Forschungsbericht 2003 - Max-Planck-Institut für Biogeochemie

Dynamische Modellierung der marinen Biogeochemie

Dynamic Green Ocean Modelling

Autoren
Le Quéré, Corinne
Abteilungen
Zusammenfassung
Neuere Modelle des globalen marinen Kohlenstoffkreislaufs beinhalten Darstellungen von Ökosystem-Prozessen, die als grundlegend für ein besseres Verständnis von Kohlenstoffquellen und -senken gelten. Jedoch sind diese Modelle noch unvollständig in Bezug auf viele biogeochemische und biogeophysikalische Prozesse. Das Projekt "Dynamic Green Ocean" vereint Physiker, Chemiker, Biologen und Paläo-Ozeanographen in dem Bemühen, neue umfassendere Modelle des ozeanischen Ökosystems zu entwickeln und die Erkenntnisse über die Regulationsmechanismen dieses komplexen Lebensraumes über weite Zeiträume der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu erweitern. Fortschritte in der observierenden und der experimentellen Biogeochemie sowie eine verbesserte Charakterisierung marinen Phytoplanktons nach funktionellen Typen (PFTs) werden mit Meeresströmungen und externer Nährstoffzufuhr in Zusammenhang gebracht.
Summary
The most recent global models of ocean carbon cycling include representations of ecosystem processes, which are now seen as vital to a better understanding of basin-scale sources and sinks of CO2. Yet these representations are currently basic and many potential biogeochemical and biogeophysical feedbacks have not been incorporated. The Dynamic Green Ocean Project brings together physical-, chemical-, biological- and paleo-oceanographers with a common interest in modelling and its applications to Earth system problems, to develop a new, more comprehensive model of ocean ecosystem functionning in the past, present and future. Advances in observational and experimental ocean biogeochemistry as well as characterization of marine phytoplancton functional types (PFTs) are integrated into the broader context of ocean circulation and external nutrient supplies.

Die Chemie der Ozeane

Die Ozeane unserer Erde stellen ein immenses Reservoir chemischer Substanzen dar. Sie stehen in einem sensiblen globalen Gleichgewicht, welches vom Austausch mit der Atmosphäre, vom Eintrag über die Flüsse und von den Ablagerungen in den Sedimenten des Meeresbodens beeinflusst wird. Die Verteilung der chemischen Inhaltsstoffe im Ozean hängt zum einen von der physikalischen Durchmischung als Folge von Strömungen und Turbulenzen ab. Zum anderen spielen chemische Reaktionen, die durch die marinen Lebewesen in Gang gesetzt werden, eine wichtige Rolle.

Die Aufnahmekapazität des Meerwassers für Kohlenstoff

Im Zusammenhang mit dem Emissionsanstieg resultierend aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe ist die Frage nach der Menge an Kohlenstoff, die durch die Ozeane aufgenommen werden kann, von großer Bedeutung. Da das Meerwasser in der Lage ist, im Verhältnis 50-mal mehr Kohlenstoff zu speichern als die Atmosphäre, spricht man von einer Kohlenstoffsenke. Der Grund liegt in der guten Löslichkeit von Kohlendioxid (CO2) in Wasser. CO2 findet sich gelöst in Wasser in 3 Formen, die untereinander im reaktionschemischen Gleichgewicht stehen: gelöstes CO2 (<1%), Carbonat CO32- (8%) und Hydrogencarbonat HCO3- (91%). Die Aufnahmekapazität des Meerwassers für Kohlendioxid nimmt jedoch mit der Erhöhung der atmosphärischen CO2-Konzentration ab. Mit der Zunahme an gelöstem CO2 in den oberen Ozeanschichten als Folge des Austausches mit der Luft bildet sich vermehrt Hydrogencarbonat unter Verbrauch von Carbonat. Mit der sinkenden Carbonatkonzentration steht weniger CO32- zur Reaktion mit gelöstem CO2 zur Verfügung. Daraus resultiert letztendlich eine verminderte Aufnahmefähigkeit des Ozeans für das aus Verbrennungsprozessen zusätzlich freigesetzte Kohlendioxid. Die wichtigsten Faktoren, die die CO2-Aufnahme regulieren, sind die Temperatur, die Wasserzirkulation und die biologische Produktion. Je kälter die Wasseroberfläche ist, desto mehr Kohlendioxid kann in Lösung gehen, wogegen eine Erwärmung zur CO2-Abgabe führt.

Meeresströmungen und Temperaturerhöhung

Für den Transport des gebundenen Kohlenstoffs in horizontaler und vertikaler Richtung innerhalb der Ozeane sorgen die Meeresströmungen. Verschiedene komplexe Ozeanmodelle zeigen, dass die globale Erwärmung der Durchmischung zwischen der Meeresoberfläche und tieferen Wasserschichten entgegenwirkt. Die verringerte Vermischung der Wasserschichten vermindert höchstwahrscheinlich die Fähigkeit des Meeres, CO2 aus der Atmosphäre in das Innere des Ozeans zu transportieren. Das Ausmaß der Auswirkungen veränderter Wasserzirkulation auf komplexe biologische Regelkreise ist noch ungewiss.

Die "Biologische Pumpe"

Die Biomasse der lebenden Organismen im Ozean ist grob geschätzt 1000-mal geringer als die des Terrestrischen Ökosystems. Sie besteht hauptsächlich aus Phytoplankton (pflanzliche Mikroorganismen) und Zooplankton (tierische Mikroorganismen). Pflanzliche Mikroorganismen können nur in den oberen Wasserschichten leben, da sie auf das Licht zur Energiegewinnung über die Photosynthese angewiesen sind. Diese Organismen verwenden unter anderem Nitrate, in Wasser gelöste Phosphate und Kohlendioxid, um organisches Material herzustellen. Viele Phytoplankton- und Zooplanktonarten bilden mineralische Stütz- oder Schutzkonstruktionen aus Silikaten oder Carbonaten. Ihr Lebenszyklus beträgt im Durchschnitt nur eine Woche. Trotz der geringen Biomasse produziert marines Plankton jährlich dieselbe Menge an organischem Material wie die terrestrischen Organismen. Nach dem Absterben dieser Lebewesen sinkt das organische und mineralische Material auf den Meeresboden, wo es allmählich durch die Aktivität von Bakterien zersetzt wird oder sich in Sedimenten ablagert.
Diese Prozesse von Aufnahme an der Meeresoberfläche und Remineralisierung in tiefen Wasserschichten des Ozeans führen zu einer Verringerung der Konzentration vieler chemischer Substanzen im Oberflächenwasser (bis zu 1000 Meter) bei gleichzeitiger Anreicherung in der Tiefe. Die große Ausnahme davon ist der Sauerstoff, welcher an der Oberfläche gebildet und freigesetzt wird und bei Oxidationsprozessen in tieferen Schichten verbraucht wird. Diese schnelle Umsatzzeit macht Meeresplankton einerseits besonders anfällig für klimatische Schwankungen und Klimaveränderungen, andererseits spielt es auch selbst eine wichtige Rolle im Klimasystem der Erde. Erstens haben Planktonorganismen einen direkten Einfluss auf die Eindringtiefe von Licht in den Ozean. Zweitens produzieren sie eine Schwefelkomponente, welche, einmal in die Atmosphäre abgegeben, die Wolkenformation und die Strahlungsaktivität der Atmosphäre verändert. Drittens ziehen Planktongewebe und tote Biomasse beim Absinken in den tiefen Ozean Kohlenstoff und andere Elemente mit sich - diesen Prozess bezeichnet man als Exportproduktion oder biologische Pumpe -, wodurch globale biogeochemische Kreisläufe beeinflusst werden:
Da letztendlich die Menge an Kohlenstoff an der Ozeanoberfläche die Konzentration an Kohlendioxid in der Atmosphäre kontrolliert, wird angenommen, dass Änderungen in der Stärke der biologischen Pumpe der Ozeane über längere Zeiträume einen der wichtigsten Kontrollmechanismen der atmosphärischen Kohlendioxid-Konzentration darstellt. Der Einfluss des marinen Planktons auf den Kohlenstoffkreislauf ist dabei so groß, dass, wenn er völlig gestoppt würde, die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre um 200 ppm steigen würde [1].
Der Stopp der marinen Exportproduktion ist sehr unwahrscheinlich. Dennoch könnte auch nur eine teilweise Veränderung der Amplitude oder der mineralischen Zusammensetzung der Exportproduktion das atmosphärische CO2 beträchtlich beeinflussen. Noch wissen wir nicht alles über die Prozesse, die die Exportproduktion kontrollieren. Bei den biogeochemischen Modellierungen der Vorgänge im Ozean (OBMs) wurden bislang nur Modelle verwendet, die einfache Berechnungen und Simulationen dieser wichtigen Prozesse zugrunde legen. Um den Bedarf für die Verbesserung der OBMs darzustellen, zeigt Abbildung 1 die jährlichen Schwankungen der Oberflächenbiomasse, welche mithilfe des SeaWiFS-Satelliten beobachtet und anhand dreier Modelle mit steigender Komplexität modelliert wurden. Keines der OBMs konnte die räumliche Verteilung der beobachteten Biomasseschwankungen reproduzieren. Alle Modelle unterschätzten die Schwankungen in den nördlichen Breitengraden und überschätzten sie in den Subtropen. Das komplexeste Modell verhielt sich am äquatorialen Pazifik, wo die Biomasse durch eine kontinuierliche vertikale Versorgung mit Wasser aufrechterhalten wird, anders als die beiden anderen. Dennoch überschätzte auch dieses Modell noch die Schwankungen am äquatorialen Pazifik im Vergleich zu den tatsächlichen Beobachtungen. Des Weiteren kann gegenwärtig mit keiner der OBMs der 80-100 ppm Rückgang der atmosphärischen CO2-Konzentration, welcher während des letzten glazialen Maximums auftrat, reproduziert werden, obwohl dieser Rückgang aufgrund der entsprechenden Zeitskala durch einen ozeanischen Prozess verursacht worden sein muss.

Das Projekt "Dynamic Green Ocean"

Das Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena leitet einen internationalen Ansatz zur Entwicklung eines neuen, umfassenderen Modells für den ozeanischen Bereich des Erdsystems, mit dem Ziel, das Verständnis für das Funktionieren der globalen Ozeane in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu verbessern. Das Dynamic-Green-Ocean-Projekt führt Physiker, Chemiker und Biologen sowie Paläo-Ozeanographen zusammen, die alle ein gemeinsames Interesse an der Modellierung und ihrer Anwendung für Erdsystemprobleme haben.
Neueste Arbeiten haben die Bedeutung der marinen Biogeochemie zur exakten Darstellung der verschiedenen funktionellen Typen des Planktons (Plancton Functional Types - PFTs) hervorgehoben. Eine Liste von 10 PFTs, klassifiziert nach Größe, Dichte und Morphologie, wurde aufgestellt, welche idealerweise in ein OBM integriert sein sollte: (1) Bakterien spielen eine Schlüsselrolle in der Remineralisierung von organischem Material, (2) Piko-Phytoplankton stellt eine wichtige Komponente des mikrobiellen Kreislaufs dar, (3) die N2-Fixierer unter den marinen Algen können Stickstoff aus der Atmosphäre nutzen und somit das gesamte Ozeaninventar von reaktivem Stickstoff kontrollieren, (4) Kalkschalenbildendes Phytoplankton nimmt aus dem Wasser gelösten anorganischen Kohlenstoff auf und speichert ihn als Kalziumkarbonat (CaCO3) in seinen Schalen. Damit wird der atmosphärische CO2-Gehalt auf tausendjähriger Zeitskala beeinflusst, (5) Dimethylsulfoniopropionat (DMSP) produzierendes Phytoplankton wandelt dieses DMSP in Dimethylsulfid (DMS) durch Nutzung eines extrazellulären Enzyms um, (6) Nano-Phytoplankton repräsentiert die mittlere Größenkomponente des Phytoplanktons, für die keine ausgeprägte und separate Rolle definiert ist, (7) Phytoplankton, welches feste Schalen aus Silikaten bildet und damit dichtes, sinkendes Material produziert, (8) Mikro-Zooplankton dämmt das Blühen von kleinem Phytoplankton ein, (9) Meso-Zooplankton produziert große und schnell sinkende Exkrement-Granulate, und (10) Makro-Zooplankton weidet sich an einem großen Spektrum von anderen Planktonorganismen.
Die zunehmende Komplexität in der Zusammensetzung des Ökosystems läuft parallel mit Bemühungen, die Modellergebnisse zu evaluieren und relevante Datenbanken zusammen zu stellen. Im Dynamic-Green-Ocean-Projekt wurde eine Strategie zur Modellevaluierung entwickelt, in welcher das Modell zu gleicher Zeit sowohl mit aktuellen Satellitendaten (Abb. 1) als auch mit den Beobachtungen des großen Klimawechsels während des letzten glazialen Maximums (LGM; Abb. 2) verglichen wird.

Die Schwierigkeiten, die Schwankungen in der Oberflächenbiomasse mit den aktuellen Modellen zu reproduzieren, wurden bereits erwähnt. Andererseits werden Schwankungen in der Exportproduktion zwischen Ozeanbedingungen heute und dem letzten glazialen Maximum grob reproduziert. Soweit die Beobachtungen die Modellergebnisse eingrenzen können, lässt sich sagen, dass das Modell die Effekte erster Ordnung durch erweiterten Export in den mittleren Breitengraden des südlichen Ozeans und reduzierten Export in den nördlichen Breitengraden wiedergibt. Jedoch sind die modellierten Muster nicht so scharf wie die Beobachtungen, und die größten Änderungen, welche im äquatorialen Pazifik modelliert werden, lassen sich nicht durch Messdaten belegen. Die modellierten Veränderungen in der Exportproduktion (siehe Abb. 2) wurden durch die stärkeren Depositionen von Staub (welcher Eisen, ein limitierender Nährstoff im Ozean, enthält) und durch Veränderungen der Temperatur, Strömungen und Eisdecke hervorgerufen.
Die Bemühungen, die Umweltbedingungen zu verstehen und qualitativ zu erfassen, die sowohl das Wachstum und das Aussterben der PFTs als auch das Schicksal von organischem Material im Ozean kontrollieren, gehen weiter. Wir können den modellierten Schätzungen der Zusammenhänge zwischen Klima und globalen biogeochemischen Zyklen für die kommenden Jahrzehnte nur vertrauen, wenn wir zeigen können, dass OBMs die beobachteten Schwankungen des marinen Ökosystems für jetzt und in der Vergangenheit richtig wiedergeben.

Projektkoordination

Dieses Projekt wird koordiniert von C. Le Quéré und I. C. Prentice. Die Teilnehmerliste umfasst folgende Namen: O. Aumont, L. Bopp, E.T. Buitenhuis, H. Claustre, L. Cotrim da Cunha, R. Geider, X. Giraud, C. Klaas, K. E. Kohfeld, S.P. Harrison, L. Legendre, M. Manizza, T. Platt, R. B. Rivkin, S. Sathyendranath, J. Uitz, A. J. Watson and D. Wolf-Gladrow. Mehr Informationen zu diesem Projekt können Sie unter folgendem Weblink erfahren: http://www.bgc-jena.mpg.de/bgc_synthesis/projects/green_ocean/index.shtml

Literatur

[1] E. Maier-Reimer, U. Mikolajewicz, A. Winguth: Future ocean uptake of CO2: Interaction between ocean circulation and biology. Climate Dynamics 12 , 711-721 (1996).

[2] O. Aumont, S. Belviso, P. Monfray: Dimethylsulfoniopropionate (DMSP) and dimethylsulfide (DMS) sea surface distributions simulated from a global three-dimensional ocean carbon cycle model. Journal of Geophysical Research 107 (C4), doi: 10.1029/1999JC000111 (2002).

[3] O. Aumont, E. Maier-Reimer, S. Blain, P. Pondaven: An ecosystem model of the global ocean including Fe, Si, P co-limitations. Global Biogeochemical Cycles 17, doi: 10.1029/2001GB001745 (2003).

[4] L. Bopp, K. E. Kohfeld, C. Le Quéré, O. Aumont: Dust impact on marine biota and atmospheric CO2 during glacial periods. Paleoceanography 18, doi: 10.1029/2002PA000810 (2003).

[5] I. C. Prentice, C. Le Quéré, E. T. Buitenhuis, J. I. House, C. Klaas, W. Knorr: Biosphere dynamics: questions for Earth system modelling. In: The State of the Planet: Frontiers and Challenges. (Eds.) C. Hawkesworth, R. Sparks. AGU Monograph (2004).

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