Forschungsbericht 2013 - Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung

Die Erforschung des Asteroiden 4 Vesta

Exploration of the asteroid 4 Vesta

Autoren
Nathues, Andreas; Christensen, Ulrich R.
Abteilungen
Planeten und Kometen
Zusammenfassung
Die Bedingungen zu erkunden, welche im frühen Sonnensystem geherrscht haben, ist das Ziel der NASA-Mission Dawn [1], an der sich das MPS mit zwei Kameras beteiligt [2]. Die Dawn-Mission erforschte ein Jahr lang den Asteroiden Vesta und befindet sich nun im Anflug auf Ceres. Die Missionsphase an Vesta hat zu einer Reihe von Entdeckungen geführt, wie dem Nachweis eines Eisenkerns, dem verbreiteten Vorkommen von dunklem Material auf der ansonsten hellen Oberfläche, sowie einer Vielzahl von prägnanten Oberflächenstrukturen, die auf eine bewegte Vergangenheit der Vesta hindeuten.     
Summary
The exploration of the conditions that have prevailed in the early Solar System is the goal of NASA’s Dawn mission [1], for which MPS provided two cameras (“Framing Cameras“) [2]. The Dawn mission explored the asteroid 4 Vesta from different orbits for a period of one year, and is now approaching asteroid 1 Ceres. The Vesta mission phase led to a series of discoveries as, for example, the proof of an iron core, the widespread occurrence of dark material on the otherwise bright surface, as well as a variety of distinctive surface structures that point to a turbulent past of Vesta.

Der Asteroidengürtel

Jenseits der Bahn des Planeten Mars und noch innerhalb der des Jupiters bewegen sich unzählig viele kleine Körper um die Sonne. Dieser Bereich des Sonnensystems wird „Asteroidengürtel“ oder auch „Hauptgürtel“ genannt. Bis heute sind mehr als 630.000 größerer Asteroiden mittels erdgebundener Teleskope entdeckt und ihre Bahnen vermessen worden. Nach unserem heutigen Erkenntnisstand kam es im Bereich des Hauptgürtels nie zur Bildung eines großen Planeten, da die Schwerkrafteinflüsse des Jupiters dem entgegenwirkten. Stattdessen konnte sich eine Zahl von Protoplaneten entwickeln, d. h. Körper von einigen Hundert Kilometern Größe, die bereits einige Charakteristika der festen Planeten besaßen und aus denen sich in anderen Regionen im Sonnensystem die großen Planeten gebildet haben. Viele dieser Protoplaneten wurden jedoch wieder vollständig durch Kollisionen zerstört, und deren Bruchstücke bilden den Hauptteil des heutigen Asteroidengürtels. Bei den größten Asteroiden, wie Ceres und Vesta, vermutete man dagegen, dass es sich um intakt gebliebene Protoplaneten handeln könnte. Die Erforschung der Entstehung und Entwicklung dieser beiden Körper erlaubt uns Rückschlüsse auf die Zustände im frühen Sonnensystem und damit auch auf die Entstehung der Erde zu ziehen.

Die Dawn-Mission

Das größte Objekt im Asteroidengürtel, 1 Ceres, hat einen Durchmesser von bemerkenswerten 970 km. Seine Oberfläche ist nach spektroskopischen Daten wahrscheinlich durch Tonminerale sowie Wassereis geprägt. Im Laufe der Jahrmilliarden hat sich Ceres vermutlich nur leicht mineralogisch umgeformt, d. h. Ceres weist noch deutliche Ähnlichkeiten zur Urmaterie auf, aus denen das Sonnensystem einst entstanden ist. Bei 4 Vesta dagegen, deren Durchmesser 525 km beträgt, gab es bereits vor der Dawn-Mission deutliche Anhaltspunkte, dass sie eine von vulkanischen Gesteinen geprägte Oberfläche hat und demnach zumindest teilweise aufgeschmolzen sein musste. Durch die Untersuchung zweier so unterschiedlicher Protoplaneten soll die NASA-Mission Dawn zur Aufklärung der Bedingungen im frühen Sonnensystem beitragen. Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) hat zwei baugleiche Kameras beigesteuert, die neben Aufnahmen im Weißlicht auch detaillierte spektrale Informationen durch sieben engbandige Farbfilter vom blauen bis in den nahen Infrarotbereich liefern. Die Raumsonde Dawn führt, neben den beiden Kameras, noch ein Visuelles- und Nahinfrarotspektrometer (VIR) sowie ein Gammastrahlen/Neutronen-Spektrometer (GRAND) mit sich. Die drei Instrumente sind geeignet, die mineralogisch-chemische Zusammensetzung der Asteroidenoberflächen zu erkunden.

Die Vesta

Dawn erreichte im Juli 2011 nach einer Flugdauer von vier Jahren ihr erstes Ziel Vesta. Die Aufnahmen zeigen eine mehrere Milliarden Jahre alte, allerdings durch Einschläge stark verwitterte Oberfläche, die reich an dem Mineral Pyroxen ist [3]. Während die nördliche Hemisphäre des Kleinplaneten mit vielen Kratern übersät ist, finden sich auf der südlichen Hemisphäre deutlich weniger Einschläge. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die nördliche Hemisphäre deutlich älter ist als die südliche. Die beiden Hemisphären unterscheiden sich allerdings nicht nur durch ihr Alter, sondern auch in der Zusammensetzung des Oberflächenmaterials, welche sich durch unterschiedliche spektrale Eigenschaften erschließt. Die südliche Hemisphäre ist stark durch Diogenit geprägt, einem in Meteoriten gefundenen Gesteinstyp, der basaltischem Tiefengestein auf der Erde stark ähnelt. Die nördliche Hemisphäre ist eher eukritisch, entspricht also einem basaltischen Ergussgestein [3]. Basaltische Gesteine entstehen durch das teilweise Aufschmelzen des am Mineral Olivin reichen Silikatmantels eines Planeten und der folgenden Abtrennung der Magma vom festen Residuum. Ihr Vorkommen auf Vesta belegt, dass sich der Kleinplanet kurz nach seiner Bildung stark aufgeheizt hat, wahrscheinlich durch die Zerfallswärme relativ kurzlebiger radioaktiver Isotope, die heute verschwunden sind.

Der Kleinplanet weist in der äquatorialen Region sowie nördlich davon große Rillenstrukturen auf [4], welche nahezu den ganzen Körper umspannen. Die Existenz der Rillen, das unterschiedliche Alter der Hemisphären und ihre verschiedene Zusammensetzung sind die Folgen zweier großer Impakte, die Vesta auf der Südhemisphäre getroffen haben und den Kleinplaneten fast zerrissen hätten (siehe Abb. 1). Das jüngere der beiden großen Impaktbecken nennt man Rheasilvia (Durchmesser 500 km), das ältere Veneneia (400 km). Wir gehen heute davon aus, dass das Veneneia-Ereignis zu den sehr dunklen Ablagerungen auf der Vestaoberfläche geführt hat (siehe Abb. 1 und 3), die vor allem heute noch in der Äquatorregion und nördlich davon lokal sichtbar sind [5]. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um Reste des Projektils, welches zur Klasse der Kohligen Chondrite, einem der häufigsten Meteoritentypen mit einem hohen Anteil an Kohlenstoff und organischen Komponenten, gehört.

Während einige Oberflächenbereiche schwarz wie Kohle sind, sind andere hell wie Schnee. Die Zusammensetzung dieser hellen Bereiche ist bisher nicht vollständig geklärt. Die Wälle des Rheasilvia-Impaktbeckens sind bis heute gut erkennbar, der gleichzeitig entstandene Zentralberg ist mit einer Gesamthöhe von etwa 22 km deutlich höher als jeder Berg auf der Erde.

Nicht zuletzt durch die Beobachtungen der Framing Cameras (FC) wissen wir, dass die auf der Erde aufgefundenen Meteorite der sogenannten HED-Gruppe (Howardite, Eukrite, Diogenite; basaltische Gesteine) zu einem erheblichen Anteil von Vesta stammen [6]. Die Meteoride und deren Mutterkörper, erdbahnkreuzende Asteroiden, wurden einst durch den Rheasilvia-Impakt erzeugt, bei dem große und kleine Bruchstücke der Kruste von Vesta auf Fluchtgeschwindigkeit beschleunigt wurden. Einige von ihnen gelangten durch den Schwereeinfluss des Planeten Jupiter auf Bahnen, die sie in Erdnähe brachten. Im Verlauf der ersten Monate des Aufenthaltes bei Vesta gelang eine Zuordnung zwischen den unterschiedlichen Oberflächenregionen und den verschiedenen Unterklassen der HED-Meteorite, so dass wir nunmehr über Karten des chemischen Aufbaus der Vestakruste verfügen. Die Zuordnung der HED-Meteorite erfolgte mittels spektroskopischer Messungen des VIR-Instrumentes und der FC. Hierfür wurden Falschfarbenaufnahmen aus hunderten von FC-Bildern erstellt und analysiert (siehe Abb. 2 und 3).

Die kombinierte Analyse der an den Polen deutlich abgeplatteten Gestalt der Vesta aus den FC-Bildern und der Ungleichförmigkeit seines Schwerefeldes, die mittels Bahnverfolgungsdaten der Raumsonde errechnet wurde, zeigt, dass die Massen innerhalb Vestas nicht gleich verteilt sind. Vielmehr nimmt die Dichte deutlich zum Zentrum hin zu, was einen Schalenaufbau nahelegt, bestehend aus einem Eisenkern, einem Mantel, der vermutlich reich an Olivin ist, und einer basaltischen Kruste [7]. Der Radius des Eisenkerns beträgt etwa 42% des Radius des gesamten Körpers (bei der Erde sind es 55%). Insgesamt ähnelt Vesta in ihrem Aufbau der Miniaturausgabe eines erdähnlichen Planeten. Sie ist somit tatsächlich als Protoplanet einzustufen, welcher aus der Urzeit des Sonnensystems vor über vier Mrd. Jahren weitgehend intakt erhalten geblieben ist, wenn auch die Oberfläche durch ein Bombardement von Körpern unterschiedlicher Größe stark verwittert ist.

Ausblick

Das kommende Ziel der Dawn-Sonde, Ceres, ist knapp doppelt so groß wie Vesta und wird im Frühjahr 2015 erreicht. Spektroskopische Messungen von der Erde aus zeigen einen ganz anderen Aufbau von Ceres, mit einer eher chondritischen (d. h. primitiven, nicht vulkanisch entstandenen) Oberflächenzusammensetzung. Die im Vergleich zu Vesta deutlich kleinere mittlere Dichte von Ceres legt nahe, dass auch große Mengen Wassereis vorhanden sind und es gibt Modellrechnungen, welche einen Wasserozean unter der Oberfläche zulassen. Während Vesta ein terrestrischer Protoplanet ist, könnte Ceres mit den Eismonden der großen Gasplaneten im äußeren Sonnensystem verwandt sein.

         

Literaturhinweise

Russel, C.; Raymond, C. (Eds.)
The Dawn mission to minor planets 4 Vesta and 1 Ceres
Springer, New York 2012, 574 p.
Sierks, H.; Keller, H. U.; Jaumann, R.; Michalik, H.; Behnke, T.; Bubenhagen, F.; Büttner, I.; Carsenty, U.; Christensen, U.; Enge, R.; Fiethe, B.; Gutiérrez Marqués, P.; Hartwig, H.; Krüger, H.; Kühne, W.; Maue, T.; Mottola, S.; Nathues, A.; Reiche, K.-U.; Richards, M. L.; Roatsch, T.; Schröder, S. E.; Szemerey, I.; Tschentscher, M.
The Dawn framing camera
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Dawn; the Vesta-HED connection; and the geologic context for eucrites, diogenites, and howardites
Meteoritics & Planetary Science 48, 2090-2104 (2013)
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The gravity field of Vesta and implications for interior structure
Lunar and Planetary Science Conference 43, 2600 (2012)
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