Forschungsbericht 2003 - Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Von Experimenten mit einzelnen Atomen zu Quellen für Quantenlicht

Autoren
Walther, Herbert
Abteilungen

Laserphysik (Prof. Dr. Herbert Walther)
MPI für Quantenoptik, Garching

Zusammenfassung
Als die Quantenphysik entwickelt wurde, war es völlig undenkbar, jemals Quantenvorgänge einzelner Atome beobachten zu können. So war die Diskussion in diesem Zusammenhang immer nur auf Gedankenexperimente beschränkt, und die Quantenmechanik war in der Konzeption, dass Wahrscheinlichkeitsaussagen nur für ein Ensemble gemacht werden, völlig ausreichend. Die Methoden der Laserspektroskopie haben es in den letzten Jahren jedoch möglich gemacht, einzelne freie Atome und auch einzelne Moleküle in Festkörpern zu beobachten und insbesondere deren Quantenverhalten zu verfolgen. Die Möglichkeit, das Vakuumfeld zu manipulieren, das bei der Quantisierung des Strahlungsfeldes ins Spiel kommt, hat weitere interessante Experimente eröffnet. Somit gelingt es heute, die Quantenvorgänge sowie deren äußere Beeinflussung an einzelnen Atomen zu verfolgen und Phänomene sichtbar zu machen, die sich bei der Beobachtung mehrerer Atome nicht zeigen oder herausmitteln würden. Die Tatsache, dass das Vakuumfeld manipuliert werden kann, hat zu einem neuen Forschungsgebiet geführt, das den Namen Resonator-Quanten-Elektrodynamik erhalten hat. Die Experimente, die am MPQ auf diesem Gebiet durchgeführt worden sind, haben die Grundlage dieses Gebietes gelegt. Sie haben zur Beobachtung einer Reihe neuer Ergebnisse geführt, die im Folgenden zusammenfassend beschrieben werden.

Zunächst soll auf die Experimente mit dem Ein-Atom-Maser eingegangen werden. Ein wesentliches Resultat dieser Experimente ist es, dass es erstmals gelungen ist, die Quantenzustände (Fock-Zustände) eines elektromagnetischen Feldes im Dauerbetrieb zu erzeugen. Im Ein-Atom-Maser-Feld konnten auch die diskreten Quantenzustände der Strahlung erstmals direkt sichtbar gemacht werden.

Diese Zustände, die durch die Anzahl der Energiequanten charakterisiert werden, haben kein klassisches Analogon und existieren somit nur in einer Quantenbeschreibung. Sie haben die Eigenschaft, dass die dem Quantenfeld zugeordnete Amplitude keinerlei Schwankung zeigt und deshalb auch kein Rauschen vorhanden ist, dagegen ist die Phase des Feldes völlig unbestimmt. Die Zustände werden in der Theorie als Basiszustände der Quantenfelder herangezogen, sie konnten jedoch bisher noch nicht experimentell realisiert werden.

Dem Ein-Atom-Maser liegt vom Prinzip her das einfachste System zugrunde, das sich im Zusammenhang mit der Strahlungs-Atom-Wechselwirkung untersuchen lässt: Ein einzelnes Atom wechselwirkt mit einem einzelnen Schwingungszustand eines Resonators. Dieses Problem lässt sich theoretisch exakt behandeln und ist deshalb sehr gut geeignet, um die Quantenvorgänge und insbesondere die zugehörigen Messprozesse zu studieren.

Im Rahmen der Quantenbehandlung der Strahlungs-Atom-Wechselwirkung werden die spontanen Übergänge eines Atoms durch die Vakuumfluktuationen hervorgerufen, die dem Grundzustand des quantisierten Strahlungsfeldes entsprechen. Man kann deshalb auch die spontane Emission von Atomen beeinflussen, indem man die Spektralverteilung des Vakuumfeldes modifiziert - am einfachsten durch den bereits erwähnten Resonator, der die Modendichteverteilung bei bestimmten Frequenzen anhebt und bei anderen Werten absenkt. Stimmt eine der Resonanzfrequenzen mit der atomaren Übergangsfrequenz überein, so steigt die Emissionsrate, und die Lebensdauer der angeregten Zustände verkürzt sich. Im anderen Falle, wenn Resonator- und Atomfrequenz nicht übereinstimmen, kommt es entsprechend zu einer Unterdrückung des Spontanzerfalls. Neben der Veränderung des Spontanzerfalls kann der Resonator noch eine weitere Aufgabe übernehmen: Das spontan abgegebene Photon wird gespeichert, sodass es zu einem mehrmaligen periodischen Austausch der Energie zwischen Atom und Resonator kommt, während das Atom durch den Resonator fliegt. Auf diese Weise lässt sich die Dynamik der Wechselwirkung detailliert studieren. Damit das emittierte Photon für eine hinreichend lange Zeit gespeichert werden kann, müssen verlustfreie Resonatoren verwendet werden. Bei den Experimenten sind dies supraleitende Resonatoren aus Niob. Ist der Fluss der Atome durch den Resonator so gewählt, dass mehr als ein Atom pro mittlere Speicherzeit eines Photons den Resonator passiert, so baut sich ein Gleichgewichtsfeld, d. h. ein Maserfeld, auf.

Abbildung 1 zeigt das Prinzip der Anordnung des Ein-Atom-Masers (Maser ist das Acronym für einen Atom- oder Moleküloszillator im Mikrowellenbereich). Bei den Messungen befindet sich maximal nur ein Atom im Resonator, da die Wechselwirkungszeit mit dem Resonator so gewählt wird, dass sie wesentlich kürzer ist als der Zeitabstand zwischen aufeinander folgenden Atomen. Deshalb spricht man bei der Anordnung von einem Ein-Atom-Maser.

Da die Wechselwirkungszeit der Atome mit dem Resonator sich durch die Vorwahl ihrer Geschwindigkeit festlegen lässt, ist es möglich, die Dynamik der Wechselwirkung der Atome mit dem Maserfeld zu kontrollieren, insbesondere lässt sich ein Messprozess realisieren, der praktisch ohne messbare Rückwirkung auf das Maserfeld abläuft. Normalerweise wird bei der Messung eines Photons dieses vernichtet. Bei der hier beschriebenen Anordnung ist das nicht der Fall, da bei der richtigen Geschwindigkeit ein Atom, das im angeregten Zustand in den Resonator eintritt, diesen wiederum im angeregten Zustand verlässt, nachdem es genau ein Photon emittiert und wieder reabsorbiert hat. Es erfolgt somit eine Messung des vorhandenen Feldes über den Photonenaustausch, ohne das Feld zu ändern. Die in dieser Situation beobachteten Fluktuationen in der Photonenzahl sind deshalb besonders klein, viel geringer als bei den üblichen Maser-Anordnungen.

Diese Minima sind die Quantenzustände des Atom-Resonator-Systems und werden durch die Photonenzahl und die Anzahl der Photonenaustauschprozesse beim Durchgang des Atoms durch den Resonator charakterisiert. In unseren Experimenten gelang es erstmals, diese Zustände nachzuweisen. Man spricht von "Trapping States", da sich das Maser-System durch einen Rückkopplungsmechanismus mit dem Feld selbst auf diese Zustände stabilisiert, d. h. "einfängt". Das Feld bei jedem dieser Minima entspricht einer bestimmten konstanten Photonenzahl, die den Quantenzuständen des elektromagnetischen Feldes entsprechen. Abbildung 2 zeigt die Trapping States als steile Täler in der Photonenzahlverteilung des Maserfeldes.

Die Untersuchungen zum Ein-Atom-Maser und zur Resonator-Quantenelektrodynamik haben bereits zu weitreichenden praktischen Anwendungen geführt. Ein Beispiel ist der Mikrolaser, der zwar nicht auf einzelnen Atomen beruht, jedoch auf der Tatsache, dass die Spontanübergänge des Systems in einem Resonator kontrolliert werden können. Bei einem normalen Lasersystem bestimmen die Spontanübergänge einen Hauptteil der Verluste des Lasersystems; außerdem tragen sie zu den Schwankungserscheinungen, d. h. zum Rauschen des Laserlichts bei. Gelingt es, die spontane Emission zu kontrollieren, so lässt sich die Effizienz der Lasersysteme wesentlich erhöhen. Dies konnte mit Halbleiter-Mikrostrukturen demonstriert werden. Die Resonatoren dieser Laser haben einen Spiegelabstand von der Größenordnung der Wellenlänge. Neben einer Kontrolle der Spontanemission kommt es deshalb auch zu einer Modifikation der Winkelverteilung der emittierten Strahlung, die sich aus der Feldverteilung für einen solchen Resonator niederer Ordnung ergibt. Dies führt zu einer gerichteten Strahlung auch ohne stimulierte Prozesse. Die Mikrolaser werden aufgrund ihres hohen Wirkungsgrades heute bereits in der optischen Kommunikation eingesetzt.

Bei den Experimenten mit dem Ein-Atom-Maser bewegen sich die Atome durch den Resonator; dies führt zu zwei Komplikationen im Experiment, die einmal dadurch bedingt sind, dass die Wechselwirkung mit dem Resonatorfeld einer zeitlichen Veränderung unterliegt und zum anderen, dass der Eintrittszeitpunkt der Atome in den Resonator nicht kontrolliert werden kann. Die Statistik der Atome führt zu Schwankungen in ihrer Flussdichte, die zu Störungen führen können. Aus diesem Grunde ist man an einem System interessiert, bei dem das Atom im Resonator festgehalten wird.

Eine solche Anordnung ist kürzlich im Max-Planck-Institut für Quantenoptik realisiert worden. Dazu wird ein Ion in einer Paul’schen Ionen-Falle festgehalten und in den Resonator transportiert. Das Prinzip der Anordnung ist in Abbildung 3 gezeigt. Die Anordnung hat zusätzlich zu den oben erwähnten Eigenschaften gegenüber dem Ein-Atom-Maser noch den weiteren Vorzug, dass die erzeugte Strahlung im sichtbaren Spektralbereich liegt, d. h. dass das erzeugte Licht unter anderem auch für interessante Anwendungen in der Kommunikation eingesetzt werden kann.

Die im MPQ entwickelte Anordnung emittiert einzelne Photonen bei Veranlassung von außen. Um die Emission hervorzurufen, wird das Ion mit einem Laserstrahl unter einem Winkel zur Achse des optischen Resonators angeregt. Die Emission des Photons erfolgt in Richtung der Achse des optischen Resonators, hervorgerufen durch die modifizierten Vakuumfluktuationen. Durch die Laseranregung kann die Dauer des Photonen-Wellenpaketes und damit seine Kohärenzzeit beeinflusst werden.

Die Anordnung stellt eine praktisch ideale Einphotonen-Quelle dar, wie sie für die Quanten- Kommunikation benötigt wird. Es ist gezeigt worden, dass die Nachrichtenübermittlung mithilfe einzelner Photonen den entscheidenden Vorteil gegenüber der normalen optischen Kommunikation hat, dass die Übermittlung abhörsicher ist. Die am MPQ realisierte Quelle wird es ermöglichen, die Grundlagen solcher Übertragungsstrecken zu erarbeiten. Die Anordnung hat ferner interessante Anwendungen auch im Zusammenhang mit den Bemühungen, einen Quantencomputer zu realisieren. Die Photonen im Resonator übernehmen dabei die Kopplung zwischen den gespeicherten Atomen (Quantenbits) bei der Realisierung der Gatter.

Ausgangspunkt für die hier beschriebenen Untersuchungen war das Studium der Quantenprozesse an einzelnen Atomen. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass trotz der exotischen Thematik Grundlagen für interessante künftige Anwendungen erarbeitet werden konnten, die sich zusätzlich zu den Grundlagenerkenntnissen zur Quantenphysik ergeben.

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