Kohle, Kunststoff, Katalyse

Das Max-Planck-Institut für Kohlenforschung feierte am 24. August sein 100-jähriges Bestehen mit einem Festakt

25. August 2014

Gut 400 Gäste aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft waren beim Festakt in der Mülheimer Stadthalle versammelt. Dabei stellte Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, die „stolze Vergangenheit“ des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung „mit seinen vielfältigen Forschungsfragen und hervorragenden Wissenschaftlern“ heraus. „Ich bin mir sicher: Es hat zudem eine glänzende Zukunft vor sich.“ Man werde seine Arbeit auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten unbedingt brauchen. „Ich bin überzeugt, wir werden noch viel und viel Gutes von ihm hören“, betonte Kraft.

Text: Sarah-Lena Gombert

Kohle, Kunststoff, Katalyse – dies sind die Schlagworte, mit denen sich die 100-jährige Institutsgeschichte knapp fassen lässt. 1914 als viertes Institut der noch jungen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft gegründet, wollten die Forscher in Mülheim a.d.R. anfangs die Kohle des Ruhrgebiets besser nutzbar machen. Später brachte das Institut, bereits als MPI für Kohlenforschung, mit Karl Ziegler den bisher einzigen Nobelpreisträger Mülheims hervor. Er hat in Bezug auf Kunststoff neue Maßstäbe gesetzt. Heute verbindet die Wissenschaftler um das fünfköpfige Direktorium vor allem eines: die Katalyse, ein Vorgang, der chemische Reaktionen beschleunigt und als Wirkprinzip heute 90 Prozent aller Prozesse in der Chemieindustrie antreibt.

„Wenn ich unsere Institutsgeschichte so betrachte, frage ich mich manchmal, ob es nicht sogar viel eher die Grundlagenforschung, als die angewandte Forschung ist, die immer wieder zu extrem innovativen und wichtigen Anwendungen führt“, betonte nun Benjamin List, geschäftsführender Direktor des Instituts, während seiner Ansprache beim Festakt. Schließlich seien die meisten großen chemischen Entdeckungen der letzten hundert Jahre, die zu Anwendungen führten, aus der Grundlagenforschung gekommen, so der Forscher. Zu den weiteren Rednern gehörten Max-Planck-Präsident Martin Stratmann und Klaus Engel, Vorsitzender des Vorstands von Evonik Industries.

Symposium mit Gästen aus aller Welt

Im Anschluss lockten hochkarätige Wissenschaftler aus aller Welt wissenschaftlich interessierte Gäste zu einem Symposium: Neben Harvard-Professor Tobias Ritter, der künftig als weiterer Direktor ans Institut wechselt, berichteten Avelino Corma, Lynn Gladden, Eric Jacobsen sowie Max-Planck-Direktor Frank Neese über ihre Arbeit.

Ergänzend zu diesen zentralen Feierlichkeiten gab es bereits über das ganze Jahr hinweg Veranstaltungen, die die Bürger Mülheims und aus der Umgebung besser mit dem Institut und der Arbeit vor Ort vertraut machten –  darunter eine Reihe von Vorträgen sowie ein Tag der offenen Tür. Mit einer Experimentalvorlesung am 13. September sowie einem Klavierkonzert am 19. November klingen die Feierlichkeiten aus.

Bereits im April hat das öffentliche Programm mit den „Kohlenforschung Centennial Lectureships“ begonnen. Renommierte Gäste wie Krijn de Jong von der Universität Utrecht oder Klaus Müllen vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz haben Vorträge über die Forschungseinrichtung und Höhepunkte aus 100 Jahren Kohlenforschung gehalten. Auch zwei Institutsdirektoren, Ferdi Schüth und Manfred Reetz, haben mit interessierten Bürgern über ihre Forschung diskutiert.

1500 Gäste am Tag der offenen Tür

Woher kommt der spezifische Geruch einer Zitrone? Und wie funktioniert eine Böllerbüchse? Beim Tag der offenen Tür am 24. Mai konnten sich mehr als 1500 Besucher spannende Einblicke in die Arbeitswelt der Wissenschaftler verschaffen. Auch die feinmechanischen Werkstätten, die hauseigene Glasbläserei und andere Serviceabteilungen haben den Gästen faszinierende Blicke hinter die Kulissen gewährt.

Es brodelt, blubbert und brennt: Chemie ist keine Magie, vermag aber dennoch immer wieder zu verzaubern. Das wird Institutsdirektor Ferdi Schüth mit seiner Experimentalvorlesung am 13. September in der Mülheimer Freilichtbühne beweisen. „Es ist eben deutlich anschaulicher, wenn man bestimmte Effekte einmal live gesehen hat“, so Schüth. Die Explosion von Knallgas gefällt dem Chemiker besonders gut, „aber wer sie mal erlebt hat, weiß auch, wie gefährlich sie ist“.

Wie vielseitig Forscher sein können, zeigt am Mittwoch, den 19. November, der portugiesische Chemiker Nuno Maulide. Maulide, ehemaliger Gruppenleiter am Institut und heute Professor für Organische Synthese an der Universität Wien, ist ausgebildeter Konzertpianist. Anlässlich des Jubiläums gibt er an seiner alten Wirkungsstätte ein Konzert. Wichtige Reagenzien für ein gelungenes musikalisches Experiment sind in seinen Augen vor allem Werke von Bach, Chopin und Mozart.

Zur Geschichte des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung

Das Max-Planck-Institut für Kohlenforschung wurde im Jahre 1912 als Kaiser-Wilhelm-Institut zur Erforschung der Kohle gegründet. Nach Fertigstellung des ersten Baus am Kaiser-Wilhelm-Platz wurde am 27. Juli 1914 unter Leitung des ersten Direktors, Franz Fischer, der wissenschaftliche Betrieb aufgenommen. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung war das vierte Institut der damals noch jungen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das erste Institut, das außerhalb der Stadt Berlin gegründet wurde.

Im Zentrum der Aktivitäten von Franz Fischer lag die Erforschung von Möglichkeiten, aus Kohle flüssige Kraftstoffe herzustellen. Dies gelang schließlich mit dem Fischer-Tropsch-Verfahren, das Fischer gemeinsam mit Hans Tropsch entwickelte. Heute erlebt dieses Verfahren aufgrund der hohen Qualität der erzeugten Kraftstoffe eine Renaissance, weltweit sind eine Reihe von Großanlagen in Betrieb, beispielsweise in Südafrika, Malaysia oder Katar.

Nach Franz Fischer übernahm im Jahre 1943 Karl Ziegler den Posten als Direktor des Instituts. Zieglers Arbeiten führten zu einer Reihe von Aufsehen erregenden Entdeckungen, die auch wirtschaftlich äußerst erfolgreich waren. Mit den 1953 erfundenen Ziegler-Katalysatoren zur Herstellung von Polyethylen und Polypropylen werden Polymere in großen Mengen hergestellt, die sich in zahlreichen Gegenständen des täglichen Gebrauchs finden. Für seine Katalysatoren erhielt Karl Ziegler 1963 gemeinsam mit Giulio Natta den Chemie-Nobelpreis. Ziegler ist bis heute Mülheims einziger Nobelpreisträger.

Während des Direktorats von Günther Wilke von 1969 bis 1993 war die Forschung durch die Blütezeit der metallorganischen Chemie sowie der homogenen Katalyse geprägt. Wilke entdeckte die besondere katalytische Aktivität von Nickel-Verbindungen. Durch seine Erkenntnisse konnten zahlreiche Katalysatoren verbessert werden.

Seit 1993 wird das Institut durch ein fünfköpfiges Direktorium geleitet. Jeder der Direktoren steht einer wissenschaftlichen Abteilung vor, die sich alle mit unterschiedlichen Aspekten der Katalyseforschung beschäftigen. Heute arbeiten rund 350 Menschen aus 35 Nationen am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung.

SLG/BA/JE

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