Immer der Nase nach

Ilona Grunwald Kadow leitet am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried die Max-Planck-Forschungsgruppe „Chemosensorische Kodierung“ Die Wissenschaftlerin sprach mit uns über ihre Forschung, ihre Unabhängigkeit und den Unterschied zwischen einer wissenschaftlichen Karriere in den USA und in Deutschland.

Ein Mensch kann mindestens eine Trillion Geruchsstoffe unterscheiden. Dafür bedarf es eines ausgeklügelten Nervensystems. Nervenzellen, die spezielle Dufterkennungsmoleküle besitzen, aktivieren bestimmte Zentren in unserem Gehirn. „Mich interessiert dabei besonders, wie wir Gerüche und Geschmäcker, abhängig davon wie wir uns fühlen oder was wir tun, wahrnehmen und entsprechend handeln“, erzählt Ilona Grunwald Kadow.

Seit Ende 2008 leitet die Mutter von drei Kindern ein Team von zehn Mitarbeitern am Max-Planck-Institut für Neurobiologie. Dem Forschungsinstitut ist sie bereits seit ihrer Doktorarbeit am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg verbunden. Damals wechselte ihr Doktorvater Rüdiger Klein von Heidelberg nach Martinsried. Ilona Kadow ging mit, um dort ihr Forschungsprojekt fertig zu stellen. Einer Postdoc-Phase an der University of California in Los Angeles folgte eine weitere Zeit als Postdoc in Martinsried.

Ilona Grunwald Kadow schätzt die Unabhängigkeit sehr, die sie hier als Max-Planck-Forschungsgruppenleiterin genießt. „Ich kann die Infrastruktur und Verwaltung des Instituts nutzen, habe aber auch eigene Personal- und Sachmittel, die es mir ermöglichen, eigenständig mein Forschungsprojekt zu verfolgen“.

Da die Forschungsgruppen zunächst auf fünf Jahre befristet sind, birgt dies jedoch auch Unsicherheit, „die vor allem für Forschungsleiter mit Familien und insbesondere Frauen schwierig sein kann“. Denn im Gegensatz zu den USA gibt es in Deutschland keine festgelegten Karrierewege in die Forschung, wie Assistant, Associate und Full Professor. In Deutschland gibt es wesentlich mehr befristete Verträge und damit auch berufliche Unsicherheit. Wenn Grunwald Kadows Vertrag, der wegen ihrer guten Evaluierung um zwei Jahre verlängert wurde, 2016 ausläuft, schließt sich daran nicht automatisch der nächste Karriereschritt an. „Deshalb schaue ich mich bereits jetzt nach einer neuen Position um“, sagt die Wissenschaftlerin.

Umso wichtiger ist es ihrer Meinung nach, dass sich Tenure-Track-Modelle – wie bei der aktuellen Ausschreibung -, immer weiter durchsetzen. Bewerber, die in München bleiben wollen, können sich als Max-Planck-Forschungsgruppenleiter/-in auf Tenure-Track-Professuren der Technischen Universität München (TUM) bewerben. Bei positiver Evaluation steht nach sechs Jahren der Aufstieg auf eine dauerhafte W3-Professur an der Exzellenzuniversität an.

Bereits bei einer Bewerbung als Forschungsgruppenleiterin sei es deshalb wichtig, einen guten Riecher zu beweisen: „Wie ist die Ausstattung des Instituts, kann ich Geräte mitbenutzen, wie ist mein Zugang zu den shared facilties?“, fasst Ilona Grunwald Kadow die wichtigen Fragen im Vorfeld zusammen. „Und ganz wichtig, wenn man Kinder hat oder will: „Gibt es eine gute Kinderbetreuung?“ Universitäten könnten hier ähnlich gute Ausgangssituationen bieten wie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen der Max-Planck-Gemeinschaft, der Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft.

Den Spagat zwischen Familie und wissenschaftliche Leitungsfunktion schafft Ilona Grunwald Kadow dadurch, dass sie sich ihre Arbeitszeit am Institut frei einteilen kann und ihre Kinder tagsüber gut betreut weiß. „Meistens hole ich sie am späteren Nachmittag von Krippe, Kindergarten und Hort ab“, sagt die Wissenschaftlerin. Wenn die Kinder abends schlafen, setzt sie sich zu Hause an den Rechner, um beispielsweise einen Fachartikel fertig zu schreiben.

Die Mitarbeit in Gremien –wie als Sprecherin der Forschungsgruppenleiter – haben ihr Einblicke in die Forschungspolitik und die Prozesse einer Forschungsorganisation gewährt, die sie für ihre zukünftige Karriereplanung als sehr wichtig erachtet. Sie kann sich beispielsweise vorstellen, in zwei Jahren an einer Universität zu arbeiten. „Gremien- und Lehrerfahrung ist dann sicherlich von Vorteil und wird auch häufig erwartet.“

Darüber hinaus sei es wichtig, dass sich jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler engagieren, um die Bedingungen in der Forschung langfristig zu verbessern. „Gerade Doktoranden und Postdocs scheiden vielfach aus, da eine wissenschaftliche Karriere zu viele Risiken wie temporäre Verträge, geringes Einkommen und Unvereinbarkeiten mit Familienplanung und Leben mit sich bringt. Firmen sind hier häufig viel besser aufgestellt.“ So verliert die Wissenschaft „viele gute Leute“ an die Wirtschaft.

Das Gespräch führte Barbara Abrell

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