Forschungsbericht 2013 - Max-Planck-Institut für Meteorologie

Wie Nährstoffmangel den Klimawandel beschleunigen kann

Autoren
Goll, D. S.; Brovkin, V.
Abteilungen
Land im Erdsystem
Zusammenfassung
Erdsystemmodelle berücksichtigen nicht, dass wichtige Pflanzennährstoffe nur in begrenztem Maße zur Verfügung stehen. Das ist problematisch, da etwa ein Drittel der menschlichen Kohlendioxidemissionen von Pflanzen aufgenommen wird, und dies nur geschieht, wenn genügend Nährstoffe vorhanden sind. Die hier vorgestellte Modellstudie berücksichtigt erstmals die Verfügbarkeit von Phosphor und Stickstoff. Sie zeigt, dass eine Vernachlässigung dieser Verfügbarkeit dazu führt, dass Modelle die zukünftige CO2-Aufnahme durch Pflanzen deutlich überschätzen. Dies beschleunigt den Klimawandel.

Pflanzen wirken dem CO2-Anstieg entgegen

Die gegenwärtige Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre ist höher als sie es in den letzten zwei Millionen Jahren war [1], und es wird davon ausgegangen, dass sie mit einer noch nie zuvor beobachteten Geschwindigkeit weiter steigen wird [2]. Im letzten Jahrhundert hat sich die Temperatur der bodennahen Atmosphäre im globalen Mittel um ca. 0,6 °C erhöht und die Erde wird sich sehr wahrscheinlich um weitere 1,4 - 6,4°C bis zum Ende dieses Jahrhunderts erwärmt haben [2]. Die Ursache für die Erwärmung ist der Anstieg in der CO2-Konzentration auf Grund von CO2-Emissionen durch die Nutzung fossiler Brennstoffe, der Zementproduktion und Abholzung. Aber nicht alles CO2, das durch menschliches Handeln in die Atmosphäre gelangt, reichert sich dort auch an. Etwa zwei Drittel der CO2-Emissionen werden vom Ozean und von den Landökosystemen aufgenommen. Inwieweit Ozean und Land zukünftig weiter CO2 aufnehmen, ist von ausschlaggebender Bedeutung für das zukünftige Klima. Gegenwärtig ist die Funktionsweise der Landökosysteme erst teilweise verstanden, weshalb das Verhalten dieser Ökosysteme eine große Unsicherheit in Zukunftsprognosen darstellt. Daher untersucht die Abteilung „Land im Erdsystem“ am Max-Planck-Institut für Meteorologie intensiv, wie sich diese Ökosysteme auf die atmosphärische CO2-Konzentration auswirken.

Der Grund für die Aufnahme von CO2 durch Landökosysteme ist ein vermehrtes Pflanzenwachstum [2]. Pflanzen entnehmen der Atmosphäre CO2 und wandeln es in Zucker und andere Kohlenhydrate um. Dieser Prozess nennt sich Photosynthese und die dadurch gewonnenen Kohlenhydrate bilden die Grundlage nahezu allen Lebens auf der Erde. Experimente zeigen, dass Pflanzen besser wachsen, wenn ihnen mehr CO2 zur Verfügung steht und sie dadurch mehr CO2 der Atmosphäre entziehen können. Dieser Effekt wird CO2-Düngung genannt und ist in der Landwirtschaft eine gängige Methode, um Erträge durch CO2-Begasung zu steigern. Der CO2-Düngeeffekt hängt stark davon ab, inwieweit andere lebensnotwendige Ressourcen wie Licht, Wasser und Nährstoffe wie Stickstoff oder Phosphor vorhanden sind [3]. Carl Sprengel erkannte dies schon 1828 und entwickelte das Gesetz des Minimums, welches später durch Justus von Liebig bekannt wurde. Es besagt, dass Wachstum nicht durch die absolute Menge an verfügbaren Ressourcen, sondern durch die Verfügbarkeit der knappsten Ressource eingeschränkt wird. Da die Verfügbarkeit von CO2 heute schon höher ist als in den letzten zwei Millionen Jahren und weiter zunehmen wird, Nährstoffe wie Stickstoff oder Phosphor dies aber nicht in diesem Maße tun werden, ist es fraglich, ob der CO2-Düngeeffekt von Dauer sein wird.

Erdsystemmodelle liefern Hinweise auf zukünftige CO2-Aufnahme

Die gängige Methode, um den zukünftigen Klimawandel abzuschätzen, sind sogenannte Erdsystemmodelle. Diese Modelle sind darauf ausgelegt, alle klimarelevanten Prozesse innerhalb des Erdsystems abzubilden und dadurch die Folgen von CO2-Emissionen auf das Erdsystem vorherzusagen. Ein Schwachpunkt dieser Modelle ist, dass sie das Pflanzenwachstum nur sehr rudimentär abbilden. Im Besonderen beruhen viele Modelle auf der Annahme, dass Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor in unbegrenzten Mengen zur Verfügung stehen. Es wird deshalb vermutet, dass diese Modelle das zukünftige Pflanzenwachstum und dadurch auch die CO2-Aufnahme durch die Pflanzen überschätzen [3, 4]. Die wenigen Modelle, die eine begrenzte Stickstoffverfügbarkeit annehmen, bestätigen diese Vermutung und zeigen eine deutlich geminderte CO2-Aufnahme [5]. Eine vergleichbare Studie, die den Einfluss von Phosphor, einem Nährstoff, der vor allem die tropischen Ökosysteme mit ihrer ganzjährigen hohen Produktivität einschränkt, beschreibt, fehlte bis jetzt.

Deshalb wurde am Max-Planck-Institut für Meteorologie die Landkomponente des dort entwickelten Erdsystemmodells (MPI-ESM) um die Nährstoffkreisläufe von Stickstoff und Phosphor erweitert [6]. Dynamische Landmodelle mit gekoppelten Kohlenstoff- und Nährstoffkreisläufen sind notwendig, da die Verfügbarkeit von Nährstoffen einerseits vom Klima beeinflusst wird und andererseits die Kreisläufe sich auch untereinander beeinflussen. In dem erweiterten Modell hängt nun die Stärke der CO2-Düngung davon ab, inwieweit Stickstoff und Phosphor verfügbar sind. Da die Nährstoffkreisläufe optional hinzugeschaltet werden können, ist es möglich die zukünftige Landkohlenstoffaufnahme mit und ohne Berücksichtigung von Nährstoffen zu berechnen.

Begrenzte Verfügbarkeit von Nährstoffen schränkt die CO2-Aufnahme deutlich ein

Die Modellergebnisse zeigen tatsächlich einen deutlichen Einfluss der Nährstoffverfügbarkeit. Die akkumulierte Aufnahme von Kohlenstoff durch die Landoberfläche ist im Zeitraum von 1860 bis 2100 um 13% (durch Hinzunahme des Stickstoffkreislaufs) und um 16% (durch Hinzunahme des Phosphorkreislaufs) geringer als ohne die Berücksichtigung der Nährstoffkreisläufe von Stickstoff und Phosphor. Werden beide Nährstoffkreisläufe mitgerechnet, dann reduziert sich die Kohlenstoffspeicherung durch die Landoberfläche um 25%. Damit sind Stickstoff und Phosphor gleichermaßen wichtig, die Effekte addieren sich nahezu (Abb. 1).

Dieser additive Effekt ist auf die deutlichen Unterschiede in dem geographischen Muster der Stickstoff- und Phosphorlimitierung zurückzuführen. Während Stickstoff hauptsächlich in den hohen Breiten die Aufnahme reduziert, wirkt sich das Vorkommen von Phosphor hauptsächlich in den niederen Breiten aus (Abb. 2).

Warum gibt es diese geographischen Unterschiede? Eine Erklärung liefert das Alter der Böden. Junge Böden enthalten typischerweise mehr Phosphor als Stickstoff, der sich erst nach und nach durch biologische Prozesse aus der Atmosphäre anreichert. Phosphor dagegen reichert sich durch Verwitterung von Ausgangsgestein im Boden an. Im Laufe der Zeit wird dieses Gestein immer ärmer an Phosphor und der Eintrag geringer, während mehr und mehr Phosphor in sekundäre Minerale eingeschlossen wird und dadurch nicht mehr zur Verfügung steht. Das bedeutet, dass alte, sehr verwitterte Böden eher arm an verfügbarem Phosphor sind. Da während der Eiszeiten die Böden in den hohen und mittleren Breiten durch die Vergletscherung abgetragen wurden, sind die dortigen Böden bedeutend jünger als die in den niedrigen Breiten, wo es Hunderte Millionen Jahre lang keine Vergletscherung gegeben hat. Es gibt noch andere Mechanismen auf kürzeren Zeitskalen von Jahren bis Jahrhunderten, die auch für die geringe Nährstoffverfügbarkeit verantwortlich sein können; hier spielen Faktoren wie Auswaschung und Verflüchtigung eine Rolle [7].

Nach 2100 zeigen die Simulationen bei weiter steigenden Temperaturen aber gleich bleibender CO2-Konzentration (Abb. 1 a, b), dass es in den mittleren Breiten zu einem Wandel von Stickstoff- zu Phosphorlimitierung kommt. Das Ergebnis ist sehr überraschend, da bisher angenommen wurde, dass die Phosphorlimitierung nur in den Tropen eine Rolle spielt [8]. Bisher ist dies die einzige Studie, die Verfügbarkeit von Phosphor auf die zukünftige CO2-Aufnahme durch Landökosysteme untersucht. Es bleibt deshalb abzuwarten, inwieweit diese Ergebnisse von anderen Wissenschaftlern bestätigt werden können.

Es ist allgemein schwierig die Dynamiken der Nährstoff-Kreisläufe zu quantifizieren, da es einerseits zu wenige Messungen der Menge an verfügbaren Nährstoffen gibt und anderseits eine Vielzahl von Prozessen nur teilweise verstanden ist [3, 5, 7, 8]. Im Besonderen sind hier Prozesse aufzuführen, die im Boden stattfinden, wie z. B. der Abbau von abgestorbenen Pflanzenteilen und deren Umwandlung in Bodenmaterial und die damit verbundene Freisetzung von Nährstoffen. Deshalb sind nun Wissenschaftler gefragt, die diese Prozesse in der Natur untersuchen, damit aus den Beobachtungen global gültige Zusammenhänge abgeleitet werden können. Dafür sind eine Vielzahl von Messungen und Experimenten in verschiedensten Ökosystemen notwendig. Es wird deshalb noch Jahre dauern, bis wir Modelle entwickeln können, die verlässliche Prognosen über die Nährstofflimitierung von Landökosystemen geben können. Die Arbeit, die in Zusammenarbeit mit internationalen Wissenschaftlern hier am Max-Planck-Institut für Meteorologie durchgeführt wurde ist ein erster Schritt in diese Richtung und führte dazu, dass im neuen Sachstandbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) erstmals ein Abschnitt der Phosphorlimitierung gewidmet wurde.

Fazit: Die globale Kohlenstoffaufnahme durch die Landoberfläche (Vegetation, Böden) bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird in den gängigen Erdsystemmodellen, in denen kein Phosphor- oder Stickstoffkreislauf mitgerechnet wird, deutlich überschätzt und zukünftige CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre unterschätzt. Auf lange Sicht kann die unzureichende Verfügbarkeit von Phosphor eine wichtige Beschränkung für den Kohlenstoffkreislauf auch in den hohen Breiten darstellen. Der Phosphorkreislauf sollte also in die zukünftigen Modellrechnungen einbezogen werden, um realistischere Projektionen zu erhalten.

Literaturhinweise

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