Forschungsbericht 2003 - Max-Planck-Institut für Astronomie

MIDI - Infrarot-Interferometrie an großen Teleskopen

MIDI - Infrared-Interferometry at large Teleskopes

Autoren
Bührke, Thomas; Staude, Jakob
Abteilungen
Zusammenfassung
Nach dem ersten erfolgreichen Test des interferometrischen Messinstruments MIDI (Mid-Infrared Interferometric Instrument) Ende 2002 am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO erfolgte im Berichtsjahr die Phase, in der die sichere Funktionsfähigkeit getestet wurde. MIDI erfüllte voll und ganz die hoch gesteckten Erwartungen und eröffnet damit ein neues Feld astronomischer Beobachtungen: Erstmals lässt sich im mittleren Infraroten eine Auflösung bis zu einer hundertstel Bogensekunde erreichen. Beobachtungen von zirkumstellaren Scheiben um junge Sterne sowie des Staubrings im Zentrum einer aktiven Galaxie zeigen die enorme Leistungsfähigkeit des Instruments. MIDI wurde unter der Federführung des MPIA von einem Konsortium deutscher, niederländischer und französischer Teams gebaut.
Summary
After the first successful tests of the mid-infrared interferometric instrument MIDI at the ESO Very Large Telescope at the end of 2002, the phase of Science Demonstration followed in the year under report. MIDI fully met the high expectations and thus opened up a new field of astronomical observations: for the first time a resolution of one hundredth of an arc second can be achieved in the mid-infrared spectral range. Observations of circumstellar disks around young stars as well as of the dust ring in the center of an active galaxy demonstrate the enormous power of the instrument. MIDI was built by a consortium of German, Dutch, and French teams under the leadership of MPIA.

Jahrzehntelang war optische Interferometrie eine Spielweise für Tüftler und unbeirrbar optimistische Astronomen. Bei dieser Technik wird das Licht von zwei oder mehreren Teleskopen so zusammengeführt, als käme es von einem Einzelteleskop. Beträgt die größte Entfernung zwischen diesen Teleskopen beispielsweise hundert Meter, so lässt sich mit dem Interferometer dieselbe Auflösung erzielen wie mit einem Einzelteleskop mit einem 100-m-Spiegel. So wird eine überragende Bildschärfe von wenigen tausendstel Bogensekunden im nahen Infrarot und einer hundertstel Bogensekunde bei 10 µm Wellenlänge erreicht. Das ist mehr als zehnmal so gut wie mit einem einzelnen 8-m-Teleskop des VLT theoretisch möglich ist und übertrifft die natürliche, durch die Luftunruhe (Seeing) begrenzte Bildschärfe um das Hundertfache. Diese Zahlen demonstrieren das enorme astronomische Potenzial der Interferometrie. Überdies werden derzeit die Möglichkeiten der Interferometrie am VLT durch den Aufbau kleinerer Zusatzteleskope erweitert (Abb. 1), wobei finanzielle Beiträge aus der Max-Planck-Gesellschaft kamen.

Nach dem ersten erfolgreichen Test von MIDI Ende 2002 nahm die ESO das Instrument im September 2003 in den offiziellen Beobachtungsbetrieb auf, sodass es nun allen Astronomen zur Verfügung steht. Damit wurde ein sehr ehrgeiziges Ziel planmäßig erreicht. MIDI ist das erste Instrument an großen Teleskopen, das interferometrisch das mittlere Infrarot bei Wellenlängen um 10 µm abdeckt.

Es war noch ein anstrengender Weg von der ersten Beobachtung eines hellen Sterns am 15. Dezember 2002 bis zum heutigen Routinebetrieb. Fehler im Instrument und in der komplexen Infrastruktur der VLT-Großteleskope mussten erkannt und behoben werden; Belichtungszeiten mussten ermittelt, die Abfolge der Messschritte optimiert und das reibungslose Zusammenspiel der Instrumentsteuerung mit den interferometrisch gekoppelten Teleskopen sichergestellt werden. Erheblichen Aufwand verlangte auch die bei der ESO übliche Speicherung und Schnellauswertung der Daten. Hier waren in erster Linie die Softwarespezialisten des Instrumententeams und der ESO gefragt. Nach teilweise hektischer Tag- und Nachtarbeit im Februar, Mai und Dezember konnte das Ziel kurz vor Jahresende 2002 erreicht werden (Abb. 2).

Der Routinebetrieb von MIDI ist ein Durchbruch in der astronomischen Beobachtungstechnik. Jetzt kann jeder Astronom, und nicht nur wenige Spezialisten, von der enormen Bildschärfe dieser Methode profitieren. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Interferometrie im Infraroten aufwändig und kompliziert ist.

Zunächst muss für die beiden von MIDI genutzten Teleskope das Infrarotbild auf dem Detektor gefunden werden. Dies ist nicht immer einfach, weil manche der untersuchten Objekte auf den im sichtbaren Bereich empfindlichen Bildschirmen gar nicht zu sehen sind und beim Anfahren des Objekts nicht immer gleich auf den Infrarotdetektor des Instruments fallen. Als nächstes müssen erst Bedingungen geschaffen werden, dass es so wirkt, als kämen die Lichtbündel der interferometrisch gekoppelten Teleskope von einem großen Einzelteleskop. Dazu müssen die Bilder der Einzelteleskope genau so an eine bestimmte Stelle des Detektors geschoben werden, dass sie zu einem ununterscheidbaren Bild verschmelzen. Außerdem müssen die Wege, die das Licht über die einzelnen Teleskope zum Detektor zurücklegt, auf wenige hundertstel Millimeter genau gleich lang sein. Dazu dienen die mit fahrbaren Spiegeln aufgebauten Verzögerungsstrecken (delay lines), die in einem Tunnel unterhalb der Teleskope aufgebaut sind.

Jetzt kommt die Nagelprobe: Tritt die zum Erreichen der hohen Bildschärfe nötige Interferenz auf? Dann sehen wir das Interferenzmuster als Folge dunkler und heller Streifen, hervorgerufen durch destruktive und konstruktive Überlagerung der Lichtwellen. Ein kurzer Test genügt, dann kann die Messung des Streifenmusters beginnen. Bei einer raschen Auswertung der Daten während der Messung stellt man fest, wann die Weglängen des Lichts über die beiden Teleskope aufgrund atmosphärischer Störungen auseinanderlaufen. Dann korrigiert man die aufgetretenen Weglängendifferenzen mit einem Befehl an die delay line und fährt mit der Messung fort, bis eine ausreichende Datenmenge vorhanden ist.

Die astronomisch relevante Information liegt im Kontrast des Streifenmusters. Gemeint ist damit der Intensitätskontrast zwischen den Maxima und Minima im Interferenzmuster. Diese Größe nennt man Sichtbarkeit oder englisch Visibility. Ihr Wert schwankt zwischen 1 und 0. Eine nicht aufgelöste Punktquelle hat den Visibility-Wert 1, bei aufgelösten Objekten ist er kleiner als 1, wobei er mit wachsender Ausdehnung der Objekte abnimmt.

Im nahen Infrarot behindert die thermische Emission der Teleskope und auch des Nachthimmels die Beobachtungen erheblich. Sie kann die Helligkeit eines Himmelskörpers um das Tausendfache übersteigen. Daher sind spezielle Zusatzmessungen nötig, um die Visibility der Objekte von dieser störenden Emission zu befreien. Dennoch bleiben unvermeidbare Unzulänglichkeiten der zahlreichen optischen Elemente in den Strahlengängen und die Wirkung der Turbulenzen in der Atmosphäre, die das Interferenzmuster verschmieren. Diese Störungen lassen sich korrigieren, indem man eine Referenzquelle beobachtet, von der man weiß, dass sie selbst bei der hohen interferometrischen Auflösung punktförmig erscheint.

Dies ist in der Tat ein erheblicher Aufwand, der insgesamt eine Stunde erfordern kann, und dies nur, um eine einzige Größeninformation über das zu untersuchende Objekt zu erhalten. Allerdings gibt es bei MIDI eine Zusatzfunktion, die den Informationsgehalt enorm steigert. Das Instrument verfügt über ein Prisma, in dem das Licht spektral zerlegt wird. Dadurch erhält man die Größeninformation gleichzeitig in 30 Wellenlängenbereichen um die zentrale Wellenlänge von 10 µm herum. Dies macht, wie die unten aufgeführten Beispiele zeigen, den besonderen Wert dieser interferometrischen Beobachtungen aus.

Zirkumstellare Scheiben um junge Sterne

Zirkumstellare Scheiben sind in den letzten Jahren in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, da in ihnen nach dem heutigen Kenntnisstand Planeten entstehen. Die meisten jungen Sterne geringer oder mittlerer Masse bis etwa zwei Sonnenmassen (T-Tauri-Sterne) sind von zirkumstellaren Scheiben aus Gas und Staub umgeben. Seit gut zehn Jahren werden sie intensiv untersucht, am MPI für Astronomie bilden sie einen Forschungsschwerpunkt.

Massereichere Sterne standen bislang in dieser Hinsicht nicht so sehr im Blickpunkt der Astronomen, obwohl es keinen Grund gibt, dass nicht auch viele dieser Sterne Scheiben besitzen können. In der Tat hat man bei einigen jungen Sternen vom Spektraltyp A und B (so genannten Herbig-Ae- und -Be-Sternen) intensive Emission im Infraroten oder im Millimeter-Wellenlängenbereich gefunden. Diese lässt sich auf zirkumstellaren Staub zurückführen, der ebenfalls in Form einer Scheibe angeordnet zu sein scheint.

Aus der Intensität der Strahlung bei verschiedenen Wellenlängen haben Theoretiker Modelle für solche Scheiben entwickelt. Die meisten gehen davon aus, dass die Millimeteremission von kalten Staubteilchen stammt, die sich in der Mittelebene der Scheibe angesammelt haben. Die darüber und darunter liegende »Haut« der Scheibe wird vom Zentralstern erwärmt, sodass dort die Partikel im mittleren Infrarot strahlen. Die Aufwärmung ist besonders wirksam, wenn sich die Scheibe mit wachsender Entfernung vom Stern immer stärker aufbläht (Fachausdruck: flaring disk).

Genauere Computersimulationen legen folgendes Szenario nahe: Der zentrale, heiße Ae- oder Be-Stern heizt seine unmittelbare Umgebung so stark auf, dass sich dort keine Staubteilchen aufhalten können, sie würden verdampfen. An die dadurch gebildete Lücke schließt sich die Staubscheibe an. Deren Innenrand wird besonders stark auf Temperaturen von 1200 K bis 1500 K aufgeheizt und bläht sich dadurch zu einem ringartigen Torus auf, der den dahinter liegenden Bereich bis in einigen Astronomischen Einheiten (AE) Entfernung vom Stern abschatten kann. Je nach Größe des Torus und Geometrie der Scheibe beeinflusst der Schatten den Temperaturverlauf und damit die Emission im mittleren Infraroten.

Direkt durch Beobachtungen bestätigen ließen sich diese geometrischen Vorgaben für die Scheiben allerdings bislang nicht. MIDI ist für diese Aufgabe indes ideal geeignet: Es erreicht die nötige räumliche Auslösung von einigen AE ( 1 AE = 149 Mio km) bei typischerweise 100 pc bis 300 pc (320 bis 1000 Lj) von uns entfernten Objekten.

Im Juni 2003 beobachteten Astronomen des Teams und anderer Institute am VLT-Interferometer sieben solcher Herbig-Ae/Be-Sterne, deren Alter drei bis sieben Millionen Jahre beträgt. Bei ihnen bestand auf Grund bereits zuvor im nahen und mittleren Infraroten erhaltener Spektren der Verdacht, dass sie von zirkumstellaren Scheiben umgeben sind. Einige von ihnen zeigen ausgeprägte Emission im Bereich von 10 µm, die von Silikatteilchen amorpher oder kristalliner Struktur stammen muss. In manchen fand man auch die typische Emissionen aromatischer polyzyklischer Kohlenwasserstoffe (PAHs), wie sie in der Umgebung heißerer Sterne häufiger vorkommen.

Die interferometrischen Beobachtungen mit MIDI wurden im dem oben beschriebenen spektroskopischen Modus mit geringer spektraler Auflösung betrieben. Hierfür kombinierten die Astronomen das Licht der beiden 102 m auseinander stehenden 8-m-Teleskope Antu (»Sonne«) und Melipal (»Kreuz des Südens«). Bei 10 µm Wellenlänge ergab dies eine maximale Auflösung von 0.01 bis 0.02''.

Da sich die untersuchten Sterne in einem Entfernungsbereich von 100 bis 250 pc befinden, ließen sich bei ihnen noch Strukturen bis herunter zu etwa 2 AE auflösen. Der oben beschriebene spektroskopische Modus ermöglichte es, etwa 30 Größenbestimmungen bei unterschiedlichen Wellenlängen vorzunehmen. Darüber hinaus wurden die Sterne auch bei 8.7 µm Wellenlänge mit einem Einzelteleskop direkt abgebildet. Das oben beschriebene interferometrische Messverfahren umfasst daneben auch die Aufnahme von Spektren über den Wellenlängenbereich um 10 µm.

Diese Spektren sind in Abbildung 3 im Vergleich zu älteren Daten gezeigt. Die gute Übereinstimmung dieser Messungen, die bei MIDI nicht primäres Ziel der Beobachtung sind, sondern mehr in dienender Funktion aufgenommen werden, ist ein erster Beleg für das einwandfreie Funktionieren des Instruments. Alle Spektren zeigen die besprochene Silikatemission, wie man es bei Scheiben erwartet, deren Oberfläche von Sternlicht erwärmt wird.

Das eigentliche Ergebnis besteht aber darin, dass die interferometrische Messung an allen Objekten erfolgreich war, dass also die Trennschärfe ausreichte, die Infrarotstrahlung dieser Objekte räumlich aufzulösen. Dies demonstrieren die gemessenen Visibilities im Bereich von 7.5 µm bis 13.5 µm Wellenlänge (Abb. 4). Typisch für alle Objekte ist, dass die Visibility-Kurven im Bereich der Silikatemission keine besonderen Merkmale aufweisen. Hierin spiegelt sich eine etwa gleichmäßige Verteilung der Emission der kleinen und großen Silikatteilchen in der Scheibe wider. Der generelle Abfall der gemessenen Visibility-Werte mit zunehmender Wellenlänge kommt dadurch zustande, dass bei größeren Wellenlängen die Emission kühlerer Teilchen stärker wird und damit größere, weiter außen liegende Bereiche erfasst werden.

Zum Vergleich wurden in die Abbildung auch die Vorhersagen aufgrund des Eingangs beschriebenen Modells eingetragen, wobei als zusätzlicher unbekannter Parameter die Neigung der Scheibe zum Sehstrahl zu berücksichtigen ist. Drei Fälle (Schrägaufsicht auf die Scheibe, Blick auf die Kante und unmittelbar auf die Scheibe) sind in 4 als Linien eingezeichnet.

Qualitativ stimmen Modelle und Beobachtungen der wellenlängenabhängigen Visibility (Abb. 4) überein: zwischen 8 µm und 9 µm Wellenlänge erfolgt ein steiler Abfall, gefolgt von einem Plateau bis zu 13 µm. Quantitativ zeigen sich hingegen Abweichungen von mehreren zehn Prozent. Im Allgemeinen lassen sich diese Unterschiede durch veränderte Scheibengrößen erklären. Bei HD 163296 beispielsweise ließe sich die Abweichung zwischen Modell und Beobachtung von bis zu 80 % durch eine etwa 15 % größere Scheibe ausgleichen. Es zeigt sich also eindeutig, dass erst die räumlichen Informationen, wie sie zurzeit nur die Interferometrie liefen kann, weitere Aufschlüsse über die tatsächliche Struktur der Scheiben ergeben.

Die aus den gemessenen Werten der Visibility berechneten Scheibenradien liegen im Bereich von 1 AE bis 10 AE. Diese Werte beziehen sich nur auf Staub, der im mittleren Infraroten strahlt. Es zeigte sich in diesen erschlossenen Größen ein interessanter Trend: je röter ein Stern ist (d.h., je stärker er bei Wellenlängen um 25 µm im Vergleich zum Wellenlängenbereich um 10 µm strahlt), desto größer ist die Scheibe, d.h., um so weiter ist die Emission im mittleren Infrarot ausgedehnt. Dieser Effekt ist eine erste direkte Bestätigung der geforderten Scheibengeometrie mit dickem Innenrand und sich aufblähendem Außenbereich. Dieses Modell hat bei näherer Betrachtung genau diese Beziehung als unverzichtbare Konsequenz.

Es lohnt sich, zwei Objekte genauer zu betrachten. Das Objekt HD 100546 ließ sich als einziges bereits auf Direktaufnahmen räumlich auflösen (Abb. 5). Die schräg liegende Scheibe zeigt in beiden Achsen Ausdehnungen von 0.28" und 0.18", entsprechend 29 und 19 AE bei einer Entfernung von 103 pc (310 Lj). Es ist auch das röteste der beobachteten Objekte. Die Untersuchung der für die interferometrische Messung aufgenommenen Spektren zeigt, dass hier der warme Staub bis mindestens 40 AE vom Stern etwa gleiche Eigenschaften hat, was nur zu verstehen ist, wenn schon in dieser frühen Phase das den Stern umgebende Scheibenmaterial bis weit hinaus gut durchmischt ist - ein wichtiger Hinweis für Theorien der Planetenentstehung.

Besonders interessant ist auch das Beispiel HD 144432 (Abb. 6). Hier demonstrieren zwei Spektren die Stärke der interferometrischen Messung. Im oberen Teil von Abbildung 6 ist das Spektrum des gesamten Objekts gezeigt. Erkennbar ist die typische Silikatemission bei 10 µm. Der hier gefundene spektrale Verlauf rührt von der Strahlung kleiner amorpher Teilchen her, wie man sie auch im interstellaren Raum findet. Der untere Teil von Abbildung 6 zeigt das entsprechende Spektrum für den »interferometrisch herausvergrößerten« etwa 2 AE großen inneren Teil der Scheibe. Der viel flachere Intensitätsverlauf zeigt hier das Überwiegen größerer, teilweise kristalliner Teilchen. Möglicherweise sehen wir hier den ersten Schritt des Wachstums von Staubteilchen, das in seiner Fortsetzung dann zur Bildung von Planetesimalen und letztlich von Planeten führen kann.

Das Herz der aktiven Galaxie NGC 1068

Aktive Galaxien unterscheiden sich von den normalen Galaxien, zu denen unser Milchstraßensystem gehört, durch die außergewöhnlich große Energieproduktion im zentralen Bereich. Die Astronomen denken, dass sie die Quelle dieses Energieausstoßes gefunden haben: Nach heutiger Auffassung befinden sich im Zentrum einer jeden aktiven Galaxie ein massereiches Schwarzes Loch, das von einer heißen Akkretionsscheibe umgeben ist. Einfall von Materie zunächst auf diese Scheibe und dann in das Schwarze Loch setzt die abgestrahlte Energie frei.

Die Akkretionsscheibe ist von einem dichten torusförmigen Gebilde aus Gas und Staub umgeben. Die gesamte Struktur ist nur einige zehn Lichtjahre groß - in der Entfernung der nächsten aktiven Galaxien entspricht diese Strecke einem Winkeldurchmesser von weniger als 0.05 Bogensekunden. So groß erscheint eine Münze in 40 Kilometern Entfernung - nicht einmal die Bildschärfe der neuen Großteleskope der 10-Meter-Klasse ist ausreichend, um so kleine Gebilde aufzulösen. Die Modellvorstellungen von dieser Struktur beruhen daher auf indirekten Hinweisen und sind entsprechend vage. Die torusförmigen Staubverteilungen könnten sehr dicht und kompakt sein oder auch sehr ausgedehnt und von geringer Dichte.

Um das zu entscheiden, ist es nötig, solche Tori räumlich aufzulösen. Dies gelang erstmals im Juni 2003 bei der aktiven Galaxie NGC 1068, die im historischen Katalog von Messier als M 77 aufgeführt ist (Abb. 7). Es ist dies gleichzeitig die erste interferometrische Beobachtung eines extragalaktischen Objekts in dem von der Wärmestrahlung des Staubs dominierten Bereich des mittleren Infraroten.

NGC 1068 ist mit 17 Mpc (55 Mio. Lj) Entfernung eine der uns am nächsten gelegenen aktiven Galaxien und ist daher sehr gut untersucht worden. Galaxien dieses Typs zeichnen sich durch rasche Helligkeitsschwankungen in ihrem kompakten Kernbereich aus. Solche Galaxienkerne strahlen kräftig im ultravioletten und infraroten Spektralbereich und sind zudem starke Röntgenquellen. Diese Röntgenstrahlung muss aus der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs im Zentrum von NGC 1068 kommen, dessen Masse man auf etwa hundert Millionen Sonnenmassen schätzt.

Im Fall von NGC 1068 ist der Torus so dick, dass er den Blick auf die innere Akkretionsscheibe verdeckt. Der Staub in dem Torus selbst wird von der heißen Scheibe auf Temperaturen zwischen 100 K und 1500 K (letzteres ist die Sublimationstemperatur von Staub) erwärmt und strahlt daher stark im Infraroten Wellenlängenbereich um 10 µm. Außerdem entsteht im Zentrum ein Jet, der sich mit Radiobeobachtungen bis sehr nahe an das Schwarze Loch heran zurückverfolgen lässt.

Die ersten interferometrischen Beobachtungen mit MIDI wurden im Juni durchgeführt, im Rahmen eines Programms der ESO, mit dem die wissenschaftlichen Möglichkeiten des Instruments öffentlich demonstriert werden sollten. Im November folgten weitere Beobachtungen. Auch hier wurde, wie schon bei den Herbig-Ae/Be-Sternen, der spektroskopische Modus eingesetzt und eine Direktaufnahme mit einem Einzelteleskop bei 8.7 µm erhalten (Abb. 8 Mitte). Das Interferometer arbeitete bei Basislängen von 42 und 78 Metern, die Auflösung betrug 0.026 bzw. 0.013 Bogensekunden. Die Beobachtung bei der größeren Basislänge erfolgte längs der Symmetrieachse des Objekts, wie sie durch den Radio-Jets markiert wird.

Diese auf die Symmetrie des Objekts abgestellte Messung erlaubt die Analyse der mit MIDI erhaltenen Spektren (Abb. 9) im Rahmen eines möglichst einfachen Modells. Man kommt mit nur zwei Staubkomponenten aus: Zum einen Emission von heißem, sehr kompakt verteiltem Staub bei einer Temperatur von 1000 K. Die Ausdehnung längs der Beobachtungslinie lässt sich zu 0.8 pc (3 Lj) festlegen, während die Breite nicht aufgelöst ist. Wahrscheinlich liegt sie zwischen 0.3 und 1 pc (1 bis 3 Lj). Die zweite, warme Komponente besitzt eine Temperatur von 320 K. Ihre Ausdehnung entlang beider Basislinien ergibt sich zu 2.5 pc x 4 pc (8 Lj x 13 Lj).

Die Spektren lassen einen wichtigen Schluss auf die räumliche Anordnung dieser beiden Staubkomponenten zu. Im vom warmen Staub beherrschten Gesamtspektrum (Abb. 9 oben) erscheint die Silikatabsorption weniger stark ausgeprägt als in dem interferometrisch herausvergrößerten Spektrum, das überwiegend Strahlung des heißen Staubes aus einem kleineren Bereich des Zentrums zeigt. Dies deutet darauf hin, dass die heiße Komponente in die warme eingebettet ist, sodass natürlicherweise das Licht von der heißen Komponente im inneren Bereich des umgebenden warmen Staubs eine zusätzliche Absorption erfährt.

Aufgrund dieser Beobachtungsdaten bevorzugen die Astronomen folgendes Modell: Die das zentrale Schwarze Loch umgebende Akkretionsscheibe ist von einem ringförmigen Torus mit mindestens 2 pc (6.5 Lj) Radius umgeben. Dieser Ring muss sehr dick sein: Das Verhältnis von Höhe zu Radius beträgt mindestens 0.6. Die Wand der schmalen inneren Öffnung dieses Torus wird von der zentralen Energiequelle aufgeheizt und bildet eine Art schlanker Düse. Der umgebende warme Staub lässt sich bis in 4 pc (13 Lj) Entfernung vom Zentrum verfolgen.

Diese Staubstruktur ist der starken Schwerkraft des zentralen Schwarzen Loches ausgesetzt und müsste sich deshalb innerhalb einiger hunderttausend Jahre zur flachen Scheibe in der Symmetrieebene des Galaxie umwandeln. Wenn man davon ausgeht, dass der Torus aber viel länger existiert, benötigt er eine kontinuierliche Energiezufuhr, die ihn gegen diese Wirkung der Schwerkraft stabilisiert. Auf welche Weise dies geschieht, ist bislang ungeklärt. So haben schon die ersten interferometrischen Beobachtungen des Kernbereichs einer aktiven Galaxie alte Fragen zur geometrischen Anordnung und zur Dynamik der Bewegungen beantwortet und neue aufgeworfen.

Von MIDI zu APRÈS-MIDI

Während die ersten Messungen ausgewertet und die Ergebnisse bei den wissenschaftlichen Fachzeitschriften eingereicht sind, gehen die Planungen weiter. Im Dezember 2003 fand in Heidelberg das konstituierende Treffen zur Erweiterung des Messbereichs von MIDI zu größeren Wellenlängen statt. In Zusammenarbeit mit niederländischen Instituten soll das Instrument bis gegen Ende 2005 so ausgebaut werden, dass interferometrische Messungen auch im Bereich von 17 µm bis 26 µm möglich sind.

Schließlich wurde mit den Planungen für das Projekt APRÈS-MIDI begonnen, das von den französischen Kollegen des MIDI-Teams in Nizza vorgeschlagen wurde, und dessen Name ein Wortspiel in ihrer Sprache beinhaltet. (APRÈS-MIDI bedeutet sowohl "nach MIDI " als auch "Nachmittag"). Im Rahmen dieses Projekts soll es ein zusätzlicher optischer Aufbau ermöglichen, bis zu vier Teleskope anstatt der zwei in der ursprünglichen Version des Instruments zu kombinieren. MIDI würde damit zu einem Instrument, das auch richtige Bilder liefert. Derzeit läuft eine gemeinsame Studie zur Untersuchung der technischen Machbarkeit und der wissenschaftlichen Möglichkeiten des vorgeschlagenen Konzeptes.

Auch die Weiterentwicklung des VLT-Interferometers wird sich günstig auf die zukünftigen Beobachtungen mit dem Instrument auswirken. Der demnächst in Betrieb gehende »Fringe Tracker« wird das durch die Unruhe der Atmosphäre bedingte Zittern und Wandern der Interferenzmuster ausschalten, so dass für schwache Quellen zahlreiche Messungen im Instrument »blind« aufintegriert werden können, ohne dass eine Verschmierung durch Bewegung der Interferenzmuster zu befürchten ist. Dies sollte die Empfindlichkeit des Instruments auf gut das Zwanzigfache steigern und so eine große Zahl neuer Möglichkeiten erschließen. Die Einführung der 1.8-m-Zusatztelekope, die ausschließlich für den Interferometerbetrieb gedacht sind, wird für die helleren Objekte wesentlich eingehendere Studien ermöglichen, als dies mit den anderweitig stark belegten 8-m-Teleskopen der Fall ist.

(Ch. Leinert, U. Graser, A. Böhm, O. Chesneau, B. Grimm, Th. Henning, T. M. Herbst, S. Hippler, R. Köhler, W. Laun, R. Lenzen, S. Ligori, R. J. Mathar, K. Meisenheimer, W. Morr, R. Mundt, U. Neumann, E. Pitz, I. Porro, F. Przygodda, Th. Ratzka, R.-R. Rohloff, N.Salm, P. Schuller, C. Storz, K. Wagner, K. Zimmermann. Beteiligte Institute: Niederlande: Sterrenkundig Instituut Anton Pannekoek, Amsterdam; Sterrewacht Leiden; ASTRON, Dwingeloo; Kapteyn Institut, Groningen; Frankreich: Observatoire de Meudon; Laboratoire d'Astrophysique, Observatoire de Grenoble; Observatoire de la Côte d'Azur, Nizza; USA: National Radio Astronomy Observatory, Charlottesville; Deutschland: Kiepenheuer-Institut für Sonnenforschung, Freiburg; Thüringer Landessternwarte Tautenburg; Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn; Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching; ESO, Garching, als Partner des Instrumentenkonsortiums)

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