Forschungsbericht 2003 - Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik

Schulische Integration von Kindern mit Behinderung

Autoren
Graser, Ulrich
Abteilungen
Zusammenfassung
Im Behindertenrecht gab es in den letzten Jahren zahlreiche Veränderungen auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene. Vor allem das in Paragraph 1, Buch IX des Sozialgesetzbuches (SGB) formulierte Ziel der Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft ist dabei in den Vordergrund gestellt worden. Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht hat die Frage der schulischen Integration von Kindern mit Behinderung aus interdisziplinärer Sicht zum Zwecke einer vertieften Untersuchung herausgegriffen. Diese Frage wird derzeit in vielen Bundesländern kontrovers diskutiert.

Im Behindertenrecht gab es in den letzten Jahren zahlreiche Veränderungen auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene. Vor allem ein behindertenpolitisches Ziel ist dabei stärker als bisher in den Vordergrund gerückt. Es handelt sich um das Ziel der Integration - oder, in der Diktion des Gesetzgebers: um das Ziel, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft zu fördern (§ 1 SGB IX). Freilich bedarf es nicht nur einer gewissen Anpassungszeit, sondern vor allem auch der konkreten Umsetzung in zahllosen Einzelbereichen des sozialen Lebens, bis eine solche gesetzliche Akzentverschiebung reale Wirkungen zeitigt.

Einen Bereich, in dem eine solche Umsetzung des Ziels verstärkter Integration aktuell zur Debatte steht, hat das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht zum Zwecke einer vertieften Untersuchung herausgegriffen. Es geht um die Frage der schulischen Integration von Kindern mit Behinderung. Die entsprechenden Regelungen werden gegenwärtig in vielen Bundesländern kontrovers diskutiert und sind speziell im bayerischen Landesschulrecht 2003 novelliert worden. Die Fragestellung erlaubte zudem die Möglichkeit der Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

An diesem Betrachtungsgegenstand lassen sich viele für Behindertenrecht und Behindertenpolitik typische Problemkonstellationen studieren. So ist die Kommunikation der zuständigen Disziplinen untereinander höchst defizitär. Ein Dialog zwischen Sonderpädagogik und Behindertensoziologie einerseits und Rechtswissenschaft andererseits findet bislang kaum statt. Selbst die innerdisziplinären Schranken zwischen Schul- und Sozialrecht sind ein spürbares Hemmnis. Zudem herrscht auf institutioneller Ebene ein schwer zu durchdringendes Zuständigkeitsgeflecht. Nicht selten gibt es dabei Unklarheiten über die Aufgaben und Spielräume von Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz auf Bundes- wie Landesebene. Darüber hinaus kann dieser Bereich als rechtswissenschaftlich relativ wenig durchdrungen gelten - und, was die Rechtsvergleichung angeht, sogar als "Terra incognita".

Das Institut hat sich diesem Thema deswegen zunächst im Rahmen einer Tagung genähert, bei der ein Fächer- und Landesgrenzen übergreifender Dialog initiiert werden sollte. Drei allgemeinen Eröffnungsbeiträgen aus pädagogischer, soziologischer und juristischer Perspektive folgten zwei Berichte aus den USA und Österreich, wo man auf langjährige Erfahrungen mit schulischer Integration zurückblicken kann. Im Lichte dessen wurde abschließend die Situation in Deutschland diskutiert, und zwar insbesondere am Beispiel der bayerischen Novelle, deren Entstehung und Inhalte zwei Experten aus dem zuständigen Ministerium erläuterten. Der Tagungsband wird im Herbst 2004 veröffentlicht [1].

Literatur

[1] U. Becker und A. Graser (Hg.): Perspektiven der schulischen Integration von Kindern mit Behinderung - interdisziplinäre und vergleichende Betrachtungen. Nomos, Baden-Baden 2004.

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