Quantenrechnung im Diamanten

In einem Quantenregister aus Kernspins des Edelsteins sind eine logische Operation und eine Fehlerkorrektur gelungen

29. Januar 2014

Computer müssen nicht fehlerfrei rechnen, um fehlerlose Ergebnisse zu liefern – sie müssen ihre Irrtümer nur zuverlässig korrigieren. Und das wird künftig noch wichtiger, wenn Quantencomputer mit sehr effizienten, aber auch recht störanfälligen Rechenprozessen manche Aufgaben um ein Vielfaches schneller lösen sollen als herkömmliche PCs. Ein internationales Team um Physiker der Universität Stuttgart und des Stuttgarter Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung hat nun einen Weg gefunden, das Quantensystem eines Diamanten mit wenigen Stickstoffverunreinigungen besonders gut zu kontrollieren. So können die Forscher Quantenbits, also die kleinsten Recheneinheiten eines Quantencomputers, in dem Diamanten gezielt ansprechen und mehrere Bits zu einem Rechenregister zusammenfassen. Den neuen Grad an Kontrolle nutzen sie für eine logische Operation, die für einen Quantencomputer essentiell ist, und für eine Fehlerkorrektur.

Ein CNOT-Gatter ermöglicht weitere Rechenoperationen

Dass in dem Quantenregister logische Operationen möglich sind, zeigten die Forscher im nächsten Schritt, und zwar mit dem CNOT-Gatter – einer logischen Verknüpfung, die für Quantencomputer besonders wichtig ist. „Mit dem CNOT-Gatter und lokalen Operationen an den einzelnen Qubits, kann man alle anderen Operationen realisieren“, erklärt Gerald Waldherr. Das CNOT-Gatter schaltet ein Bit abhängig von einem zweiten. Stellt letzteres also zum Beispiel eine „Eins“ dar, wird ersteres von „Null“ auf „Eins“ gesetzt oder umgekehrt. Dieses bleibt dagegen unverändert, wenn jenes auf der „Null“ steht. Genau diese Operation nahmen die Stuttgarter Forscher an den Kernspins in ihrem Register vor, indem sie eine Folge verschiedener Radiofrequenzpulse auf das NV-Zentrum beziehungsweise die Kernspins schickten.

Das CNOT-Gatter ist aber nicht nur unerlässlich für die Rechenkraft eines Quantencomputers, es ermöglicht auch die Fehlerkorrektur. Denn obwohl Kernspins nicht so empfindlich gegenüber Störungen sind wie Elektronenspins, unantastbar sind sie beileibe nicht. Wie sich mögliche Irrtümer im Quantenregister rückgängig machen lassen, demonstrierten Gerald Waldherr und seine Kollegen an einem der möglichen Überlagerungszustände ihres Quantenregisters.

Für die Fehlerkorrektur kommt den Wissenschaftlern zugute, dass es sich bei den Überlagerungszuständen nicht um wahllose Kombinationen aller möglichen Spinstellungen handelt. In einem dieser Überlagerungszustände nehmen vielmehr alle Qubits die „Eins“ ein oder die „Null“. In einem anderen stehen immer zwei auf der „Eins“. Fehler fallen da sofort auf. Und anhand der beiden unversehrten Qubits lässt sich der ursprüngliche Zustand des dritten rekonstruieren. Die CNOT-Operation ist dafür das Mittel der Wahl, weil sie ein Bit in Abhängigkeit von einem anderen schaltet. So zeigt eine ausgeklügelte Folge von CNOT-Operationen an den drei Qubits des Quantenregisters nicht nur, ob ein Bit vom charakteristischen Muster des jeweiligen Überlagerungszustandes abweicht, sie korrigiert den Irrtum auch gleich.

Die Zahl der Qubits im Rechenregister soll steigen

„Mit der aktuellen Arbeit zeigen wir, dass die Defektzentren in den Diamanten wesentlich vielseitiger sind als wir ursprünglich dachten“, sagt Jörg Wrachtrup. „Die neuen Ergebnisse haben wir dabei vor allem durch ein besseres Verständnis der Defekte erzielt und nicht, indem wir viel in das Material investieren.“

Auf pfiffige Ideen setzen die Forscher auch künftig, wenn es darum geht, die Aussichten der Diamanten in der Konkurrenz um das brauchbarste Quantenregister weiter zu verbessern. Zunächst wollen sie die Zahl der Qubits in ihrem Register erhöhen. Zu dem Zweck wollen sie Kernspins integrieren, denen die Kommunikation zum Elektron schwerer fällt als den drei Spins ihres aktuellen Rechenregisters. Ausweiten könnten sie das Quantenregister aber auch, wenn es ihnen gelänge, mehrere NV-Zentren zu verschränken und auf die jeweiligen Kernspins in der Nähe der einzelnen Zentren zuzugreifen. Damit hätten sie auch die Kernspins, die von den einzelnen Defekten kontrolliert werden, vernetzt. Dann näherte sich das Quantenregister allmählich einer Größe, mit der es klassischen Prozessoren bei manchen Rechenaufgaben tatsächlich den Rang ablaufen könnte.

PH

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