Bild: MPI für Biochemie

Forschung, die unter die Haut geht

Die Haut ist unser größtes Organ mit vielen wichtigen Funktionen: Einerseits stellt sie eine Barriere dar, um ein Austrocknen des Organismus zu verhindern und vor Verletzungen oder dem Eindringen von Krankheitserregern zu schützen. Gleichzeitig ist sie einer ständigen mechanischen Beanspruchung ausgesetzt. Wissenschaftlichen Fragestellungen rund um die Haut nehmen sich drei Forschungsgruppen an, die von der Max und Ingeburg Herz-Stiftung finanziert werden.

Die Haut – das ist nicht nur unser größtes Organ mit vielen wichtigen Funktionen: Schutzschild, Speicher für Nährstoffe und Wasser, Ausscheidungsorgan für Abbauprodukte des Stoffwechsels, Aufnahmeorgan für Medikamente und Sinnesorgan. Redensarten wie "Das geht einem unter die Haut", oder "Ich könnte aus der Haut fahren" zeigen, welche Rolle die Haut für den Menschen spielt.

Die Finnin Sara Wickström, schon als Doktorandin für ihre Forschungsarbeiten ausgezeichnet, wurde 2010 als Leiterin der ersten Paul Gerson Unna-Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns bestellt. Ihr Team erforscht Prozesse auf molekularer Ebene, die die vielfältigen Funktionen der Haut als Barriere zwischen Körper und Außenwelt ermöglichen.

Eine hochkomplexe Regulation verschiedener Zelltypen und ihrer Interaktionen ist erforderlich, um dieses von Umwelteinflüssen stark beanspruchte Gewebe in einem Gleichgewicht aus Selbsterneuerung und Differenzierung – also Zellspezialisierung – zu halten. Wenn dieses Gleichgewicht gestört ist, verändert sich die Haut. Es kommt zur Hautalterung, bei der sich die Haut nicht mehr leicht regenerieren kann und sich die Wundheilung verschlechtert. Es entstehen gutartigen Veränderungen (Psoriasis, Ekzeme), kann aber auch in epidermale Tumore (Hauttumore) ausarten, die häufigste Krebsart in Europa. Was sind die Grundprinzipien dieses Zellnetzwerks, die es der Haut ermöglichen, als stabiles, sich jedoch ständig selbst erneuerndes Organ erhalten zu bleiben? Wie werden die biomechanischen Eigenschaften des Zellnetzwerks "Haut", wie z.B. Zelldichte, -packung, -form und -kontraktilität, in biochemische Signale umgewandelt? Die Antworten auf diese Fragen werden wichtige Grundlagen für die Entwicklung von Therapien gegen Alterung und andere Veränderungen der Haut schaffen und dazu beitragen, dass Menschen gesünder alt werden können.

Molekulare Mechanotransduktion: Starke Kräfte in der Zelle

Carsten Grashoff untersucht am Beispiel der hornbildenden Zellen der Oberhaut (Epidermis), wie Kräfte in lebenden Zellen übertragen werden. Die Zellen unseres Körpers sind einer Vielzahl von mechanischen Kräften ausgesetzt: Sie werden ständig komprimiert, geschert oder gezogen, und sie reagieren natürlich darauf. Doch es ist weitgehend unklar, wie genau die mechanischen Kräfte verarbeitet werden, da es kaum Methoden gibt, mit denen Kräfte in Zellen gemessen werden können. Deshalb entwickelt Grashoff mit seiner Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Biochemie Methoden, mit denen sich mikroskopisch genau ermitteln lässt, wann und wo Kraft auf einzelne Proteine in Zellen wirkt.

Als Werkzeug nutzen sie hierfür elastische Proteine wie das Spinnenfadenprotein Flagelliform, das schon durch geringe Kräfte gedehnt werden kann. Die Forschenden kombinieren die Eigenschaften solcher elastischen Proteine mit einem physikalischen Effekt namens "Förster Resonanz Energie Transfer" (FRET), der zwischen zwei unterschiedlich fluoreszierenden Molekülen auftreten kann und vom Abstand beider Moleküle abhängt. Werden die zwei Fluorophore mit einem elastischen Protein verbunden, das sich unter Kraft ausdehnt – und somit die Distanz zwischen den fluoreszierenden Proteinen vergrößert – kann die mechanische Kraft durch eine FRET-Messung ermittelt werden. Die Forscher konnten bereits am Beispiel des Adhäsionsproteins Vinkulin zeigen, dass ihr System funktioniert. Vinkulin liegt innen an der Zellmembran und wird für die Fortbewegung der Zelle benötigt. Hier konnten bereits Bereiche hoher Kraft von Regionen niedriger Kraft unterschieden werden. Solche Experimente ermöglichen es, die Mechanismen der Kraftübertragung in lebenden Zellen genauer zu untersuchen.

Mit "Dermatogenomics" die Hautalterung aufklären

Eine weitere Paul Gerson Unna Forschungsgruppe ist am MPG Partnerinstitute for Computational Biology in Shanghai (MPG-CAS) angesiedelt. Unter der Leitung von Sijia Wang, der schon in jungen Jahren mit wichtigen Preisen bedacht wurde, erforscht das Team die Biologie der Haut, des Haares und der Nägel unter molekulargenetischen Gesichtspunkten. "Dermatogenomics" heißt das Zauberwort bei der Suche nach einer Erklärung für die Charakteristika der Haut. Dafür werden sowohl in China und – zusammen mit Kooperationspartnern in Westeuropa – große Datenmengen gesammelt, analysiert und verglichen, um schließlich eine Art Weltkarte der Verteilung von hautspezifischen Genvarianten zu erstellen.

Hautunterschiede – sichtbarstes Zeichen ist etwa die Pigmentierung – zeigen schon grundsätzlich eine große Bandbreite. Umweltfaktoren wie starke Sonnenstrahlung, Zigarettenrauch und nicht zuletzt die Abgase von Industrie und Straßenverkehr wirken sich zudem sowohl zwischen Individuen als auch zwischen verschiedenen Völkern unterschiedlich aus. Die biologischen Mechanismen dahinter sind kompliziert. Die Forschungsgruppe von Wang vermutet, dass bestimmte Gene und ihr Zusammenspiel dafür verantwortlich sind. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen die ungleiche Hautalterung bei Europäern und Chinesen, ihre jeweilige Reaktion auf Umwelteinflüsse – und ob funktionell relevante genetische Marker die Verbindungen zwischen Umwelteinflüssen und Hautalterung beeinflussen. Das Ergebnis dieser Arbeiten wird einen wesentlichen Beitrag leisten, um unser Wissen über Umwelteiflüsse und genetische Faktoren zu verbessern und wird ein neues Licht auf diesen biologischen Mechanismus werfen. Die Antworten auf die gestellten Fragen werden dann bei Diagnose und Therapie von Hautkrankheiten weiterhelfen.

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