Seltener Schnappschuss einer Planetenbaustelle

Die ungewöhnliche Scheibe um den Stern HD 21997 enthält sowohl Gas als auch Staub

24. Oktober 2013
Planeten entstehen in Scheiben aus Gas und Staub rund um junge Sterne. Nun ist mit dem Verbundteleskop ALMA und dem Weltraumobservatorium Herschel die seltene Aufnahme einer Planetenbaustelle in einem unerwarteten Zwischenstadium gelungen: Die Scheibe um den Stern HD 21997 enthält sowohl ursprüngliches Gas aus der Zeit der Sterngeburt als auch Staub, der durch die Kollision von Planetesimalen entstanden ist – den urtümlichen kosmischen Gesteinsbrocken, aus denen sich die sehr viel größeren Planeten formen. Das ist die erste Beobachtung einer solchen hybriden Scheibe – und bedeutet, dass die gängigen Modelle der Planetenentstehung nachgebessert werden müssen.

Bei ihrer Geburt sind Sterne wie unsere Sonne von Scheiben aus Staub und Gas umgeben. In diesen Scheiben bildet sich ein Planetensystem: Der Staub verklumpt weiter und weiter, und am Ende sind kilometergroße massive Brocken entstanden, Planetesimale genannt. Diese Brocken bilden später die Asteroiden und Kometen des Systems. Oder sie verklumpen weiter zu Felsplaneten wie unsere Erde oder zu Kernen für große Gasplaneten.

Die gängigen Modelle der Planetenentstehung sagen voraus, dass das ursprünglich vorhandene Gas der Scheibe in der Planetesimalen-Phase rasch aufgebraucht wird. Einiges davon fällt in den Stern zurück, ein weiterer Teil sammelt sich in dem, was später die Gasplaneten (wie unser Jupiter) werden. Den Rest treibt die intensive Strahlung des jungen Sterns ins All hinaus. Nach rund zehn Millionen Jahren, so die bisherige Überzeugung, sollte das Gas verschwunden sein.

Jetzt hat ein Team aus den Niederlanden, Ungarn, Deutschland und den USA, zu dem auch Thomas Henning vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie gehört, eine seltene hybride Scheibe gefunden, die zum einen große Mengen an urtümlichem Gas, zum anderen aber bereits Staub enthält, der bei der Kollision solcher Planetesimale entstanden ist. Es handelt sich um eine Art Bindeglied zwischen den frühen und späteren Phasen der Scheibenevolution – der ursprünglichen Scheibe und der späteren Phase der Planetesimalen-Trümmer.

Die Astronomen nutzten sowohl das Weltraumobservatorium Herschel der europäischen Raumfahrtagentur ESA als auch das Verbundteleskop ALMA in Chile, um die Scheibe rund um den Stern HD 21997 zu untersuchen. Dieser Stern liegt von uns aus gesehen im südlichen Sternbild Chemischer Ofen (Fornax), 235 Lichtjahre entfernt. Er hat das 1,8-Fache der Sonnenmasse und ist rund 30 Millionen Jahre alt.

Die Herschel- und ALMA-Beobachtungen zeigen einen ausgedehnten Staubring, der den Stern in Entfernungen zwischen 55 und 150 Astronomischen Einheiten umgibt. (1 AE entspricht der durchschnittlichen Entfernung der Erde von der Sonne, rund 150 Millionen Kilometer.) Die ALMA-Beobachtungen zeigen außerdem einen Gasring – doch überraschenderweise sind die beiden nicht deckungsgleich.

Laut ESA-Forscherin Ágnes Kóspál, Leiterin der Studie, liegt der innere Rand des Gasrings näher am Zentralstern als der des Staubrings. Wären Gas und Staub durch denselben physikalischen Prozess erzeugt worden, nämlich durch die Erosion von Planetesimalen, dann sollte man erwarten, dass beide Ringe deckungsgleich sind. „Das ist bei der inneren Scheibe aber eindeutig nicht der Fall.“

„Unsere Beobachtungen zeigen außerdem, dass frühere Studien die Gasmenge in der Scheibe grob unterschätzt hatten. Aus der Menge an Kohlenstoffmonoxid in der Scheibe können wir nun aber schließen, dass die Gesamtmasse des Gases zwischen 30 und 60 Erdmassen liegen dürfte“, sagt Teammitglied Attila Moór von der Konkoly-Sternwarte. Dieser Wert ist ein weiterer Fingerzeig, dass die Gasscheibe aus demselben urtümlichen Material besteht, aus dem sich auch der Stern gebildet hat – Gasfreisetzung bei der Kollision von Planetesimalen könnte diese gewaltige Menge unmöglich erklären.

„Dass wir um den 30 Millionen Jahre alten Stern HD 21997 urtümliches Gas finden, gibt uns ein Rätsel auf“, sagt Thomas Henning, Direktor am Max-Planck-Institut für Astronomie. Sowohl Modellrechnungen als auch frühere Beobachtungen zeigten, dass das Gas in dieser Art von Scheibe rund um einen jungen Stern bereits nach rund zehn Millionen Jahren verschwunden sein sollte.

Die Wissenschaftler bemühen sich derzeit, ähnliche Systeme wie HD 21997 für weitergehende Untersuchungen an hybriden Scheiben zu finden. Das soll helfen zu klären, wie sich diese Art von Scheibe in die gängigen Modelle der Planetenentstehung einfügt – oder wie diese Modelle verändert werden müssen.

HOR / MP

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