Die Weltenbummlerin

Lisa Kaltenegger befasst sich mit fremden Planeten – und das ziemlich erfolgreich

5. März 2014

Etwa 1000 Exoplaneten kennen die Forscher heute. Könnte es auf einer dieser fernen Welten Leben geben? Am Computer simuliert Lisa Kaltenegger die Bedingungen und Atmosphären der Himmelskörper und schließt daraus auf Fingerabdrücke, die eine zweite Erde verraten würden. Dafür erhielt sie nun den Heinz Maier-Leibnitz-Preis der DFG sowie eine Million Dollar der Simons-Stiftung.

Text: Helmut Hornung

Kuchl liegt am Fuß des Hohen Gölls, gilt als Hochburg des Tischtennissports und hat eine blühende Holzindustrie. Lisa Kaltenegger wandert sehr gern, hat als Kind hin und wieder Tischtennis gespielt (mit noch größerer Begeisterung allerdings Gitarre und Klavier), und ihr Vater schnitzt. So gesehen passt sie sehr gut nach Kuchl, wo sie 1977 geboren wurde. Und immer wieder kommt sie gern heim ins Salzburger Land.

Besuche bei der Familie sind ihr wichtig, obwohl sie viel unterwegs ist in der Welt. So jettet sie oft von Heidelberg, wo sie am Max-Planck-Institut für Astronomie eine Emmy Noether-Gruppe leitet, nach Harvard, wo sie als Research Associate am Smithsonian Center for Astrophysics arbeitet, und retour.

Die kreative Forscherin ist gefragt. Erst kürzlich hat sie eine Million Dollar von der New Yorker Simons-Stiftung erhalten, was nicht nur als finanzielle Auszeichnung gelten darf. Zum Netzwerk der Simons Collaboration on the Origins of Life, der die 36-Jährige nun angehört, zählen so renommierte Wissenschaftler wie der Medizin-Nobelpreisträger Jack Szostak oder der britische Hofastronom Martin Rees. „Der Preis ist eine wunderbare Chance, die Vielfalt der verschiedenen neuen Welten um uns herum zu erforschen“, sagt Lisa Kaltenegger. „Und es ist aufregend, ein Teil davon zu sein!“ Das Ausrufezeichen muss man mithören, denn Kaltenegger spricht schnell und mit Nachdruck und ansteckender Begeisterung. Sie brennt für ihr Thema und unterstützt ihre Worte mit lebhaften Gesten.

Den Grundstein für das Interesse an der Astronomie legte ihr Physiklehrer. Das Abitur machte sie ausgerechnet 1995 – in jenem Jahr, in dem die Forscher den ersten Exoplaneten überhaupt fanden. Aber Lisa Kaltenegger hatte viele Neigungen. So belegte sie in Graz Dolmetschkurse, gleichzeitig auch Film- und Medienkunde, Betriebswirtschaft sowie technische Physik und Astronomie. „Ich wollte herausfinden, was mir am meisten gefällt“, erinnert sie sich.

Das war anstrengend – und sportlich im wörtlichen Sinne: Sie radelte zu Vorlesungen und Seminaren zwischen der Technischen Universität und der Universität hin und her. „Das war in zehn Minuten zu schaffen“, sagt Kaltenegger. Nach dem ersten Semester entschied sie sich für technische Physik und Astronomie. Übrigens entgegen dem ausdrücklichen Rat eines Berufsberaters, der meinte, dass sich eine Frau in den Naturwissenschaften nur schwer durchsetzen könnte …

Lebenszeichen im Licht

Die Entdeckung des ersten Planeten bei einem fernen Stern hatte der Astronomie Auftrieb gegeben. „In Österreich arbeitete Ende der 1990er-Jahre jedoch niemand an diesem Thema“, sagt Lisa Kaltenegger, die sechs Sprachen spricht. So war es für sie eine spannende Erfahrung, ins Ausland zu gehen. Stationen waren unter anderem das Instituto de Astrofísica de Canaris auf Teneriffa, die Johns Hopkins University in Baltimore und die Europäische Raumfahrtagentur ESA im niederländischen Noordwijk. Seit dem Jahr 2012 arbeitet Kaltenegger in Heidelberg mit ihrem Team und, jeweils etwa drei Monate im Jahr, in Harvard.

Lisa Kaltenegger erforscht jene Himmelskörper, die am interessantesten für die Suche nach Leben sind: erdähnliche Felsplaneten, auf denen flüssiges Wasser existieren könnte. Sie entwickelt Modelle, um spektrale Fingerabdrücke von weit entfernten Exoplaneten zu untersuchen – Spuren, die chemische Elemente in deren Atmosphären im Licht hinterlassen. Dabei schafft sie die Voraussetzungen für Beobachtungen, die eines Tages Leben auf diesen bisher unerforschten Welten nachweisen könnten.

Was, wenn eine solche Entdeckung gelingt? „Dann hätte das faszinierende gesellschaftliche, religiöse und philosophische Folgen. Es böte sich auch die Chance, etwas über die Entwicklung der Erde zu erfahren, vielleicht sogar einen ersten Blick in unsere Zukunft zu werfen“, sagt Kaltenegger. Und sogleich überträgt sich ihre Begeisterung auf den Zuhörer.             

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