Forschungsbericht 2013 - Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik

Elektrisches Feld als Schalter für Nanomagnete

Autoren
Brovko, Oleg O.; Ruiz-Diaz, Pedro; Dasa, Tamene R.; Stepanyuk, Valeri S.
Abteilungen

Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik

Zusammenfassung
Nanomagnete sind heutzutage das grundlegende Bauelement für Informationsspeicher. Das ständige Bestreben diese Bausteine zu miniaturisieren verlangt nach neueren und effizienteren Methoden winzige magnetische Teilchen und Moleküle sicher und lokal zu kontrollieren. Am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik wird dazu untersucht, wie sich das elektrische Feld auf die Spins der Nanomagnete auswirkt.

In der heutigen digitalen Multimedia-Welt sind Bearbeitung und Speicherung von Informationen das A und O der Technologie. Die Menge an digitalen Daten wächst täglich und somit auch der Bedarf nach neuen Informationsspeichermedien. Unsere Datenspeicherungstechnologie basiert seit eh und je auf Magnetismus: Tonbänder und PC-Disketten, Speicherkarten und Festplatten – überall werden einzelne Informationseinheiten (Bits) in der Magnetisierung des Speichermediums kodiert.

Um mehr Daten speichern zu können, müssen einzelne Speicherelemente kleiner gemacht werden. In der Tat ist die Größe einzelner Bits, dank moderner Technologien, auf wenige Nanometer geschrumpft, sodass ein Bit nun durch die Magnetisierungsrichtung einer Nanodomäne oder sogar einer einzelnen Nanostruktur repräsentiert wird. Doch hier stößt die Technologie an ihre Grenzen, denn die Information möchte sowohl gelesen, als auch geschrieben werden können. Das Auslesen von winzigen magnetischen Bits ist dank dem, mit dem Nobelpreis ausgezeichneten, Phänomen der Gigantischen Magnetoresistenz, selbst bei kleinsten Nanostrukturen möglich. Das Schreiben hingegen ist etwas komplizierter, denn um Information in magnetischen Bits zu speichern, muss man die Magnetisierung von einzelnen Nanostrukturen oder Nanodomänen beeinflussen können. Das offensichtlichste Instrument dafür, das magnetische Feld einer Spule oder eines Dauermagneten, hat einen wesentlichen Nachteil – es ist schwer im Raum zu lokalisieren und beeinflusst nicht nur ein Bit, sondern auch seine Nachbarn. Es gibt alternative Methoden, wie z. B. die Benutzung von Elektronenspins (intrinsischen magnetischen Momenten der Elektronen). Hierbei wird der Fluss von Spin-polarisierten Elektronen benutzt um die Magnetisierung von Nanostrukturen zu verändern. Doch dazu bedarf es Quellen von Spin-polarisierten Elektronen, die oft ineffizient sind.

Eine andere Methode magnetische Nanostrukturen zu kontrollieren, die in letzter Zeit die Aufmerksamkeit von immer mehr Forschungsgruppen auf sich zieht, ist die Benutzung des sogenannten magnetoelektrischen Effektes. Hierbei handelt es sich um das Phänomen der Kopplung zwischen den elektrischen und magnetischen Eigenschaften eines Materials oder einer Nanostruktur. Materialien, die solch eine Kopplung besitzen, werden Multiferroika genannt. Bei diesen Materialien lässt sich die Magnetisierung oft durch Anlegen eines elektrischen Potenzials beeinflussen, was sowohl lokal wie auch technisch gut realisierbar und energetisch effizient ist. Solche Materialien sind allerdings selten und bei den wenigsten ist die magnetoelektrische Kopplung stark genug ausgeprägt.

Die Studien am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik haben jedoch gezeigt, dass der magnetoelektrische Effekt nicht nur bei Multiferroika vorzufinden ist, sondern auch in metallischen Nanostrukturen auf metallischen Oberflächen vorkommt, wenn diese einem elektrischen Feld ausgesetzt werden. Das elektrische Feld, das lokal und energieeffizient wie in einem Kondensator erzeugt werden kann, kann als ein Schalter für die magnetischen Momente einzelner Atome und Nanostrukturen (im Weiteren „Makrospins” oder einfach „Spins” genannt) eingesetzt werden.

Elektrisches Feld und atomare Dimere und Monolagen

Eine Möglichkeit einzelne Spins mit dem elektrischen Feld zu kontrollieren ist, deren Kopplung zueinander zu verändern [1]. Zwei Mangan-Atome, die ein kompaktes Paar(Dimer) bilden, sind ferromagnetisch zueinander gekoppelt (Abb. 1). Das heißt, die Wechselwirkung deren Spins führt dazu, dass diese Spins sich parallel zueinander ausrichten. Die Austauschenergie (die Energie, die notwendig ist, um die Ausrichtung der Spins auf antiparallel umzukehren) beträgt dabei EAW=18 meV.

Setzt man das System einem von der Oberfläche weg gerichteten elektrischen Feld aus, so verstärkt sich die Austauschwechselwirkung (auf 50 meV bei einem Feld von 1 eV/Å). Bei einem zur Oberfläche gerichteten Feld verringert sich die Austauschwechselwirkung, bis bei 0,4 eV/Å die Kopplung zwischen den Spins ganz unterdrückt wird. Bei einem noch stärkeren Feld tritt eine Umkehrung der Kopplung auf und die Spins richten sich antiparallel zueinander aus (EAW=−30 meV bei einer Feldstärke von 1 eV/Å). Somit kann man mithilfe des elektrischen Feldes, die Kopplung zwischen den Spins beeinflussen. Wenn einer der beiden Spins auf der Oberfläche eine stabilere Ausrichtung aufweist, kann man sogar von einer willkürlichen Schaltung des zweiten Spins sprechen – also einem aus zwei Atomen bestehenden Informationsbit [1].

Die Physik hinter diesem Phänomen ist relativ einfach: Das elektrische Feld ruft eine Umverteilung der Elektronen in der Oberfläche hervor, die freien Ladungsträger (in diesem Fall Elektronen) versuchen die Oberfläche vom elektrischen Feld abzuschirmen. Die veränderte Elektronendichte an der Oberfläche verändert leicht die Elektronenstruktur des Dimers. Zusätzlich beeinflusst das elektrische Feld die Elektronenwolken des Dimers direkt, was zu einer Verschiebung der Elektronenniveaus führt (Stark-Effekt). Diese Veränderungen der Elektronenstruktur des Dimers haben eine direkte Auswirkung auf die Wechselwirkung der atomaren Spins [1–3].

Ein weiterer Schritt in Richtung komplexerer Spin-Manipulationen ist, ein magnetisches Dimer auf einer magnetischen Oberfläche zu platzieren. Somit lässt sich durch Anpassen der Stärke des externen elektrischen Feldes sogar der Winkel zwischen den atomaren Makrospins regulieren. Ein Beispiel dafür ist ein Mn-Dimer auf einer Nickel(100)-Oberfläche. Die Wechselwirkung zwischen den Mn-Atomen und der Ni-Oberfläche versucht die Spins der Mn-Atome parallel zueinander anzuordnen. Die Konkurrenz zwischen der interatomaren Kopplung im Dimer und der Kopplung von jedem Dimer-Atom zur Oberfläche erlaubt es, durch Anlegen eines elektrischen Feldes, den Winkel zwischen den Mn-Spins zwischen 0 und über 120 Grad zu variieren (Abb. 2).

Zuletzt soll angemerkt werden, dass das elektrische Feld auf ähnliche Weise auch andere magnetische Oberflächenstrukturen beeinflussen kann, z. B. geschichtete planare Nanostrukturen [2] oder Nanodrähte [3].

Oberflächenladung als eine Alternative zum elektrischen Feld

Angesicht der Tatsache, dass die, durch das elektrische Feld hervorgerufene, Umverteilung der Oberflächenelektronen einen starken Einfluss auf die atomaren Spins der Adsorbate hat, stellt sich die Frage, ob man eine solche Umverteilung auch ohne elektrisches Feld hervorrufen kann. In der Tat, man kann die Elektronen der Oberfläche durch elektrische Ladung hinzufügen bzw. entziehen [4]. Die dadurch erzielten Ladungsüberschüsse bzw. -mängel können sogar die vom elektrischen Feld hervorgerufene Ladungsträgerumverteilung um mehrere Größenordnungen übersteigen.

Als Beispiel kann man eine Platin-Oberfläche nennen, die mit einer ferromagnetischen Eisen-Schicht bedeckt und wieder mit Platin versiegelt wurde. Im neutralen Zustand verfügt dieses System über eine interne magnetische Anisotropie. Das heißt, die Magnetisierungsrichtung hat eine bevorzugte Richtung, die sie, in Abwesenheit von externen Einflüssen, beibehält. Dies ist ein grundlegender Parameter, der die Tauglichkeit des Systems für etwaige Informationsspeicheranwendungen bestimmt. Denn es ist nicht nur wichtig die Information speichern und auslesen zu können, sondern auch dass Speicher gegen externe Einflüsse robust sind. Die Größe der magnetischen Anisotropie sagt unter anderem aus, bis zu welchen Temperaturen die Magnetisierungsrichtung stabil bleibt und welche Energien für deren Schaltung notwendig sein werden. Laut Berechnungen beträgt die Anisotropie in dem oben genannten Pt/Fe/Pt-System −1,3 meV, was einer Temperatur von circa 15 Kelvin entspricht. Die stabile Magnetisierungsrichtung liegt dabei in der Fläche der Eisenschicht (Abb. 3).

Mithilfe der Oberflächenladung kann man die Stärke der Anisotropie verändern oder sogar die stabile Magnetisierungsrichtung umschalten, sodass sie normal zu den Pt/Fe-Grenzflächen zeigt [4].

Nochmal kurz zusammengefasst, das elektrische Feld und die Oberflächenladung können als Schalter für die Ausrichtung einzelner Spins, deren Wechselwirkung oder Stabilität eingesetzt werden, was zu neuen effizienteren Anwendungen im Bereich der Informationsspeicher führen kann.

Literaturhinweise

Negulyaev, N. N.; Stepanyuk, V. S.; Hergert, W.; Kirschner, J.
Electric field as a switching tool for magnetic states in atomic-scale nanostructures
Physical Review Letters 106, 037202 (2011)
Dasa, T. R.; Ruiz-Diaz, P.; Brovko, O. O.; Stepanyuk, V. S.
Tailoring magnetic properties of metallic thin films with quantum well states and external electric fields
Physical Review B 88, 104409 (2013)
Dasa, T. R.; Ignatiev, P. A.; Stepanyuk, V. S.
Effect of the electric field on magnetic properties of linear chains on a Pt(111) surface
Physical Peview B 85, 205447 (2012)
Ruiz-Diaz, P.; Dasa, T. R.; Stepanyuk, V. S.
Tuning magnetic anisotropy in metallic multilayers by surface charging: An ab initio study
Physical Review Letters 110, 267203 (2013)
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