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung begonnene Liberalisierung fort. Zugleich wurden die maßgeblichen Wertungen des Gesetzgebers durch die Normierung der von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze transparenter gemacht.

Das Lauterkeitsrecht ist jedoch nicht nur ein nationales, sondern auch ein europäisches und internationales Problem. Gerade diesem Aspekt hat das Institut traditionell besondere Aufmerksamkeit gewidmet. So wurden bereits in der Vergangenheit Vorschläge zu einer Harmonisierung des Lauterkeitsrechts gemacht und Pläne zur Angleichung auf europäischer Ebene wissenschaftlich begleitet und angeregt. Diese Arbeiten hat das Institut im Jahr 2004 fortgesetzt und intensiviert, wobei insbesondere die Methode der Rechtsvergleichung heranzogen wurde.

Die Rechtsvergleichung zeigt unter anderem, dass die nur zögernde Harmonisierung auf europäischer und internationaler Ebene vor allem auf die unterschiedlichen Regelungsansätze im Lauterkeitsrecht zurückzuführen ist. So bestehen bereits in den alten Mitgliedstaaten unterschiedliche Ansichten darüber, ob das Lauterkeitsrecht sich auf den Schutz der Unternehmer vor unlauterer Konkurrenz beschränken sollte (oder aber - möglicherweise gar vorrangig - dem Schutz der Verbraucher dient), ob die Durchsetzung dem Zivilrecht, das heißt Klagen von Mitbewerbern und Verbänden vorbehalten bleiben sollte (oder aber Behörden erforderlich sind) beziehungsweise ob und wie man die Selbstkontrolle nutzbar machen kann.

Nicht zuletzt wegen dieser Differenzen war bislang auf Gemeinschaftsebene nur eine Regelung einzelner Teilaspekte möglich. Durch die punktuelle Regelung ist es jedoch einerseits zu Lücken, andererseits zu Überlappungen gekommen. Dies schadet wiederum der Rechtssicherheit, untergräbt die Planungssicherheit der Unternehmen und das Verbrauchervertrauen. Die volkswirtschaftlich erwünschte Öffnung der Märkte für Unternehmer und Verbraucher, zum Beispiel durch den Internet-Handel, gerät in Gefahr.

In dieser Situation kommt dem Recht der zehn neuen Mitgliedstaaten besondere Bedeutung zu. Dieses Recht ist jedoch bislang kaum aufbereitet und schon gar nicht in den europäischen Kontext gestellt worden. Das Forschungsprojekt des Instituts mit dem Titel "Das Lauterkeitsrecht der neuen Mitgliedstaaten - Impulse für Europa?" versucht diese Lücke zu schließen. Erstmalig liegt dabei der Fokus auf dem Lauterkeitsrecht der zehn Beitrittsstaaten. Untersucht werden unter anderem die Auswirkungen des bestehenden europäischen Rechts auf das Recht der Beitrittsländer und die Auswirkungen des Rechts der Beitrittsländer auf das künftige europäische Recht (und damit das nationale Recht der bisherigen Mitgliedstaaten).

Erste Ergebnisse zeigen, dass die Regelungsansätze, die Schutzzwecke, die Schwerpunkte und die Regelungsdichte in den neuen Mitgliedstaaten zum Teil sehr unterschiedlich sind. Andererseits gibt es jedoch in weiten Bereichen auch eine gemeinsame Basis, die für die dringend erforderliche Rechtsangleichung auf europäischer und internationaler Ebene nutzbar gemacht werden könnte.

Im Frühjahr 2005 wird das Institut das Forschungsprojekt zum Gegenstand einer mehrtägigen, international ausgerichteten Tagung machen. Die durch die Tagung gewonnenen Ergebnisse sollen unter anderem die Grundlage für rechtstheoretische Arbeiten zur Bestimmung des künftigen Standorts des deutschen, europäischen und internationalen Lauterkeitsrechts bilden.

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