Forschungsbericht 2013 - Max-Planck-Institut für Astrophysik
Metalle in Galaxien: Ist das, was wir sehen, auch das, was wir erwarten?
Astronomische Beobachtungen der chemischen Elemente schwerer als Lithium (die in der Astrophysik einfach als „Metalle” bezeichnet werden) können uns eine Menge darüber verraten, wie Galaxien entstehen. So korreliert zum Beispiel die Gesamtmenge der Metalle im interstellaren Gas einer Galaxie mit der Gesamtzahl der gebildeten Sterne. Auch geht man davon aus, dass das Verhältnis von Sauerstoff zu Eisen in den Sternen (bekannt als Sauerstoff-Anreicherung oder einfach [O/Fe]) sich wie eine galaktische Uhr verhält und uns verrät, wie schnell eine Galaxie gewachsen ist. Galaxien mit hoher Sauerstoff-Anreicherung sollten ihre Sterne schnell gebildet haben, bevor das Gas, aus dem neue Sterne entstehen, mit Eisen aus Supernovae vom Typ Ia (SNe-Ia) verunreinigt wurde. Dagegen sollten Galaxien mit niedriger Sauerstoff-Anreicherung ihre Sterne über einen längeren Zeitraum gebildet haben, wobei die jüngsten Sterne eine große Menge an SNe-Ia produziertem Eisen enthalten.
Doch trotz dieses einfachen theoretischen Bildes ist es detaillierten Modellen zur Galaxienentwicklung bisher nicht gelungen, die komplexen chemischen Muster, die in verschiedenen Typen von Galaxien beobachtet werden, in einem Aufwasch zu reproduzieren. Insbesondere können die Metallhäufigkeiten aus den Photosphären der Sterne in der Milchstraße und diejenigen aus integrierten Populationen alter Sterne in elliptischen Galaxien nur dann gleichzeitig reproduziert werden, wenn man bestimmte physikalische Prozesse einbezieht, die nicht Teil unseres kanonischen Verständnisses der Galaxienentwicklung sind.
Seit 2010 arbeitet ein Team von Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) und von der University of Sussex an einem Projekt, um die chemischen Eigenschaften in diesen sehr unterschiedlichen Regionen des Kosmos in Einklang zu bringen. Mit ihrem neuesten semi-analytischen Modell und einer aktuellen Implementierung für die Metallanreicherung von Galaxien durch Sterne konnte das Team sowohl die chemischen Eigenschaften des Gases in nahen Galaxien mit aktiver Sternentstehung reproduzieren, als auch von sonnenähnlichen Sternen in der Milchstraße und von alten Sternen in elliptischen Galaxien. Entscheidend ist hierbei, dass dies gleichzeitig möglich war und zwar ohne eine radikale Abkehr vom Standardbild der Galaxienentwicklung, das in anderen Bereichen der Astrophysik so viel Erfolg hat.
Unsere Galaxie, die Milchstraße, enthält etwa 300 Milliarden Sterne mit verschiedenen chemischen Eigenschaften, angefangen von alten, metallarmen Sternen bis zu jungen, metallreichen Sternen (Abb. 1). Simulationen vom Verhältnis zwischen Eisenhäufigkeit und Sauerstoff-Anreicherung für sonnenähnliche Sterne in einer Probe von simulierten Milchstraßen zeigen eine gute Übereinstimmung mit den Werten, die in den Photosphären von realen Sternen in der Milchstraße beobachtet werden (Abb. 2). Dies zeigt, dass das Modell die chemische Entwicklung der Milchstraße in den letzten 13 Milliarden Jahren richtig nachstellt.
Mit dem gleichen Modell − und mit den gleichen Annahmen über die physikalischen Vorgänge in Galaxien − kann dann auch die chemischen Entwicklungen in elliptischen Galaxien unterschiedlicher Massen reproduzieren. Im realen Universum haben die meisten massereichen elliptischen Galaxien (siehe zum Beispiel die Galaxie in der Mitte von Abb. 3) eine höhere Sauerstoff-Anreicherung als masseärmere Ellipsen (siehe z. B. die Galaxie in Abb. 3 oben rechts). In unserem Modell finden wir die gleiche Korrelation zwischen Masse und Sauerstoff-Anreicherung. Und das exakt aus dem Grund, aus dem wir es auch erwarten: massereiche Ellipsen haben ihre Sterne schnell gebildet (bevor Eisen in beträchtlicher Menge hergestellt wird), während massearme elliptische Galaxien ihre Sterne über eine längere Zeit bilden (und so mehr Eisen enthalten). Dieses Ergebnis ist ein großer Erfolg, da die Beziehung zwischen Masse, Alter und Chemie der Ellipsen im Modell ähnlich ist zu der, die tatsächlich beobachtet wird, ohne dass größere Änderungen am Standardmodell der Galaxienbildung nötig wären.
Aber was ist jetzt an diesem neuen Modell anders, um diese Ergebnisse erzielen zu können? Das Team geht davon aus, dass die wesentlichen Aspekt hierbei sowohl die Annahmen über die verschiedenen Metalle sind, die durch unterschiedliche Sterne ausgestoßen werden, als auch die Lebensdauer der SN-Ia-Vorläufer. In dem neuen Modell wird die Metallproduktion in Abhängigkeit von der Masse eines Sterns sowie seiner Metallizität berechnet und außerdem auch der Massenverlust durch stellare Winde vor der endgültigen Supernova-Explosion berücksichtigt. Darüber hinaus sollten nicht mehr als die Hälfte der SNe-Ia Vorläufersysteme innerhalb von 400 Millionen Jahren nach ihrer Geburt explodieren und nur etwa einer von tausend Sternen sollte als SN-Ia enden. Keine dieser Bedingungen ist besonders umstritten und wenn man sie mit den detaillierten semi-analytischen Modellen kombiniert, erhält man die oben beschriebenen Ergebnisse.
Doch dies ist noch nicht das Ende der Geschichte! Das Team arbeitet nun daran, gleichzeitig die chemischen Eigenschaften von Objekten zu reproduzieren, die sich an noch extremeren Enden des Galaxien-Spektrums befinden. Diese Tests werden zeigen, ob ein und dasselbe Modell sowohl die chemische Evolution von Zwerggalaxien mit sehr geringer Masse, als auch den Eisengehalt von heißem Gas rund um die massereichsten Galaxienhaufen reproduzieren kann. Solche Tests spielen auch eine wichtige Rolle bei der Überprüfung von neuen Modellen für die Galaxienbildung und sollten uns noch mehr über die wahre Natur der Galaxien in unserer kosmischen Nachbarschaft verraten.