Gammastrahlen aus dem Kern aktiver Galaxien

Beobachtungen zeigen, dass die Strahlungsausbrüche in unmittelbarer Nähe der zentralen Schwarzen Löcher entstehen

Blazare zählen zu den größten und energiereichsten Objekten im Universum. Aus den Kernen dieser aktiven Galaxien schießen Materiestrahlen („Jets“), die mit gewaltigen Ausbrüchen von Gammastrahlung einhergehen. Ein internationales Team um Lars Fuhrmann vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie hat jetzt erstmals einen Zusammenhang zwischen den Gammaausbrüchen und ihren Pendants in mehreren Radiofrequenzen bestätigt. Außerdem lösten die Forscher das Rätsel um den Ursprungsort der Ausbrüche: Diese stammen aus unmittelbarer Nähe zu den supermassereichen Schwarzen Löchern im Zentrum der Blazare.

Spezielle Arten von weit entfernten aktiven Galaxien zeigen in ihrem Innersten extreme Vorgänge: In der Nachbarschaft eines rotierenden Schwarzen Lochs mit einer Masse von mehreren Milliarden Sonnen werden unvorstellbare Energiemengen freigesetzt – und das häufig in Form von Gammaphotonen im Mega- oder sogar Gigaelektronenvolt-Bereich. Derartige Energiemengen entstehen offenbar durch die „Fütterung“ des zentralen Schwarzen Lochs mit Sternen aus der Umgebung.

Dabei bewegt sich die Materie innerhalb der sogenannten Akkretionsscheibe auf spiralförmigen Bahnen in Richtung des Massemonsters. Ein Teil des einfallenden Gases wird, durch starke Magnetfelder gebündelt, in zwei energiereichen Plasmajets senkrecht zur Akkretionsscheibe fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und schießt aus dem galaktischen Zentrum ins All hinaus.

Die Astronomen verstehen jedoch einige der damit verbundenen physikalischen Prozesse immer noch nicht im Detail. Wie genau werden die hochenergetischen Gammaphotonen produziert? Wo liegt der Ursprung der starken Strahlungsausbrüche, die sich entlang des gesamten elektromagnetischen Spektrums beobachten lassen?

Neue Instrumente sowie Programme, die eine koordinierte Beobachtung von unterschiedlichen Wellenlängen- und Energiebereichen ermöglichen, eröffnen überraschende Einsichten in die extreme Physik dieser aktiven Galaxienkerne. F-GAMMA (Fermi-GST AGN Multi-frequency Monitoring Alliance) heißt eines der Projekte, das die gleichzeitige Untersuchung von elf unterschiedlichen Radiofrequenzbändern gestattet.

Mit drei Weltklasse-Radioteleskopen – der 100-Meter-Antenne Effelsberg, dem 30-Meter-IRAM-Teleskop auf dem Pico Veleta (Spanien) und der 12-Meter-APEX-Schüssel in Chile – haben die Wissenschaftler um Lars Fuhrmann die regelmäßig auftretenden Strahlungsausbrüche von insgesamt 60 leuchtkräftigen aktiven Galaxien über viele Jahre hinweg systematisch überwacht.

Zusätzlich zu den Radiodaten hatten die Forscher Hochenergiedaten von dem 2008 gestarteten US-amerikanischen Weltraumteleskop Fermi zur Verfügung und nutzten neue statistische Methoden, um eine Vielzahl von Strahlungsausbrüchen in beiden Wellenlängenbereichen zu addieren. „Es war schon aufregend zu sehen, wie das statistische Rauschen in unseren gemittelten Daten runterging und die Korrelation zwischen Radio- und Gammabereich immer deutlicher sichtbar wurde“, sagt Stefan Larsson von der Universität Stockholm in Schweden. Dies zeige letztendlich eine signifikante Verbindung zwischen beiden, die sogar für die unterschiedlichen Radiofrequenzen bestehen bleibe.

Die Studie beweist auch, dass die Ausbrüche im Radiobereich später im Teleskop sichtbar sind als die entsprechenden Ausbrüche im Gammalicht, wobei die mittleren Verzögerungen zwischen zehn und 80 Tagen liegen. „Wir können außerdem zum ersten Mal sehen, dass die Verzögerungen im Radiobereich zu höheren Frequenzen hin immer kleiner werden“, sagt Emmanouil Angelakis vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Da man bei höheren Radiofrequenzen immer tiefer in den Jet hineinschaut, schließen die Forscher daraus, dass die Photonen der Gammastrahlung tatsächlich aus dem innersten Bereich des Jets kommen.

Mithilfe der gemessenen Zeitverzögerungen war das Team schließlich in der Lage, Abstände von weniger als einigen zehn Lichtjahren zwischen den Regionen im Jet abzuschätzen, in denen die Radio- und Gammaausbrüche stattfinden. „Auf der Basis dieser Messungen können wir für die Galaxie 3C 454.3, eine der hellsten Gammaquellen am Himmel, sogar abschätzen, wie weit von dem zentralen Schwarzen Loch selbst die meisten der Gammaphotonen erzeugt werden“, sagt Lars Fuhrmann. „Wir sprechen dabei über einen Abstand von nur wenigen Lichtjahren – das ist sehr nahe zum Fußpunkt des Jets und zum Zentralobjekt.“ Das habe schwerwiegende Auswirkungen auf die physikalischen Prozesse, welche die Gammaphotonen hervorrufen.

„Seit der Mission des Satelliten Compton in den 1990er-Jahren wurde diskutiert, ob die beobachteten Radiostrahlungsausbrüche in einer physikalischen Verbindung mit den ähnlich erscheinenden Gammastrahlenausbrüchen stehen“, sagt Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Mit unserer systematischen Kombination von Radiodaten aus dem F-GAMMA-Programm und Daten des Satelliten Fermi sowie speziellen Analysetechniken können wir das jetzt endlich bestätigen.“

HOR / NJ

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