Forschungsbericht 2003 - Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme

Propagation von Laserpulsen

Autoren
Becker, Andreas
Abteilungen

Nichtlineare Prozesse in starken Feldern (Dr. Andreas Becker)
MPI für Physik komplexer Systeme, Dresden

Zusammenfassung
Ultrakurze intensive Laserpulse können in Luft und anderen Materialien in so genannten Laserfilamenten über weite Strecken propagieren. Dem Prozess liegt die Balance zweier nichtlinearer Effekte zugrunde, die Selbstfokussierung des Pulses durch den optischen Kerr-Effekt und seine Defokussierung durch das Plasma, das der Laser im Material erzeugt. Ergebnisse aus numerischen Rechnungen verdeutlichen die komplexe Dynamik der Propagation eines Laserpulses in Luft. Laserfilamente können potenziell als Blitzableiter dienen oder zur Analyse von Verunreinigungen der Atmosphäre genutzt werden.

Einleitung

Die Wechselwirkung von Licht mit Materie ist einer der grundlegenden Prozesse in der Quantenmechanik, beginnend mit den Experimenten von Hertz und der quantenmechanischen Erklärung des photoelektrischen Effektes durch Einstein. Die technologische Entwicklung des Lasers seit den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts hat das Forschungsinteresse an dem Verhalten von Atomen, Molekülen, Clustern, Festkörpern etc. in einem elektromagnetischen Feld nicht nur neu belebt, sondern es sind neue Forschungsrichtungen, wie die nichtlineare Optik oder die Laserphysik, entstanden.

Heutzutage reicht das Frequenzspektrum der verschiedenen Lasertypen vom Infraroten bis zum Ultravioletten und darüber hinaus bis in den Röntgenbereich. Die Stärke der elektromagnetischen Felder, die mit einem Laser am Ort eines Atoms oder Moleküls erzeugt werden können, übertrifft die Feldstärken, die aufgrund der Coulomb-Wechselwirkungen zwischen den Elektronen und den Kernen im Atom wirken. Die Strahlung ist in sehr kurzen Pulsen mit Längen im Femtosekundenbereich (1 fs = 10-15 s) oder kürzer gebündelt, einer Zeitskala, auf der sich Elektronen und Kerne in der Materie bewegen.

In der Arbeitsgruppe Nichtlineare Prozesse in starken Feldern wird untersucht, wie Materie durch einen Laserpuls kontrolliert verändert werden kann. Beispiele für solche Veränderungen sind das Herauslösen einzelner Elektronen aus einem Atom (Ionisation) oder der Aufbruch eines Moleküls in verschiedene Bestandteile (Fragmentation). Die Wechselwirkung zwischen Laserpuls und Materie verläuft dabei nicht nur in einer Richtung, sondern jede Veränderung der Materie kann auch auf den Laserpuls selbst zurückwirken.

Laserfilamente

Die Rückkopplung der Materie auf den Laserpuls beruht hauptsächlich auf zwei Effekten, die den Brechungsindex des Materials beeinflussen (Abb. 1). Zum einen wird jedes dielektrische Material durch elektromagnetische Strahlung polarisiert. Während bei niedrigen Intensitäten des Lichtes die Stärke der Polarisation linear mit der Feldstärke der Strahlung anwächst, ergibt sich bei den Intensitäten, die ein Laser erzeugt, eine nichtlineare Abhängigkeit. Die Konsequenz ist, dass der Brechungsindex des Materials, n, von der räumlichen und zeitlichen Intensitätsverteilung des Laserpulses abhängt. Im Allgemeinen ist der Brechungsindex umso größer je höher die Intensität. Der Laserpuls induziert daher im Material einen Brechungsindex, der an den Rändern des Pulses kleiner ist als in seinem Zentrum. Das Material wirkt daher wie eine Linse auf den Laserpuls und fokussiert ihn zu seinem Zentrum hin. Dieser Effekt ist als optischer Kerr-Effekt bekannt und wird auch Selbstfokussierung genannt, da er vom Laserpuls selbst hervorgerufen wird.
Selbstfokussierung führt zu einem Kollaps des Laserpulses im Material, wenn diesem Prozess nicht ein zweiter Effekt entgegenwirkt. Wie bereits oben erwähnt, werden Atome und Moleküle durch den Laserpuls ionisiert und es entsteht im Material ein Plasma aus Elektronen und positiv geladenen Ionen. Die Zahl der erzeugten Elektronen und Ionen, und damit die Dichte des Plasmas, ist dabei umso größer je höher die Intensität des Lasers. Da der Brechungsindex abnimmt, je dichter das Plasma ist, wirkt das Plasma der Selbstfokussierung des Laserpulses entgegen.

Aus der Balance zwischen Selbstfokussierung und Plasma-Defokussierung bildet sich ein Kanal oder Filament, in dem der Laserpuls über weite Strecken propagieren kann. In Luft konnten Laserfilamente bis zu mehreren Kilometern erzeugt werden. Durch die Wechselwirkung mit dem Plasma verändert der Puls dabei im Kanal auch sein zeitliches Profil, insbesondere wird der rückwärtige Teil des Pulses stark komprimiert. Eine zeitliche Kompression des Pulses bedeutet aufgrund des Fourierprinzips eine Verbreiterung des Frequenzspektrums des Pulses. Ein ursprünglich nahezu einfarbiger Laserpuls transformiert so während seiner Propagation in einem Filament in weißes Laserlicht.

Dynamik während der Propagation

Die komplexe Dynamik eines Laserpulses während seiner Propagation in einem Medium lässt sich anhand von Resultaten aus numerischen Simulationen verdeutlichen, die auf der Lösung der Maxwell-Gleichungen basieren. In Abbildung 2 (linke Spalte) ist das räumlich-zeitliche Intensitätsprofil eines Laserpulses an verschiedenen Stellen in einem Filament in Luft dargestellt. Am Beginn des Filaments (Abb. 2a) ist der Puls selbstfokussiert zu einem Radius von etwa 100 μm (1 μm = 10-6 m), später wird der rückwärtige Teil des Pulses zeitlich komprimiert und räumlich defokussiert (Abb. 2b) und noch später erkennt man zwei Maxima in der Intensitätsverteilung (Abb. 2c), d. h., der ursprüngliche Puls hat sich in zwei Pulse geteilt.

Erzeugung der Dritten Harmonischen

Aufgrund der hohen Intensität der Laserpulse steht zu erwarten, dass in den Filamenten eine Reihe von Prozessen auftreten, die aus der nichtlinearen Optik bekannt sind. Ein solcher Prozess ist die Erzeugung der Dritten Harmonischen, bei dem drei Photonen (Energiequanten) der Grundfrequenz des Lasers zu einem Photon der dreifachen Frequenz verschmolzen werden. Unsere Gruppe war an numerischen Simulationen beteiligt, in denen vorausgesagt wurde, dass dieser Prozess in einem Laserfilament überraschend effizient ist. Es werden ca. 0,1% der Energie im Laserfeld in Strahlung der dreifachen Frequenz umgewandelt. Es zeigt sich, dass der ursprüngliche Puls und die Dritte Harmonische im Laserfilament in einem quasistatischen Zustand miteinander gekoppelt sind. In der rechten Spalte von Abbildung 2 sind die Intensitätsprofile der Dritten Harmonischen jenen der Grundfrequenz gegenübergestellt (linke Spalte). Deutlich sind auch in der Dritten Harmonischen die zeitliche Kompression und Spaltung, analog zur Dynamik im Puls der Grundfrequenz, zu erkennen. Die Resultate der Simulationen wurden im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit in einem Experiment bestätigt.

Anwendungen

Das Phänomen der Filamentation von Laserpulsen hat eine Reihe von interessanten Anwendungen. Wie oben dargestellt, werden in den Laserfilamenten viele geladene Teilchen, Elektronen und Ionen, erzeugt. Die Kanäle können daher als Blitzableiter dienen. Das Laserfilament würde dabei eine Entladung in der Atmosphäre hervorrufen, die über den Plasmakanal abgeleitet wird.

Ein weiteres Bespiel ist die Nutzung von Laserfilamenten zur Messung von Verunreinigungen in der Luft. Das breite Frequenzspektrum des transformierten Laserlichtes deckt die Absorptionsbänder vieler Moleküle ab. In der Atmosphäre können daher durch das weiße Laserlicht in einem Filament viele molekulare Bestandteile der Luft gleichzeitig angeregt werden. Anschließend werden die einzelnen Moleküle anhand ihrer charakteristischen Fluoreszenzstrahlung identifiziert, die sie beim Übergang in ihren Grundzustand aussenden. Für letztere Anwendung ist der oben dargestellte Nachweis einer effizienten Erzeugung der Dritten Harmonischen in einem Laserfilament von besonderem Interesse. Die Dritte Harmonische eines Lasers liegt typischerweise in einem Frequenzbereich, der für den Nachweis von einer Reihe von biologischen Molekülen von Bedeutung ist.

Literatur:

N. Aközbek, A. Iwasaki, A. Becker, M. Scalora, S.L. Chin, C. M. Bowden: Physical Review Letters 89, 143901 (2002).

N. Aközbek, A. Becker, M. Scalora, S. L. Chin, C.M. Bowden: Applied Physics B 77, 177 (2003).

J. Kasparian, M. Rodriguez, G. Méjean, J. Yu, H. Wille, R. Bourayou, S. Frey, Y.-B. André, A. Mysyrowicz, R. Sauerbrey, J.-P. Wolf, L. Wöste: Science 301, 61 (2003).

http://www.optics.org/articles/news/8/10/9/1

http://www.teramobile.org

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