Forschungsbericht 2013 - Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe

Vom Palladium zum edelmetallfreien Hydrierkatalysator – intermetallische Verbindungen in der Katalyse

From palladium to noble metal-free hydrogenation catalysts – intermetallic compounds in catalysis

Autoren
Armbrüster, Marc; Kovnir, Kyrill; Friedrich, Matthias; Grin, Yuri
Abteilungen
Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe, Dresden
Zusammenfassung
Ein wissensbasiertes Konzept hat sich als effiziente Strategie zur Entwicklung innovativer Katalysatormaterialien erwiesen. Das Verständnis der Kristallstrukturen und der atomaren Wechselwirkungen der intermetallischen Verbindungen erlaubt die Auswahl geeigneter intermetallischer Verbindungen als effektive Katalysatoren. Im Gegensatz zum weit verbreiteten trial-and-error-Ansatz stellt die wissensbasierte Entwicklung eine vorteilhafte Alternative dar, die das Anwendungspotenzial intermetallischer Verbindungen in der heterogenen Katalyse aufzeigt.
Summary
A knowledge-based concept has proven as efficient strategy for the development of innovative catalysts. Understanding of the crystal structure and the atomic interactions within intermetallic compounds allows for selection of suitable intermetallic compounds as effective hydrogenation catalysts. In contrast to the widely applied trial-and-error approach, the knowledge-based approach is an advantageous alternative, demonstrating the application potential of intermetallic compounds in heterogeneous catalysis.

Hintergrund

Mehr als 90% der Chemikalien weltweit werden mithilfe von Katalysatoren hergestellt. Besonders die heterogene Katalyse erlaubt hierbei die Produktionskosten zu reduzieren und negative Einflüsse auf die Umwelt zu minimieren. Der Entwicklung neuartiger Katalysatoren kommt somit – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Energiewende – eine enorme Bedeutung zu. Idealerweise erfolgt die Entwicklung dabei auf Basis ausgeklügelter Konzepte um Kosten und Zeit zu sparen.

In industriellen Prozessen werden häufig geträgerte Katalysatoren eingesetzt, um die spezifische Oberfläche der aktiven Spezies zu maximieren. Die resultierenden Materialien sind sehr komplex bezüglich Herstellung und Charakterisierung. Während der Synthese besteht die Herausforderung in der Kontrolle der chemischen Homogenität der Katalysatorpartikel sowie der Ausbildung der gewünschten Partikelgröße. Beide Faktoren beeinflussen die Eigenschaften der Katalysatormaterialien, die oftmals aus feinverteilten elementaren Metall- oder Legierungspartikeln auf einem Trägermaterial bestehen. Aufgrund der Komplexität der Materialien ist es sehr schwierig, Korrelationen zwischen der Katalysatorformulierung und den beobachteten katalytischen Eigenschaften abzuleiten.

Ein neues Konzept

Um die Komplexität dieser Systeme zu minimieren wurde in enger Kooperation zwischen dem Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe und dem Fritz-Haber-Institut der MPG ein neues Konzept zur zielgerichteten Katalysatoridentifikation entwickelt. Das Konzept basiert auf der Verwendung von einphasigen, ungeträgerten intermetallischen Verbindungen mit geordneten Kristallstrukturen als Katalysatoren [1]. Aus der kristallinen Ordnung resultiert für jedes aktive Zentrum die gleiche chemische Umgebung der aktiven Zentren. Dabei sind deren Zusammensetzung sowie die geometrische Charakteristik der aktiven Zentren bekannt. Darauf basierend lassen sich Struktur-Eigenschafts-Beziehungen ableiten, die den Grundstock des neuen Konzeptes bilden.

Die maximale Vereinfachung des katalytischen Materials erlaubt eine wissensbasierte Materialentwicklung, denn einerseits ermöglichen die geordneten Kristallstrukturen der intermetallischen Verbindungen die Abstimmung der aktiven Zentren auf die jeweilige Reaktion [2], andererseits erleichtert die Zuordnung der beobachteten katalytischen Eigenschaften zu einzelnen intermetallischen Verbindungen das Verständnis von Prozessen, die für eine hohe Selektivität verantwortlich sind. Im nächsten Schritt gilt es, die niedrige spezifische katalytische Aktivität der ungeträgerten intermetallischen Verbindungen zu überwinden, ohne dabei die exzellente Selektivität dieser Materialien zu verlieren [3].

Die Testreaktion

Für die Studien wurde die Selektivhydrierung von Ethin zu Ethylen ausgewählt, die einen wichtigen Schritt in der Reinigung von Ethylen zur Produktion von Polyethylen (80 Millionen Jahrestonnen) darstellt [4]:

C2H2 + H2 → C2H4

In der Literatur wird vorgeschlagen, dass eine hohe Selektivität durch voneinander isolierte katalytisch aktive Zentren erreicht werden kann. Hohe Selektivität ist in dieser Reaktion von entscheidender Bedeutung, um den Verlust von Ethylen zu begrenzen. Allerdings muss der Ethingehalt von ca. 1% auf wenige ppm reduziert werden, um der Vergiftung des bei der folgenden Polymerisation verwendeten Katalysators vorzubeugen. Die üblicherweise in der Hydrierungsstufe eingesetzten Pd-Katalysatoren weisen begrenzte Selektivität und unzureichende Stabilität auf (Abb. 1).

Beide Effekte werden durch zu große und somit schlecht definierte aktive Zentren hervorgerufen. Die Isolation der katalytisch aktiven Zentren sollte sowohl die Selektivität als auch die Langzeitstabilität (durch Unterdrückung der Kohlenstoffablagerung durch Nebenreaktionen) erhöhen [5]. Industriell wird eine partielle Isolation der aktiven Pd-Zentren durch Verdünnen des Palladiums mit katalytisch inertem Silber in der Legierung Ag80Pd20 erreicht. Während die Selektivität dadurch tatsächlich erhöht werden kann, resultiert eine deutlich geringere Aktivität – die auf die ungeordnete Struktur der Legierung und der daraus resultierenden Anreicherung der inaktiven Silberatome (Segregation) zurückgeführt wird.

Erste Schritte

Zur Vermeidung der Segregation erfolgt die Auswahl der intermetallischen Verbindungen mit passenden Strukturmerkmalen auf Basis der chemischen Bindung [1]. Gute Kandidaten weisen isolierte Atome des aktiven Elements sowie hohe Anteile an gerichteten Bindungen auf. So ist jedes Palladiumatom in der intermetallischen Verbindung GaPd durch sieben Galliumatome koordiniert, die nächsten Palladiumatome sind hingegen weit entfernt (Abb. 2, oben links). Auch die Pd-Atome in Ga7Pd3 und GaPd2 zeigen eine deutlich reduzierte Pd-Pd Koordination. Das Strukturmotiv der vollständig voneinander isolierten Übergangsmetallatome tritt ebenfalls in den intermetallischen Verbindungen Al13Co4 und Al13Fe4 auf (Abb. 2, unten rechts). Der hohe Anteil an gerichteten Bindungen in all diesen intermetallischen Verbindungen (Abb. 2) sorgt dafür, dass die ausgewählten Strukturmotive unter katalytisch relevanten Reaktionsbedingungen erhalten bleiben [6].

Auf Basis dieses Auswahlkonzepts wurden zunächst intermetallische Ga-Pd Verbindungen, die sich durch gerichtete Ga-Pd Bindungen auszeichnen, hinsichtlich ihrer katalytischen Eigenschaften untersucht. Die neuen Materialien zeigten eine deutlich höhere Ethylenselektivität in der Semihydrierung von Ethin (Abb. 1). Insbesondere GaPd erwies sich dabei als potenzieller Katalysator für industrielle Anwendungen [7]. Anschließend wurden die edelmetallfreien Verbindungen Al13Fe4 und Al13Co4 auf ihre katalytische Aktivität hin untersucht [8]. Bereits erste Experimente mit mg-Mengen zeigten unter industrienahen Reaktionsbedingungen ausgezeichnete Ethylenselektivitäten von über 80%. Im Vergleich zum katalytischen Verhalten von elementarem Eisen unter diesen Bedingungen bildeten sich weder andere Kohlenwasserstoffe, noch Kohlenstoffablagerungen. Diese veränderten Eigenschaften werden durch die Isolation der aktiven Zentren sowie der damit einhergehenden Änderung der elektronischen Struktur verursacht. Der innovative Charakter der neuen Materialien zeigt sich insbesondere im Vergleich zu einem – speziell für diese Reaktion hochoptimierten – industriellen Katalysator, der im Gegensatz zu ungeträgertem Al13Fe4 lediglich eine 5% höhere Selektivität aufweist [8].

Höhere Aktivität

Für die industrielle Anwendung von intermetallischen Katalysatoren muss jedoch die spezifische Aktivität deutlich erhöht werden. Aufgrund der Sprödigkeit der Verbindungen bieten sich hierzu zunächst Zerkleinerungsmethoden an. Mahlen der Verbindungen in Gegenwart von Sauerstoff zur Vermeidung von Agglomeration resultiert in deutlich höheren spezifischen Oberflächen (ca. 0,1 m2/g). Nach dem Mahlen ist die Oberfläche der Partikel mit einer dünnen Oxidschicht belegt, die sich jedoch durch eine Ätzprozedur größtenteils entfernen lässt. Das chemische Ätzen führt zusätzlich zur Bildung von Hohlräumen im Nanometerbereich, wodurch die spezifische Oberfläche weiter erhöht wird (Abb. 3). Allerdings werden die intermetallischen Verbindungen partiell zersetzt – besonders bei hohen pH-Werten – und es bilden sich Bereiche mit höherem Palladiumgehalt. Durch die Zerstörung der wohlgeordneten Kristallstruktur wird die Isolation der aktiven Zentren aufgehoben. Als Konsequenz wird ein deutlicher Verlust in der Ethylenselektivität beobachtet [9].

Um die partielle Zerstörung der Oberfläche der intermetallischen Verbindungen – und somit der ausgewählten katalytisch aktiven Zentren – zu vermeiden, wurden Synthesewege zu nanopartikulären intermetallischen Verbindungen aus Lösungen entwickelt. Dabei muss eine erfolgreiche Synthese zwei Anforderungen erfüllen: Zum einen muss die intermetallische Verbindung einphasig vorliegen, d. h. alle Nebenprodukte müssen entweder in die Gasphase abgegeben werden oder in Lösung verbleiben. Andererseits soll auf die Verwendung oberflächenaktiver Substanzen verzichtet werden. Diese würden zwar kleine Partikel stabilisieren, müssten aber anschließend aufwendig entfernt werden, um freien Zugang zur Oberfläche zu gewährleisten. Unter Beachtung dieser Restriktionen wurden intermetallische Ga-Pd Nanopartikel durch eine zweistufige Synthese hergestellt. Im ersten Schritt werden Palladiumacetylacetonat und Galliumchlorid in Lösung gleichzeitig mittels eines sehr starken Reduktionsmittels (LiHBEt3) in bimetallische Kern-Schale-Partikel überführt (Abb. 3, unten). Während der anschließenden Temperaturbehandlung bilden die Kern-Schale-Partikel die gewünschten intermetallischen Verbindungen aus. Die nanostrukturierten intermetallischen Katalysatoren besitzen die exzellente Selektivität der entsprechenden ungeträgerten intermetallischen Verbindung, zeigen aber 10.000-mal höhere Aktivitäten (Abb. 1) [10].

Zusammenfassung

Unser Konzept hat sich als effiziente Strategie zur Entwicklung innovativer Katalysatormaterialien erwiesen. Das Verständnis der Kristallstrukturen und der atomaren Wechselwirkungen der intermetallischen Verbindungen erlaubt die Auswahl geeigneter intermetallischer Verbindungen als effektive Katalysatoren. Im Gegensatz zum weit verbreiteten trial-and-error-Ansatz stellt die wissensbasierte Entwicklung eine vorteilhafte Alternative dar, die das Anwendungspotenzial intermetallischer Verbindungen in der heterogenen Katalyse aufzeigt.

in Zusammenarbeit mit:

Detre Teschner, Frank Girgsdies, Dirk Rosenthal, Robert Schlögl (Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin, Germany)
Michael Hahne, Peter Gille (Ludwig-Maximilians-Universität, Müchen, Germany)
Lászlo Szentmiklósi (Centre for Energy Research, Hungarian Academy of Sciences, Budapest, Hungary)
Michael Feuerbacher, Arc Heggen (Forschungszentrum Jülich GmbH, Institute for Solid State Research, Jülich, Germany)

Literaturhinweise

Kovnir, K.; Armbrüster, M.; Teschner, D.; Venkov, T. V.; Jentoft, F. C.; Knop-Gericke, A.; Grin, Yu.; Schlögl, R.
A New approach to well-defined, stable and site-isolated catalysts
Science and Technology of Advanced Materials 8, 420-427 (2007)
Armbrüster, M.; Behrens, M.; Cinquini, F.; Föttinger, K.; Grin, Yu.; Haghofer, A.; Klötzer, B.; Knop-Gericke, A.; Lorenz, H.; Ota, A.; Penner, S.; Prinz, J.; Rameshan, C.; Révay, Z.; Rosenthal, D.; Rupprechter, G.; Sautet, P.; Schlögl, R.; Shao, L.; Szentmiklósi, L.; Teschner, D.; Torres, D.; Wagner, R.; Widmer, R.; Wowsnick, G.
How to control the selectivity of Palladium-based catalysts in hydrogenation reactions: the role of sub-surface chemistry
ChemCatChem 4, 1048-1063 (2012)
Armbrüster, M.; Kovnir, K.; Behrens, M.; Teschner, D.; Grin, Yu.; Schlögl, R.
Pd-Ga intermetallic compounds as highly selective semi-hydrogenation catalysts
Journal of the American Chemical Society 132, 14745-14747 (2010)
Borodzinski, A.; Bond, G. C.
Selective hydrogenation of ethyne in ethene-rich atreams on palladium catalysts. Part 1. Effect of changes to the catalyst during reaction
Catalysis Reviews: Science and Engineering 48, 91-144 (2006)
Sachtler, W. M. H.
Chemisorption complexes on alloy surfaces
Catalysis Reviews: Science and Engineering 14, 193-210 (1976) und darin zitierte Arbeiten
Kovnir, K.; Armbrüster, M.; Teschner, D.; Venkov, T.; Szentmiklósi, L.; Jentoft, F. C.; Knop-Gericke, A.; Grin, Yu.; Schlögl, R.
In situ surface characterization of the intermetallic compound PdGa – a highly selective hydrogenation catalyst
Surface Science 603, 1784-1792 (2009)
Giedigkeit, R.; Armbrüster, M.; Kovnir, K.; Grin, Yu.; Schlögl, R.; Osswald, J.; Ressler, T.; Jentoft, R. E.
Palladium-gallium intermetallic compounds as catalysts for the selective hydrogenation of acetylene
Europäisches Patent EP2004577 (2012)
Armbrüster, M.; Kovnir, K.; Friedrich, M.; Teschner, D.; Wowsnick, G.; Hahne, M.; Gille, P.; Szentmiklósi, L.; Feuerbacher, M.; Heggen, M.; Girgsdies, F.; Rosenthal, D.; Schlögl, R.; Grin, Yu.
Al13Fe4 as a low-cost alternative for palladium in heterogeneous hydrogenation
Nature Materials 11, 690-693 (2012)
Kovnir, K.; Osswald, J.; Armbrüster, M.; Teschner, D.; Weinberg, G.; Wild, U.; Knop-Gericke, A.; Grin, Yu.; Schlögl, R.
Etching of the intermetallic compounds PdGa and Pd3Ga7: an effective way to increase their catalytic activity?
Journal of Catalysis 264, 93-103 (2009)
Armbrüster, M.; Wowsnick, G.; Friedrich, M.; Heggen, M.; Cardoso-Gil, R.
Synthesis and catalytic properties of nanoparticulate intermetallic Ga-Pd compounds
Journal of the American Chemical Society 133, 9112-9118 (2011)

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht