Forschungsbericht 2004 - Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften

Die Rolle der Antwortmodalität beim Wechseln zwischen Aufgaben

Autoren
Philipp, Andrea M.; Koch, Iring
Abteilungen

Kognition und Handlung (Prof. Dr. Wolfgang Prinz)
MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften, AB Psychologie, München

Zusammenfassung
Die kognitive Psychologie untersucht die Leistung von Versuchspersonen bei verschiedenen Aufgaben. Allerdings gibt es keine allgemeine Übereinstimmung darüber, was unter einer Aufgabe zu verstehen ist. In vielen Experimenten wird die Anforderung, einen Reiz zu kategorisieren, mit dem Begriff „Aufgabe“ gleichgesetzt. Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften zeigt, dass die Art der Reaktion (zum Beispiel verbale oder manuelle Reaktionen), in der eine Antwort gegeben werden muss (Antwortmodalität), eine ebenso zentrale Rolle für die Definition einer Aufgabe spielt. Die Ergebnisse legen nahe, dass beim Wechseln zwischen Reizkategorisierungen und beim Wechseln zwischen Antwortmodalitäten die gleichen kognitiven Prozesse beteiligt sind.

Was ist eine Aufgabe?

Die kognitive Psychologie untersucht, welche Prozesse bei der Ausführung bestimmter Aufgaben, wie etwa dem Lesen eines Wortes (wie „blau“) oder dem Benennen der Farbe eines Reizes (wie „rot“) ablaufen. Relativ wenig beachtet wurde dabei bislang allerdings die Frage, was denn eigentlich eine „Aufgabe“ ist.

Tatsächlich stellt ja das ganze Leben eine Aufgabe, nämlich überleben, dar, die sich ihrerseits in zahlreiche Teilaufgaben (wie sozialen Erfolg haben oder einen Beruf ausüben) unterteilen lässt. Aufgaben dieser allgemeinen Art begleiten uns lebenslang, ohne dass wir sie zu einem definitiven Abschluss bringen. Andere Aufgaben beschränken sich dagegen auf einen eng umgrenzten, kürzeren Zeitraum von Tagen bis Wochen (zum Beispiel den nächsten Urlaub planen oder ein Experiment programmieren). Schließlich gibt es noch Aufgaben, die in Sekunden oder Bruchteilen von Sekunden abgeschlossen werden können (zum Beispiel das Licht einschalten oder ein Wort lesen). Aufgaben dieser zeitlichen Größenordnung sind traditionell für die Psychologie von besonderem Interesse, weil hier kognitive Prozesse in einem wohldefinierten zeitlichen Rahmen untersucht werden können.

In kognitionspsychologischen Experimenten werden zumeist Aufgaben verwendet, die jeweils in einem einzigen Schritt durch eine einzelne Handlung wie dem Aussprechen eines Wortes oder dem Drücken einer Reaktionstaste ausgeführt werden. Ein Beispiel für diese Art von Aufgaben sind so genannte Reizkategorisierungsaufgaben. Bei einer Reizkategorisierungsaufgabe wird einer Versuchsperson zum Beispiel ein visueller Reiz dargeboten, der entweder rot oder blau ist (rot und blau werden hier als „Reizkategorien“ bezeichnet). Im Experiment wird die Versuchsperson aufgefordert, entsprechend der Kategorie des Reizes eine rechte (für rote Reize) oder linke Reaktionstaste (für blaue Reize) zu drücken. Andere Aufgaben erfordern numerische Kategorisierungen. Hier muss die Versuchsperson zum Beispiel entscheiden, ob eine Ziffer gerade oder ungerade ist (Paritätsurteil) und für gerade Ziffern die rechte und für ungerade Ziffern die linke Reaktionstaste drücken.

Solche Reizkategorisierungen werden in kognitionspsychologischen Experimenten oft verwendet, da die Anforderung einer Reizkategorisierung als kognitive Aufgabe verstanden wird. Entsprechend wird in vielen Experimenten der Begriff „Aufgabe“ mit dem Begriff „Reizkategorisierung“ gleichgesetzt. Muss eine Versuchsperson in einem experimentellen Kontext zwischen zwei verschiedenen Reaktionskategorisierungen wechseln, bedeutet das entsprechend, dass sie zwischen zwei verschiedenen Aufgaben wechselt. Dabei stellt sich allerdings die Frage, was eigentlich eine Aufgabe definiert, wie weit man eine Aufgabe variieren kann, um immer noch von der gleichen Aufgabe sprechen zu können und ab welchem Grad an Veränderung man von zwei verschiedenen Aufgaben sprechen muss.

Eine Möglichkeit zur Untersuchung dieser Fragestellung bietet das Aufgabenwechsel-Paradigma [1]. Generell werden hier Situationen untersucht, in denen Versuchspersonen zwischen Aufgaben auswählen müssen. Wenn etwa das Wort „blau“ in roter Farbe gedruckt ist, muss zwischen der Aufgabe das Wort lesen und der Aufgabe die Farbe des Wortes benennen ausgewählt werden. In ähnlicher Weise kann eine Versuchsperson bei der Darbietung eine Ziffer zwischen einem Paritätsurteil (ist die Ziffer gerade oder ungerade) und einem Größenurteil (ist die Ziffer größer oder kleiner als fünf) wechseln.

Der Fokus im Aufgabenwechsel-Paradigma liegt auf der Abfolge der Aufgaben. Die Leistung der Versuchspersonen bei Aufgabenwiederholungen (zum Beispiel eine Paritätsaufgabe nach einer Paritätsaufgabe im vorhergehenden Durchgang) wird mit der Leistung bei Aufgabenwechseln verglichen (zum Beispiel eine Größenaufgabe nach einer Paritätsaufgabe). Der Basisbefund in diesem Paradigma ist eine schlechtere Leistung der Versuchsperson bei Aufgabenwechseln: es treten höhere Reaktionszeiten auf und es werden mehr Fehler gemacht als bei Aufgabenwiederholungen. Diesen Effekt bezeichnet man als Wechselkosten.

Wenn man davon ausgeht, dass Wechselkosten nur dann auftreten, wenn die Versuchsperson tatsächlich zwischen zwei Aufgaben wechselt (und nicht die gleichen Aufgaben mit leichten Veränderungen bearbeitet), ist das Auftreten von Wechselkosten ein Hinweis auf das Vorhandensein zweier unterschiedlicher Aufgaben. Bisherige Befunde in diesem Bereich beziehen sich zumeist auf Aufgaben mit unterschiedlichen Reizkategorisierungen. In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass ein Wechsel der Kategorisierungsregel mit erheblichem mentalem Aufwand verbunden ist, das heißt, es kommt zu Wechselkosten. Zwei unterschiedliche Kategorisierungsregeln können demnach tatsächlich als zwei unterschiedliche Aufgaben bezeichnet werden.

Die Bedeutung der Antwortmodalität

Im realen Leben müssen wir aber nicht nur zwischen verschiedenen Reizkategorisierungen wechseln (wie: Ist die Ampel rot oder grün? oder: Ist 65 km/h kleiner oder größer als die zugelassene Höchstgeschwindigkeit?), sondern auch zwischen verschiedenen Antwortmodalitäten. Verschiedene Antwortmodalitäten sind etwa verbale Reaktionen (wie sprechen), manuelle Reaktionen (wie einen Gang einlegen) oder Reaktionen mit den Füßen (wie kuppeln).

Die Bedeutung der Antwortmodalität wurde allerdings bisher sowohl empirisch als auch theoretisch stark vernachlässigt. Eine mögliche Ursache für diese Vernachlässigung könnte die Annahme sein, dass die rein motorische Ausführung einer Handlung (sobald einmal festgelegt wurde, welche Handlung ausgeführt werden soll) kein zentraler Bestandteil der Aufgabe ist. So konnte in der Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften zum Beispiel gezeigt werden, dass es keine Rolle spielt, ob die Parität einer Ziffer durch verbale (rechts oder links sagen) oder manuelle (rechte oder linke Tasten drücken) Antworten angezeigt wird. Allerdings konnte die Studie auch belegen, dass die Antwortmodalität in manchen Situationen durchaus eine Rolle spielt. Dies ist immer dann der Fall, wenn nicht alle Antworten in der gleichen Modalität abgegeben werden sollen, sondern Versuchspersonen zwischen verschiedenen Modalitäten wechseln müssen.

Wechsel zwischen Antwortmodalitäten

In einem ersten Experiment mit dem Aufgabenwechsel-Paradigma mussten Versuchspersonen eine Zahl immer als gerade oder ungerade kategorisieren. Gewechselt wurde jedoch die Antwortmodalität, das heißt, die rechte (für gerade Reize) beziehungsweise linke (für ungerade Reize) Reaktion wurde in einem Teil der Durchgänge durch das Drücken einer rechten oder linken Taste abgegeben (manuelle Antworten), in einem anderen Teil der Durchgänge durch das Aussprechen der Wörter „rechts“ oder „links“ (verbale Antworten). Die im aktuellen Durchgang geforderte Antwortmodalität wurde durch einen zusätzlichen visuellen Instruktionsreiz (Cue) vor der Darbietung des imperativen Reizes (hier der Ziffer) angezeigt (Abb. 1).

Die Ergebnisse zeigen, dass die Leistung von Versuchspersonen nach einem Wechsel der Antwortmodalität erheblich schlechter ist als bei einer Wiederholung der Antwortmodalität. Eine manuelle Antwort konnte schneller ausgeführt werden, wenn im vorhergehenden Durchgang ebenfalls eine manuelle und nicht eine verbale Antwort gegeben wurde. Das Wechseln zwischen Antwortmodalitäten führt also zu Wechselkosten. Damit liegt nahe, dass auch die Antwortmodalität eine zentrale Rolle für die Definition einer Aufgabe spielt und allein die Verwendung unterschiedlicher Antwortmodalitäten Aufgaben voneinander unterscheidet.

Vergleicht man Experimente, in denen Versuchspersonen zwischen zwei Reizkategorisierungen wechseln, mit dem gerade beschriebenen Experiment, zeigt sich ein vergleichbares Datenmuster. Eine mögliche Folgerung ist die Annahme, dass das Wechseln zwischen Reizkategorisierungen und das Wechseln zwischen Antwortmodalitäten funktionell ähnlich ist, dass also beiden die gleichen Prozesse zugrundeliegen. Um diese Annahme zu überprüfen, ist die Untersuchung der Prozesse, die dem Wechsel der Antwortmodalität zugrunde liegen, ein wichtiger nächster Schritt. Zwei relevante Prozesse sind in diesem Zusammenhang die Aktivierung der aktuell geforderten Antwortmodalität und die Hemmung von momentan irrelevanten Antwortmodalitäten. In Studien, die sich mit dem Wechsel zwischen Reizkategorisierungen beschäftigen, konnte gezeigt werden, dass neben der Aktivierung der relevanten Reizkategorisierung auch die Hemmung von aktuell irrelevanten Reizkategorisierungen eine wichtige Rolle spielt. Die Studie des Max-Planck-Instituts für kognitions- und Neurowissenschaften konnte erstmals diesen Hemmungsprozess auch für Antwortmodalitäten nachweisen.

Versuchspersonen wechselten in einer Serie von Experimenten zwischen drei Antwortmodalitäten (verbal, manuell und pedal, das heißt mit Fußtasten). Der Einfachheit halber werden diese Modalitäten hier mit den Buchstaben A, B und C dargestellt. Der kritische Vergleich, der Hemmungsprozesse auf der Ebene der Antwortmodalität anzeigt, bezieht sich auf den Leistungsunterschied in der Modalitätsabfolge ABA relativ zu CBA (Abb. 2) [2]. Dazu werden jeweils die Reaktionszeiten (RTs) im aktuellen Durchgang als Funktion der Aufgabe im vorletzten Durchgang gemessen. Im ABA-Fall kommt es hier zu einer Wiederholung der Antwortmodalität (manuell/verbal/manuell). Sollte eine Antwortmodalität gehemmt werden, wenn man zu einer anderen Modalität wechselt, dann müssten die RTs im ABA-Fall höher sein als im CBA-Fall, in dem die mögliche Hemmung bereits weiter zurückliegt und somit geringer sein sollte.

Die Ergebnisse der Studie zeigen tatsächlich signifikant höhere RTs für ABA-Sequenzen relativ zu CBA-Sequenzen (Abb. 3). Damit konnte eine Hemmung von Antwortmodalitäten nachgewiesen werden [3]. In Bezug auf das Auftreten eines Hemmungsprozesses beim Wechseln zwischen drei verschiedenen Aufgaben sind Antwortmodalitäten daher mit Reaktionskategorisierungen vergleichbar.

Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass die Modalität, in der eine Antwort abgegeben werden muss, eine zentrale Rolle bei der Ausführung einer Aufgabe spielt. Ebenso wie Reizkategorisierungen, die oft als der kognitive Anteil einer Aufgabe gesehen wurden, können also auch Antwortmodalitäten, die bisher weitgehend als rein motorischer Bestandteil eine Aufgabe bewertet wurden, zur Aufgabendefinition herangezogen werden. Die Annahme einer zentralen Rolle der Antwortmodalität steht aber scheinbar im Widerspruch zu klassischen Modellen der Informationsverarbeitung, in denen die einzelnen Stufen der Verarbeitung (wie Reizkategorisierung und Reaktionsausführung) völlig unabhängig voneinander sind und nacheinander ausgeführt werden. Daher wird es eine wichtige Aufgabe für die zukünftige Forschung sein, die genaue Bedeutung von Antwortmodalitäten als eine kritische Komponente kognitiver Aufgaben besser zu verstehen.

Originalveröffentlichungen

S. Monsell:
Task switching.
The Quarterly Journal of Experimental Psychology (im Erscheinen).
U. Mayr, S. Keele:
Changing internal constraints on action: The role of backward inhibition.
Trends in Cognitive Science, 7, 134–140 (2003).
A.M. Philipp, I. Koch:
Switching of response modalities.
Journal of Experimental Psychology: General 129, 4–26 (2000).
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