Forschungsbericht 2004 - Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung

Molekulares Imaging von Gehirntumoren

Molecular Imaging of Brain Tumours

Autoren
Jacobs, Andreas H.
Abteilungen

Allgemeine Neurologie (Prof. Dr. Wolf-Dieter Heiss)
MPI für neurologische Forschung, Köln

Zusammenfassung
Molekulares Imaging ermöglicht eine nicht-invasive Darstellung der Dynamik krankheitsspezifischer molekularer Prozesse in vivo. Zusammenfassend lassen sich heute mit verschiedensten bildgebenden Verfahren wie Positronen-Emissions-Tomographie (PET), Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) und optischen bildgebenden Verfahren unterschiedliche molekulare Prozesse darstellen, wie z.B. Genexpression, transkriptionelle Regulation und Signaltransduktion. Bei Gehirntumoren interessieren die Darstellung von endogener Genexpression als Marker für die Aktivität von Tumoren, von exogener Genexpression als Marker für die Effektivität gentherapeutischer Verfahren, sowie von Signaltransduktion und transkriptioneller Regulation als Grundlage für das Verständnis der Entstehung von Gliomen. Die herausragende Bedeutung hat die molekulare Bildgebung in der translationalen Forschung, in der neue Therapieansätze in die klinische Anwendung gebracht werden sollen.
Summary
Molecular Imaging enables a non-invasive assessment of the dynamics of disease-specific molecular events in the living organism in vivo. Various imaging modalities including positron emission tomography (PET), magnetic resonance imaging (MRI), and optical imaging are being used to assess a variety of molecular mechanisms, such as gene expression, transcriptional regulation and signal transduction. In brain tumors the imaging targets are endogenous genes as markers for the proliferative activity of the tumor, exogenously introduced genes as markers for the effectiveness of gene therapeutic strategies, and signal transduction and transcriptional regulatory pathways for the improved understanding of glioma development. The most important application of molecular imaging is in translational research, where new forms of molecular targeted therapies should be implemented in clinical application.

Das Glioblastom ist der bösartigste und häufigste Gehirntumor. Die Neuerkrankungsrate beträgt 3-6 auf 100.000 Einwohner pro Jahr. Zusammen mit allen Neoplasien des Gehirns stellt das Glioblastom nach dem Schlaganfall die zweithäufigste, durch eine intrakranielle Erkrankung bedingte Todesursache dar. Die mittlere Überlebenszeit beträgt trotz multimodaler Therapie (Operation, Bestrahlung, Chemotherapie) weniger als 1 Jahr. Aufgrund der schlechten Prognose des Glioblastoms stehen drei Forschungsschwerpunkte im Mittelpunkt der gegenwärtigen Anstrengungen, um Therapie und Verlauf von Patienten mit Glioblastom zu verbessern:
i.) Darstellung der biologischen Aktivität des Tumors mithilfe der Positronen-Emissions-Tomographie (PET; metabole Charakterisierung),
ii.) Charakterisierung von PET-Markern, die ein frühes Ansprechen auf Chemo- und Gentherapie erlauben, und
iii.) Etablierung neuer biologischer Therapiestrategien (Gentherapie, Molekulares Imaging).

Bezüglich der Charakterisierung der biologischen Aktivität von Gehirntumoren wurde ein neuer Marker, das 18F-Fluoro-L-Thymidin (FLT), bei Patienten mit Gliomen charakterisiert. Auf der Basis von Berichten, dass FLT ein Maß für die zelluläre Thymidinkinaseaktivität und damit einen Surrogatmarker für proliferative Aktivität von Tumoren darstellt, wurde eine kinetische Analyse sowie ein Vergleich mit dem bereits etablierten Tracer 11C-Methionin (MET) durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass die Sensitivität von FLT in der Diagnosestellung insbesondere niedrigmaligner Gliome dem MET unterlegen ist (78,3 vs. 91,3%). Allerdings werden bei höhergradigen Gliomen Tumorareale aufgezeigt, die mithilfe von Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) und MET nicht darstellbar sind (Abb. 1). Dabei ist die Aufnahme von FLT in das Gliom vorwiegend ein transportabhängiger Prozess (K1 und Ki) und nur zu einem geringen Anteil auch abhängig von k3, respektive der zellulären Thymidinkinaseaktivität. Ob daher FLT einen Marker für das Ansprechen auf Chemotherapie darstellt, so wie es für Lymphome bereits in der Literatur beschrieben ist, ist Gegenstand der weiteren Untersuchungen.

Neben der klinischen Evaluation wurde FLT auch als Verlaufsparameter bei experimentellen Gentherapiestudien eingesetzt. Dabei wurden Herpes Simplex Virus Typ 1 (HSV-1) Amplikonvektoren eingesetzt, welche therapeutische Gene und so genannte PET-Markergene exprimieren, sodass von der PET-Markergenexpression indirekt auf die Lokalisation und Stärke der therapeutischen Genexpression geschlossen werden konnte. Die Transduktionseffizienz, gemessen mittels FHBG-PET, konnte zum induzierten therapeutischen Effekt, gemessen mittels FLT-PET, korreliert werden (Abb. 2). Dabei stellt 18F-FHBG (9-[4-18F-fluoro-3-(hydroxymethyl)butyl]guanine) das spezifische Substrat der transduzierten viralen Thymidinkinase dar.

Darüber hinaus wurden diese Vektoren bezüglich Ihrer Aktivität in primärem Gehirntumorgewebe untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die Transduktionseffizienz von Patient zu Patient unterschiedlich ist und von der Expression von Oberflächenmarkern abhängt, die für die Bindung von HSV-1-Viren verantwortlich sind. Daher sollte eine Gentherapie bei Patienten eine Analyse des Tumorgewebes bezüglich seiner Infizierbarkeit mit dem jeweiligen Vektor beinhalten [1].

Als weiterer Schritt in der Gentherapie wurden zwei regulierbare HSV-1-Amplikonvektoren etabliert, die es zulassen, die transduzierte Genexpression von außen mittels bestimmter Liganden (z.B. Tetrazyklin) zu steuern. Dieser Steuerungsmechanismus funktioniert nicht nur in Zellkultur (Abb. 3A) sondern auch in vivo. Dabei ist hervorzuheben, dass das jeweilige Gen an- und wieder abgeschaltet werden kann (Abb. 3B). Diese Art von Vektoren soll es zukünftig erlauben, die Dynamik endogener Regulationsvorgänge (transkriptionelle Regulation und Signaltransduktion) mittels bildgebender Verfahren im lebenden Organismus zu analysieren.

Originalveröffentlichungen

Rueger MA, Winkeler A, Miletic H, Kaestle C, Richter R, Schneider G, Hampl JA, Fraefel C, Jacobs AH
The inter-individual variability of the infectivity of HSV-1 amplicon vectors in primary cell cultures of human gliomas
Gene Therapy 12, 588-96 (2005)
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