Forschungsbericht 2004 - Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik

Über Krümmung, Wärme und kanonische Geometrien – vom erfolgreichen Gebrauch geometrischer Evolutionsgleichungen in der Mathematik am Beispiel des Yamabe-Flusses

Autoren
Grüneberg, Michel
Abteilungen

Geometrische Analysis und Gravitation (Prof. Dr. Gerhard Huisken)
MPI für Gravitationsphysik, Golm

Zusammenfassung
Dieser Artikel gibt eine heuristische Einführung in die mathematische Grundlagenforschung in Differentialgeometrie, diejenige mathematische Disziplin, in deren Sprache die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins formuliert ist. Dazu werden die neuesten Forschungsergebnisse aus einem jungen Teilgebiet, dem der geometrischen Evolutionsgleichungen, am Beispiel des Yamabe-Flusses beschrieben.

Dass das Jahr 2005 als Einstein-Jahr ausgerufen wurde, wurde der Öffentlichkeit vor allem mit zwei „runden“ Jubiläen begründet: Zum einen jährte sich im April der Todestag des Physikers zum 50. Mal. Zum anderen stellte Einstein vor 100 Jahren seine Spezielle Relativitätstheorie (SRT) auf, in der er dem Absolutheitsanspruch der Begriffe Zeit und Inertialsystem aus der Newtonschen Mechanik eine fundamental neue Theorie über die Grundlagen von Raum, Zeit und Bewegung gegenüberstellte, als deren Konsequenz sich zentrale Konzepte der Newtonschen Mechanik wie etwa das der Gleichzeitigkeit als beobachterabhängig (also relativ) erwiesen.

Einen weiteren fundamentalen Begriff der Newtonschen Mechanik konnte Einstein zu diesem Zeitpunkt noch nicht in die SRT einbetten – die Gravitation. Es dauerte zehn weitere Jahre, bis ihm dies im November 1915 durch die Aufstellung seiner Feldgleichungen gelang, wodurch die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) begründet wurde. Ein Grund für diese Zeitspanne mag gewesen sein, dass ihm zunächst die richtige mathematische Sprache fehlte, um den Effekt der Gravitation auf die Struktur der Raumzeit adäquat zu beschreiben. Diese wurde von der Differentialgeometrie, einem Teilgebiet der reinen Mathematik, geliefert, das am Schnittpunkt der klassischen mathematischen Disziplinen Geometrie und Analysis angesiedelt ist. Die Entdeckung dieser spektakulären Verbindung von Physik und Mathematik feiert mit 90 Jahren zwar einen nicht ganz so runden Geburtstag wie die beiden oben angesprochenen Ereignisse, stellt aber eine der bahnbrechenden Errungenschaften der gesamten Wissenschaftsgeschichte dar.

Dieser Artikel soll grundlegende Fragestellungen der Differentialgeometrie beschreiben und die wissenschaftliche Arbeit im Bereich der reinen Mathematik anhand eines modernen Forschungsthemas illustrieren, um eine bessere Vorstellung von dem zu vermitteln, was „mathematische Grundlagenforschung“ bedeutet – von der nicht zuletzt Einstein sehr profitiert hat, als er zu Beginn des letzten Jahrhunderts auf eine leistungsfähige und gut ausgearbeitete mathematische Theorie gekrümmter Räume zurückgreifen konnte, um seine ART zu formulieren.

Was ist Krümmung?

Mathematik kann als die grundlegende Wissenschaft von Strukturen und ihrer axiomatischen Begründung verstanden werden. So steht zu Beginn einer bestimmten mathematischen Disziplin immer die präzise Definition eines zentralen Objektes. Im Falle der Differentialgeometrie ist dies der Begriff der Riemannschen Mannigfaltigkeit. Intuitiv gesprochen ist dies eine Verallgemeinerung des anschaulichen Begriffes eines gekrümmten Flächenstücks im Raum, wie etwa eines gebogenen Blattes Papier. Das Attribut „Riemannsch“ (zu Ehren des Mathematikers Bernhard Riemann, der die hier beschriebenen Grundlagen der modernen Differentialgeometrie geschaffen hat) bedeutet, dass das verallgemeinerte Flächenstück mit einer zusätzlichen mathematischen Struktur – einem Metrischen Tensor, auch Riemannsche Metrik genannt – versehen ist. Diese Struktur erlaubt die präzise Berechnung von geometrischen Begriffen wie Abständen zwischen zwei Punkten, Längen von Kurven, Winkeln zwischen sich schneidenden Kurven, Flächeninhalten von Polygonen etc. auf der Mannigfaltigkeit. D.h., sie führt auf ihr eine Geometrie ein. Insbesondere ermöglicht eine Riemannsche Metrik eine exakte Definition des Begriffs der Krümmung einer Mannigfaltigkeit in einem Punkt. Es entspricht dem Wesen der Mathematik, in den untersuchten Fragestellungen die größtmögliche Allgemeinheit erzielen zu wollen. Daher sind all diese Begriffe so allgemein definiert, dass sie auch in beliebigen Dimensionen Sinn machen. Entsprechend ist die Krümmung ein relativ kompliziertes mathematisches Objekt: ein so genanntes Kovariantes Tensorfeld 4. Ranges. Ziel der Differentialgeometrie ist es, den Begriff der Krümmung und dessen Auswirkungen auf andere Eigenschaften der Mannigfaltigkeit (z.B. ihre Topologie, also ihren allgemeinen Typ von „geometrischer Gestalt“ unter Vernachlässigung des exakten Aussehens) so gut wie möglich zu verstehen. Für einen Mathematiker bedeutet dies, allgemeingültige Eigenschaften von gewissen Klassen Riemannscher Mannigfaltigkeiten zu erkennen, diese in Form eines mathematischen „Theorems“ oder „Satzes“ als präzise Aussage zu formulieren und anschließend rigoros zu beweisen.

Die Suche nach kanonischen Geometrien

Ein zentrales Beispiel für ein derartiges Theorem ist die Lösung des so genannten Klassifizierungsproblems Riemannscher Mannigfaltigkeiten: Ist es möglich, eine Liste aufzustellen, in der alle Riemannschen Mannigfaltigkeiten nach „bestimmten Kriterien“ geordnet vorkommen? Solche Kriterien werden in der Mathematik als „Invarianten“ bezeichnet, da sie für alle Mannigfaltigkeiten mit gleicher Geometrie identisch sind. Je aussagekräftiger die Liste, desto besser der Klassifizierungssatz.
Die Komplexität dieses Problems hängt stark von der betrachteten Dimension ab. So wurde im Falle der Dimension 2, dem der „Riemannschen Flächen“, bereits im 19. Jahrhundert eine sehr befriedigende Antwort auf die Klassifizierungsfrage gefunden, die einen tiefen Zusammenhang zwischen Krümmung und Topologie solcher Mannigfaltigkeiten enthüllte: Es stellte sich heraus, dass es bei jeder beliebigen Riemannschen Fläche stets möglich ist, durch Reskalierung der Metrik in jedem Punkt der Fläche (also durch geeignete Änderung der Längen in jedem Punkt, aber Erhaltung der Winkel) deren Geometrie so abzuändern, dass als Folge die Krümmung der Fläche konstant ist und entweder den Wert +1, 0 oder –1 in jedem Punkt hat. Geometrisch heißt dies, dass nach diesem so genannten konformen Deformieren der Metrik die resultierende Geometrie „so schön wie möglich“ ist, da die Fläche nun so gleichmäßig wie möglich gekrümmt ist. Zusammen mit einem weiteren Satz der Differentialgeometrie von Flächen und eines Resultats aus der Topologie ergab sich so, dass jede Riemannsche Fläche genau einmal in der in Abbildung 1 gegebenen Liste von Möglichkeiten vorkommt.
Somit hat die Lösung des Klassifizierungsproblems für Riemannsche Flächen für jede Fläche eine (konforme) Standard-Geometrie erkannt, die durch ihre Topologie (die Anzahl der Löcher) bestimmt ist und stets eine Geometrie konstanter Krümmung ist. Derartige „Modell-Geometrien“ werden in der Mathematik gern als kanonische Geometrien bezeichnet. Im bestmöglichen Falle bedeutet also die Lösung des Klassifizierungsproblems, auf einer gegebenen Riemannschen Mannigfaltigkeit eine kanonische Geometrie aus einer vorgegebenen Liste von möglichen Geometrien (der Standard-Modelle) einführen zu können, bzw. sie aus solchen Geometrien als Grundbausteinen aufgebaut zu erkennen.

Kann sich Krümmung wie Wärme verhalten? – Der Yamabe-Fluss

Versucht man sich am gleichen Problem in höheren Dimensionen, sieht man relativ schnell, dass eine so übersichtliche Lösung des Klassifizierungsproblems wie im Fall von Flächen nicht zu erwarten ist. Genauer gesagt, ist es im allgemeinen nicht mehr richtig, dass eine höherdimensionale Mannigfaltigkeit eine konforme Metrik konstanter Krümmung besitzt. Die Schwierigkeit ist, dass der Krümmungstensor in höheren Dimensionen ein viel komplizierteres Objekt als im 2-dimensionalen Fall ist – anschaulich gesprochen gibt es nun viel mehr Richtungen, in die sich die Mannigfaltigkeit krümmen kann. Ein offensichtlicher Versuch, trotzdem einen Fortschritt zu erzielen, ist, das Problem etwas zu vereinfachen: Man kann aus dem komplizierten Krümmungstensor ein einfacheres mathematisches Objekt konstruieren, indem man auf einen Teil der Informationen verzichtet, die er enthält. Konkret betrachtet man nicht mehr den vollen Krümmungstensor, sondern nur noch das arithmetische Mittel der Krümmungen aller in der Mannigfaltigkeit enthaltenen Flächenstücke durch einen Punkt, die sich jeweils paarweise senkrecht schneiden. Das resultierende mathematische Objekt heißt Skalarkrümmung und enthält weitaus weniger Informationen als der volle Krümmungstensor, ist dafür aber ein viel einfacheres mathematisches Objekt, nämlich eine Funktion auf der Mannigfaltigkeit. Der entsprechend modifizierte Versuch eines Klassifizierungssatzes in höheren Dimensionen wäre daher: Lässt sich auf jeder Riemannschen Mannigfaltigkeit der Dimension ≥ 3 die Metrik konform so abändern, dass die Skalarkrümmung der resultierenden Metrik konstant ist?
Dieses Problem wird in der mathematischen Forschungsliteratur heute als Yamabe-Problem bezeichnet, weil es 1960 vom japanischen Mathematiker Hidehiko Yamabe formuliert und in einer Arbeit untersucht wurde. In dieser Arbeit behauptete Yamabe, einen Beweis dafür gefunden zu haben, dass dies in der Tat immer möglich sei. 1968 entdeckte der australische Mathematiker Neil Trudinger jedoch, dass Yamabe einen schwerwiegenden Fehler in seinem Beweis begangen hatte, und es dauerte fast 20 Jahre, bis nach weiteren Beiträgen zur Lösung des Problems durch den Franzosen Thierry Aubin der Amerikaner Richard Schoen 1984 schließlich den Beweis in den schwierigsten offen gebliebenen Fällen durch die Entdeckung eines spektakulären Zusammenhangs zwischen der Differentialgeometrie und der ART erfolgreich abschließen konnte.
Simultan zu Schoen versuchte der amerikanische Mathematiker Richard Hamilton die Lösung der verbliebenen Fälle. Sein Ansatz war von einer revolutionären Idee bestimmt, die er kurz zuvor beim erfolgreichen Beweis eines anderen Klassifizierungssatzes erstmals in die Differentialgeometrie eingeführt hatte und die momentan im Begriff steht, aufgrund der Arbeiten des russischen Mathematikers Grisha Perelman zur erfolgreichen Lösung eines der größten offenen Probleme der modernen Mathematik, der Poincaréschen Vermutung, zu führen. Um diese Idee zu verstehen, sei noch einmal das Ziel in Erinnerung gerufen: Die Geometrie einer Riemannschen Mannigfaltigkeit soll konform so abgeändert werden, dass als Resultat die Skalarkrümmung konstant wird. Anschaulich gesprochen soll also die Krümmung „gleichmäßiger auf der Mannigfaltigkeit verteilt“ werden, und zwar so gleichmäßig, dass schließlich die Skalarkrümmung überall auf der Mannigfaltigkeit den gleichen Wert hat. Es ist also eine Art „dissipatives Verhalten von Krümmung“ erwünscht. Nun ist ein derartiges Phänomen aus der Natur wohlbekannt: von der Wärme. Wärme hat gerade die grundlegende Eigenschaft, sich im Verlauf der Zeit gleichmäßig in einem Raum zu verteilen, bis die Temperatur schließlich überall den gleichen Wert hat – wenn man ihr nur genug Zeit lässt.

Dieses dissipative Verhalten von Wärme wird durch eine bestimmte partielle Differentialgleichung beschrieben, die daher Wärmeleitungsgleichung oder Diffusionsgleichung genannt wird. Hamiltons Leistung war es zu erkennen, dass Differentialgleichungen dieses Typs gewinnbringend in der Differentialgeometrie eingesetzt werden können. Insbesondere stellte er eine Formulierung für das Yamabe-Problem vor, die die präzise mathematische Entsprechung der Wärmeleitungsgleichung in dem Fall war, dass die Rolle der Temperatur durch die Skalarkrümmung übernommen wird. Konkret definierte er durch eine partielle Differentialgleichung einen Evolutionsprozess, der die Riemannsche Metrik (also die Geometrie) und damit die Krümmung im Laufe der Zeit kontinuierlich abänderte, und zwar nach demselben formalen mathematischen Mechanismus, der der gewöhnlichen Wärmeleitungsgleichung zugrunde liegt. Insbesondere ergab sich aus der Definition dieses Evolutionsprozesses, dass die Skalarkrümmung in der Tat einen konstanten Wert aufweisen würde, wenn man den Prozess nur beliebig lange laufen lassen kann – was mathematisch formuliert den Grenzfall meint, dass die Zeit gegen Unendlich strebt. Partielle Differentialgleichungen mit derartigen Eigenschaften werden auch als geometrische Evolutionsgleichungen bezeichnet. Wegen ihrer Verbindung zum Yamabe-Problem ging die hier beschriebene Evolutionsgleichung als der Yamabe-Fluss in die Literatur ein.

Das Problem der Singularitäten

Der Ansatz Hamiltons barg jedoch ein technisches Problem: Es war nicht klar, dass der Evolutionsprozess immer erfolgreich verläuft. Vielmehr ergab sich aus mathematischen Gründen die Möglichkeit, dass sich „Singularitäten“ ausbilden können. Das heisst, es bestand die Möglichkeit, dass die geometrische Struktur der Mannigfaltigkeit infolge des Evolutionsprozesses komplett zerstört werden konnte, indem die Längenmaße an einem Punkt der Mannigfaltigkeit über alle Maße wachsen oder auf Null schrumpfen konnten. Es gelang Hamilton 1988 nur im Falle der Dimension 2 zu zeigen, dass der Evolutionsprozess in der Tat erfolgreich ohne derartige Singularitäten verläuft. Der höherdimensionale Fall konnte zunächst in einigen Spezialfällen 1994 von Rugang Ye behandelt werden, bis schließlich im letzten Jahr weiterer Fortschritt durch unabhängige Arbeiten des Autors und Simon Brendle in den schwierigen offen gebliebenen Fällen erzielt werden konnte.

Im folgenden sollen die grundlegenden Ideen aus dem Ansatz des Autors anschaulich beschrieben werden. Dazu sei zunächst in Erinnerung gerufen, dass das Ziel ist zu beweisen, dass der Yamabe-Fluss nie Singularitäten entwickeln kann, d.h., dass der metrische Tensor nie „explodiert“ oder auf Null schrumpft. Durch eine Technik aus dem Gebiet der Partiellen Differentialgleichungen wurde dazu zunächst gezeigt, dass es genügt auszuschließen, dass der metrische Tensor an einem Punkt gegen Unendlich strebt (also anschaulich gesprochen die Mannigfaltigkeit an einem Punkt „explodiert“). Die Strategie war nun, dass man eine derartige Singularität nur ausschließen kann, wenn man sie so gut wie möglich versteht. Daher wurde durch eine Reskalierungstechnik die Geometrie der Mannigfaltigkeit in der Umgebung eines solchen „Blow-Up-Punktes“ präzise bestimmt. Es stellte sich heraus, dass die Mannigfaltigkeit an solchen Punkten geometrisch wie eine Seifenblase fester Größe aussieht, die sich im Laufe der Evolution (mit größer werdendem metrischen Tensor) schließlich abschnüren und damit die geometrische Struktur der Mannigfaltigkeit an dem betreffende Punkt zerstören kann (Abb. 2). Die zentrale Frage, die sich nun stellte, war: Gibt es einen Mechanismus, der die Entstehung solcher Seifenblasen verhindern bzw. sie wieder schrumpfen lassen kann, bevor sie sich abtrennen und damit den Evolutionsprozess zum Scheitern bringen? Nur in diesem Fall würde die Evolution erfolgreich zu Ende verlaufen und damit das gewünschte geometrische Resultat hervorbringen.

Was haben Seifenblasen mit Schwarzen Löchern und Anfangsbedingungen für isolierte astrophysikalische Systeme zu tun?

Der Schlüssel zum weiteren Verständnis der entstehenden Singularitäten war nun die Beobachtung, dass diese – neben der primären Geometrie einer Seifenblase – eine zusätzliche geometrische Struktur tragen. Diese Struktur ist jedoch nicht in der Geometrie der nach dem Yamabe-Fluss evolvierenden Mannigfaltigkeit zu sehen, sondern tritt erst nach einer geeigneten Reskalierung der Metrik auf mikroskopisch kleinen Skalen mithilfe eines delikat zu bestimmenden Längenfaktors zutage, der geometrisch den Umfang des „Halses“ von der Seifenblase misst. Nach genauerem Studium konnten zwei Modellfälle dieser geometrischen „Meta-Struktur“ identifiziert werden. Insbesondere ergab sich hier ein erstaunlicher Zusammenhang mit der ART, der wohl auch Einstein überrascht hätte: Eine Möglichkeit für die geometrische „Meta-Struktur“ einer sich entwickelnden Seifenblase war die Geometrie eines stationären Schwarzen Loches, also der ersten rotationssymmetrischen Lösung der Einsteinschen Vakuum-Feldgleichungen, die Ende 1915 (nur kurz nach dem Aufstellen der Feldgleichungen) von Schwarzschild entdeckt wurde (Abb. 3). Eine zweite Möglichkeit war genau diejenige Geometrie, die als Anfangsbedingung für die Einsteinschen Feldgleichungen verwendet wird, wenn ein isoliertes astrophysikalisches Gravitationssystem beschrieben werden soll (Abb. 4). Warum war diese Beobachtung zum Ausschließen der Singularitäten relevant? Es ist aus der ART wohlbekannt, dass die beiden gerade beschriebenen Geometrien eine wichtige Erhaltungsgröße besitzen, die physikalisch als die Gesamtmasse des betrachteten Gravitationssystems (also die Summe der darin enthaltenen Materie) interpretiert werden kann. Ein tiefer Satz von R. Schoen und S.-T. Yau aus dem Jahre 1979 besagt, dass im Falle einer nichtflachen Geometrie diese Gesamtmasse immer strikt positiv ist. Der zentrale Punkt im Argument war nun, dass es auf eine quantitativ präzise Art gelang zu zeigen, dass der positive Masseterm der singulären Konfiguration die Seifenblase vom weiteren Abschnüren abhält, bzw. besser noch, sie zum Auseinanderdiffundieren zwingt, sobald die „Konzentration“ der Seifenblase (gemessen durch die Größe des Halses) einen bestimmten Schwellenwert überschritten hat. So ergab sich schließlich das folgende Gesamtbild für die Evolution einer Riemannschen Mannigfaltigkeit, die dem Yamabe-Fluss unterworfen ist: Es ist zunächst zwar möglich, dass sich Singularitäten in Form von Seifenblasen auszubilden beginnen, weil der metrische Tensor an einer bestimmten Stelle der Mannigfaltigkeit groß wird. Sobald diese Seifenblase jedoch „zu konzentriert“ wird, genauer, sobald sich ihr Hals zu eng zuschnürt, hat sich die überlagerte geometrische „Meta-Struktur“ stark genug ausgebildet, um durch ihren positiven Masseterm die Singularität wieder zum Auseinanderdiffundieren zu zwingen (Abb. 5). Als Ergebnis folgt, dass sich derartige Singularitäten nie komplett ausbilden (also abschnüren) können, und der Yamabe-Fluss somit erfolgreich die Ausgangsmetrik zu der gewünschten konformen Metrik konstanter Skalarkrümmung deformiert. Der Yamabe-Fluss ist also in der Tat ein effizientes Mittel, um die Geometrie einer Riemannschen Mannigfaltigkeit zu verbessern.

Fazit und Ausblick

Der unerwartet komplizierte Mechanismus, der zum Beweis der erfolgreichen konformen Deformation einer Riemannschen Metrik zu konstanter Skalarkrümmung mithilfe des Yamabe-Flusses verstanden werden musste, illustriert ein weiteres Kennzeichen mathematischer Grundlagenforschung: Ebenso wichtig wie ein mathematischer Satz ist sein Beweis, d.h. das genaue Verstehen der Gründe, warum die betreffende Aussage richtig ist. In gewissem Sinne ist also der Weg wichtiger als das Ziel, und dieser Weg wurde hier mithilfe einer geometrischen Evolutionsgleichung beschritten. Es sei abschließend bemerkt, dass es wichtige Resultate aus der Differentialgeometrie gibt, die augenscheinlich ausschließlich durch die Verwendung von Evolutionsgleichungen bewiesen werden können. Die Beweise des Riemannschen Falles der Penroseschen Ungleichung durch Huisken/Ilmanen bzw. Bray sind ein derartiges Beispiel. Sollte sich ferner der Hamilton-Perelmansche Ansatz zur Lösung der Poincaréschen Vermutung als erfolgreich herausstellen, wäre dies ein weiterer spektakulärer Erfolg der Disziplin, die ihr auf Jahre hinaus Auftrieb geben dürfte.

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