Forschungsbericht 2003 - Max-Planck-Institut für Chemie

APXS-Messungen enthüllen Spuren der wasserreichen Vergangenheit des Planeten Mars

Autoren
Zipfel, Jutta
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Zusammenfassung
Zwei NASA-Rover, "Spirit" und "Opportunity", erkunden derzeit erfolgreich die Marsoberfläche an ihren Landestellen Gusev-Krater und Meridiani Planum. Mit an Bord sind zwei Alpha-Röntgen-Spektrometer (APXS), die in direktem Kontakt zu Böden und Steinen deren chemische und mineralogische Zusammensetzung ermitteln. Der Chemismus der gemessenen Oberflächen zeugt eindeutig von einer wasserreichen Vergangenheit des Planeten Mars. Die vulkanischen Steine im Gusev-Krater sind von einer Kruste über- und von Adern durchzogen, die hohe Konzentrationen von Elementen wie Schwefel, Chlor und Brom haben, die typischerweise als gelöste Anionen im Wasser angereichert sind. Die alten Gesteine der Columbia Hills sind so stark in ihrem Chemismus verändert, dass ihre ursprüngliche Zusammensetzung nur schwer zu ermitteln ist. An der Landestelle Meridiani Planum finden sich Sedimentgesteine, die einen Gewichtsanteil von bis zu 40 Prozent an Sulfatsalzen haben. Sie wurden möglicherweise unter Bedingungen abgelagert, wie sie heute in den Wüstengebieten unserer Erde zu finden sind.

Im Januar 2004 landeten die zwei Rover "Spirit" und "Opportunity" der NASA-Mission "Mars Exploration Rover" erfolgreich auf der Marsoberfläche. Sie erkunden ihre Landeumgebungen mithilfe von Kameras und einem thermischen Emissionsspektrometer, aber auch vor allem mit Messinstrumenten, die in direktem Kontakt zu Böden und Steinen deren chemische und mineralogische Zusammensetzung ermitteln: So zum Beispiel auch zwei Alpha-Röntgen-Spektrometer (APXS), die in der Abteilung Kosmochemie des Max-Planck-Instituts für Chemie, unter Mitwirkung des Instituts für Anorganische Chemie und Analytische Chemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, entwickelt und gebaut wurden (Abb. 1). Nach der Landung auf dem Mars arbeiteten beide Instrumente hervorragend und lieferten Spektren von herausragender Qualität. Neben allen wichtigen gesteinsbildenden Elementen konnten erstmals Spurenelemente wie Nickel, Zink und Brom gemessen werden. Die für die hohe Empfindlichkeit und Energieauflösung verantwortlichen Silizium-Driftdetektoren der neuen Spektrometer haben das Halbleiterlabor der Max-Planck-Institute für Physik und für extraterrestrische Physik und die Fa. KETEK GmbH, München, entwickelt.

Zur Messung wird das APXS mittels eines beweglichen Instrumentenarmes an zuvor ausgewählten Stellen platziert. Die von einer radioaktiven Quelle (Curium-244) erzeugte Alpha- und Röntgenstrahlung trifft auf die Messstelle und tritt in Wechselwirkung mit den vorliegenden Atomen. Diese emittieren ihrerseits Röntgenstrahlung, die dann im Detektor registriert wird. Das auf diese Weise gewonnene Röntgenspektrum zeigt Linien, die für die Elemente in der Probe charakteristisch sind: gewissermaßen einen atomaren Fingerabdruck (Abb. 2). Dadurch kann die chemische Zusammensetzung eines Probenbereichs mit einem Durchmesser von maximal drei Zentimeter bestimmt werden.

Die Landestellen der beiden Rover, Gusev-Krater und Meridiani Planum, liegen nahe der Äquatorebene auf entgegengesetzten Seiten des Planeten Mars. Die Auswahl dieser Stellen geschah aus Gründen der Sicherheit - flache und kraterarme Gebiete - sowie getreu dem Motto der Mission: "Die Suche nach Spuren von Wasser, das in der Vergangenheit auf der Marsoberfläche floss." Der südliche Rand des Gusev-Kraters (Durchmesser: 150 km) wird vom Ma’adim Vallis durchschnitten, einem der größten Täler des Mars, durch das möglicherweise Wasser in den Krater geflossen sein könnte. Meridiani Planum ist eine flache Ebene, die mit Hämatit bedeckt ist, einem Mineral, das sich oft - wenn auch nicht ausschließlich - in Gegenwart von Wasser bildet.

Landestelle Gusev-Krater

Nach der Landung von "Spirit" im Gusev-Krater zeigten schon die ersten Bilder ein wüstenähnliches Gebiet (Abb. 3). Messungen der chemischen Zusammensetzung des Bodens mit dem APXS ergaben die für den Mars charakteristischen hohen Schwefel- und Chlor-Konzentrationen sowie Gehalte an Haupt- und Nebenelementen, die stark den Ergebnissen früherer Mars-Missionen (Pathfinder, Viking) ähneln (Abb. 2). Dies bestätigt, dass - zumindest in Äquatornähe - die häufigen Sandstürme von gewaltigem Ausmaß das feinkörnige Bodenmaterial global durchmischen und verteilen. Außerdem befinden sich auf der Krateroberfläche zahlreiche Steine und Gesteinsbruchstücke. Diese sind mit einer Staubschicht und einer Verwitterungskruste bedeckt. Die oberen Schichten wurden bei dreien dieser Steine (Adirondack, Humphrey und Mazatzal) durch Abbürsten und Abschleifen mit einem Gesteinsschleifer entfernt, und nach jedem Reinigungsschritt wurde die jeweils neu exponierte Oberfläche mit dem APXS analysiert. Jedoch selbst nach dem letzten Schleifen zeigten die "frischen" Oberflächen Alterationsadern und Alterationszonen. Hohe Brom-Gehalte (bis zu 170 ppm) in diesen Bereichen könnte auf Oberflächenalteration in einer früher wässrigen Umgebung im Gusev-Krater hindeuten. Das Innere dieser Steine ähnelt in seiner Zusammensetzung primitiven Basalten mit niedrigem Siliziumdioxid- und hohem Magnesiumoxid-Gehalt. Niedrige Konzentrationen an inkompatiblen Elementen (z.B. Kalium, Titan) und Phosphor weisen darauf hin, dass sich diese Basalte durch einen hohen Grad der partiellen Aufschmelzung gebildet hatten.

Nach über 6 Monaten und mehr als 3 km Fahrt erreichte "Spirit" im Juli 2004 die Hügel der Columbia Hills (Abb. 3). Bis dahin hatte das raue, steinige Gelände im Gusev-Krater dem Rover doch einiges abverlangt. Vor allem die Schmierung des rechten Vorderrads macht Probleme und erschwert, das Rad mit gewohnter Leichtigkeit zu bewegen. Viel mehr Energie muss jetzt aufgebracht werden, um das Rad in Bewegung zu halten - ein besonders unglücklicher Zeitpunkt, da nun die Hügel der Columbia Hills erklommen werden. Die Techniker sannen auf einen Ausweg. Der Rover fährt nun meistens rückwärts und schleift das eingeschränkt funktionstüchtige Vorderrad mit. Nur wenn es unbedingt erforderlich ist, wird es noch eingesetzt. Weitere Probleme stellen die mittlerweile stark gesunkenen Tagestemperaturen dar, da der Winter in der südlichen Hemisphäre Einzug hielt. War es zu Beginn der Mission gegen 14:00 Uhr Ortszeit nur etwa 0 °C kalt, liegen nun die Temperaturen immer unterhalb von -30 °C. Die Tage sind kurz und die Solarpanelen müssen ideal nach Norden (zur Sonne hin) ausgerichtet werden, um sie effektiv aufzuladen.

Wissenschaftlich hat sich die Expedition zu den Columbia Hills allerdings gelohnt. Endlich treten die Gesteine im Verbund auf und können von den In-situ-Messinstrumenten an ihrem ursprünglichen Ablagerungsort untersucht werden. Wie in Meridiani Planum (siehe unten) muss auch hier in Gusev Wasser über einen längeren Zeitraum vorhanden gewesen sein und hat vor allem in den alten Gesteinen der Columbia Hills seine Spuren hinterlassen. Hier treten Schwefel, Chlor und Brom in besonders hohen Konzentrationen auf. Selbst nachdem eine mehr als 8 mm tiefe Schicht von der Gesteinsoberfläche abgetragen wurde, sind diese Elemente im Innern der Steine noch deutlich erhöht. Die Alterationszone reicht also tief in die Gesteine hinein und hat sie in ihrer chemischen Zusammensetzung stark verändert. Unklar ist noch, ob es sich dabei ursprünglich um vulkanische oder vulkanoklastische Gesteine handelte. Denkbar wäre auch ein sedimentärer Ursprung. Die kommenden Monate sind Untersuchungen gewidmet, die Aufschluss auf diese Fragen und die Prozesse der wässrigen Verwitterung liefern sollen.

Landestelle Meridiani Planum

In Meridiani Planum landete der Rover "Opportunity" in einem kleinen Krater, Eagle genannt, wo glücklicherweise helle Schichtformationen, also Sedimentgesteine, aufgeschlossen sind. APXS-Messungen ergaben, dass diese Steine einen extrem hohen Schwefeltrioxid-Gehalt haben (bis zu 25 Gewichtsprozent). Der Hauptbestandteil sind Sulfate, wahrscheinlich größtenteils Magnesiumsulfat. Typisch für diese Steine ist weiterhin ein sehr kleines Chlor/Brom-Verhältnis von unter 50. Nur Prozesse, bei denen Wasser eine Rolle spielt, können für dieses niedrige Verhältnis verantwortlich sein. Während des Verdampfens von Wasser können sich Sulfatablagerungen bilden, und eine Fraktionierung des Chlor/Brom-Verhältnisses ist möglich. Die chemische Zusammensetzung der Steine im Eagle-Krater gibt also einen direkten Hinweis darauf, dass früher an der Oberfläche des Mars Wasser vorhanden war.

Nicht weit vom Kraterrand von Eagle entfernt liegt ein einzelner Stein, Bounce Rock genannt, auf der Oberfläche der Ebene. Bounce Rock hat die chemische Zusammensetzung stärker differenzierter Basalte und einen Gehalt an charakteristischen Elementen, der typisch für so genannte Marsmeteorite ist: ein hoher Phosphor-Gehalt, 0,2 Gewichtsprozent Schwefel und ein Eisen/Mangan-Verhältnis von 36,2. Allgemein liegen die Elementkonzentrationen sehr gut im Bereich der basaltischen Shergottite (einer Untergruppe der Marsmeteorite). Eine Ausnahme bilden deren höhere Eisenoxid-Gehalte und niedrigere Gehalte an Kalziumoxid und Brom.

Auf Merdiani Planum hat der Rover "Opportunity" bereits im Mai den Endurance-Krater erreicht. Dieser Krater hat einen Durchmesser von ca. 130 m und ist mit etwas mehr als 20 m Tiefe etwa zehnmal so tief wie der Eagle-Krater. Nach langer Diskussion hat man sich entschlossen in den Krater zu fahren, um die dort aufgeschlossenen Gesteinschichten zu untersuchen. Ähnlich wie bereits im Eagle-Krater handelt es sich um helle, geschichtete Ablagerungen. Anhand ihrer Färbung können einzelne Gesteinspakete voneinander unterschieden werden. Es wurde der Plan gefasst, auf dem Weg nach unten pro Lage mit dem Gesteinsschleifer einen Teil der Oberfläche abzutragen, um die Gesteinsabfolge systematisch mit Hilfe der in-situ Messinstrumente, einer Mikroskopkamera, dem APXS-Messinstrument und dem Mößbauerspektrometer, zu untersuchen (Abb. 4). Die chemischen Daten der APXS-Messungen ergaben ein sehr interessantes Bild. Je tiefer der Rover sich in den Krater vorarbeitete, umso stärker nahmen die Gehalte an Schwefel und Magnesium ab und die Gehalte an Silizium, Aluminium und weiteren Elementen zu. Das bedeutet, dass mit zunehmender Tiefe das Verhältnis von Silikaten (Siliziumverbindungen) zu Sulfaten (vorwiegend Magnesiumsulfat) zunimmt. Gleichzeitig sind aber die Chlorkonzentrationen, die nach den oberen zwei Metern sprunghaft anstiegen, konstant hoch geblieben. Da kein Kation ein ähnliches Verhalten zeigt wie das Chlor, ist es bis zu diesem Zeitpunkt fraglich, in welcher Verbindung Chlor vorliegt. Eine mögliche Verbindung wäre Natriumchlorid, das so genannte Kochsalz.

Die texturellen Untersuchungen der Gesteine weisen aufgrund der beobachteten Schrägschichtungselemente darauf hin, dass der obere Teil in seichtem, langsam eintrocknendem Wasser abgelagert wurde und daher sehr reich an Evaporaten (hier Sulfaten) ist. In den tiefer gelegenen Gesteinschichten sind Schrägschichtungen erkennbar, die auf ein äolisches Ablagerungsmilieu hindeuten. Der erhöhte silikatische Anteil in diesen Schichten passt zu diesem Modell. Vergleichbare Ablagerungsbedingungen findet man auf der Erde in den Sebkhas und Playas der Wüsten, die nur ab und zu von Wasser bedeckt sind. Andere Modelle sind aber auch denkbar, z.B. die Ablagerung der Sedimente in einem flachen, ausgedehnten See mit zeitweise unterschiedlich starkem Eintrag von Sand und Staub durch Stürme.

Unabhängig von den gewählten Modellen ist inzwischen jedoch eines klar: Auf dem Mars gab es eine Periode, in der Wasser auf der Oberfläche vorhanden war, das langsam verdampfte und zur Bildung von Evaporaten führte. Die APXS-Messungen lieferten die entscheidenden Daten, die es erlaubten, die wasserreiche Vergangenheit des Planeten Mars nachzuzeichnen. Daneben lässt die Entdeckung eines Steines, der in seiner Zusammensetzung auffallend stark den "Marsmeteoriten" gleicht, kaum Zweifel offen, dass diese tatsächlich vom Mars stammen.

Maßgeblich beteiligt am Erfolg des APXS-Instruments und diesen Untersuchungen sind der Instrumentenbauer und Projektleiter R. Rieder und seine Mitarbeiter J. Brückner und R. Gellert, wissenschaftlich unterstützt von G. Dreibus, G. W. Lugmair, H. Wänke und J. Zipfel sowie dem Athena Science Team.

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