Freundschaftsdienst oder ehrliche Meinung?

Ein Experiment zur Wirksamkeit von Versprechen

8. Oktober 2013

Wie werden sich der Freund oder die Freundin verhalten? Werden sie das Vertrauen eines Dritten in sie rechtfertigen oder rücksichtslos den eigenen Gewinn optimieren? Forscher am Max-Planck-Institut für Ökonomik zeigen, dass positive Vorhersagen deutlich seltener werden, wenn Befragte zuvor versprechen, ihre ehrliche Meinung zu sagen. Dieser Effekt könnte nach Ansicht der Forscher dazu genutzt werden, zuverlässigere Beurteilungen zum Beispiel in Bewerbungsverfahren für Doktorandenprogramme zu erhalten.

Die Wirksamkeit von Versprechen ist belegt. Vielfach stehen Menschen selbst dann zu ihrem Wort, wenn sie dadurch (ökonomische) Nachteile erleiden. Das hat die experimentelle Wirtschaftsforschung in zahlreichen Experimenten gezeigt. Nicht um eigenes Verhalten, sondern um die erwartete Entscheidung eines Freundes oder einer Freundin geht es in einem Experiment von Mitesh Kataria und Fabian Winter vom Jenaer Max-Planck-Institut für Ökonomik: Wie beeinflusst das Versprechen, nach bestem Wissen und Gewissen zu antworten, die Aussagen über die Vertrauenswürdigkeit eines Freundes?

Für ihr Experiment haben die beiden Wirtschaftswissenschaftler ein spieltheoretisches Vertrauensexperiment für zwei Spieler neu gestaltet und einen dritten Mitspieler als beratende Instanz eingeführt. Dieser „Assessor“ wurde um eine Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit eines mit ihm befreundeten Mitspielers ("Trustee") gegenüber einem weiteren Mitspieler („Trustor“) gebeten. In Kenntnis dieser Einschätzung traf der Trustor danach die Entscheidung, dem Trustee „zu vertrauen“ oder „nicht zu vertrauen“. Entschied der Trustor sich für „Vertrauen“ versetzte dies den Trustee in die Lage, eine für ihn und den Trustor gleich hohe Summe auszahlen zu lassen, die für beide etwas höher lag, als bei der Entscheidung „Nicht Vertrauen“. Der Trustee hatte allerdings auch die Möglichkeit, für sich selbst eine noch höhere, für den Trustor aber deutlich niedrigere Auszahlung zu wählen - also das in ihn gesetzte Vertrauen zu missbrauchen.

Variiert wurden die Rahmenbedingungen, unter denen der Assessor um seine Einschätzung gebeten wurde. In Variante 1 wurden eine negative und eine positive Einschätzung in gleicher Weise honoriert. In Variante 2 wurden korrekte Einschätzungen – egal ob positiv oder negativ – höher honoriert. In Variante 3 schließlich unterzeichneten die Assessoren eine kurze Erklärung, in der sie versprachen, nach bestem Wissen und Gewissen ihre Vorhersage zu machen. Gegenüber Variante 1 sanken bei den Varianten 2 und 3 der Anteil positiver Vorhersagen deutlich und zwar von 89 Prozent auf 56 und 53 Prozent. Das bedeutet: Vor die Wahl gestellt, ein gegebenes Versprechen zu halten oder einen Freund positiv zu beurteilen, war das Bedürfnis, Wort zu halten, stärker.

Ein Weg zu ehrlicheren Empfehlungen

"Dieses Ergebnis ließe sich", erklärt Fabian Winter, "im Grunde sofort dazu nutzen, um beim Einholen von Empfehlungen und Beurteilen von Bewerbern ehrlichere Einschätzungen zu erhalten". So müssen etwa bei Bewerbungen an manchen Doktorandenschulen die Empfehlungsschreiben von den Empfehlenden selbst hochgeladen werden. Hier könnte man durch einen vorgeschalteten Appell an die Ehre, die Ehrlichkeit der folgenden Einschätzungen deutlich erhöhen. „Möglicherweise würden aber zum Beispiel auch Steuererklärungen korrekter ausgefüllt, wenn man gleich zu Beginn der Erklärung die Ehrlichkeit der folgenden Angaben bestätigen müsste“, vermutet Fabian Winter.

PM/SB

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