Fruchtbarkeit hält schlank

Für Fertilität zuständige Hirnareale beeinflussen Nervenzellen, die für Regulation des Stoffwechsels verantwortlich sind

19. Juli 2013

Schon länger ist bekannt, dass extremes Übergewicht die Fruchtbarkeit einschränkt. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben nun einen Mechanismus identifiziert, der auf einen entgegengesetzten Zusammenhang hinweist. Demnach beeinflussen Nervenzellen im Gehirn, die für die Regulation der Fruchtbarkeit zuständig sind, gleichzeitig gezielt Bereiche, die für die Steuerung der Stoffwechselaktivität verantwortlich sind. Die Forscher sehen darin die Ursache für die oft beobachtete Gewichtszunahme nach der Menopause.

Mit nachlassender Fruchtbarkeit - bei Frauen der Eintritt in die Menopause, bei Männern ist dies ein schleichender Prozess - nimmt oftmals das Körpergewicht zu. Für das Phänomen wurden bisher unterschiedliche Erklärungen, beispielsweise eine hormonell bedingte Umstellung des Stoffwechsels, herangezogen. Die Arbeitsgruppe von Thomas Braun, Direktor am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung, hat nun entdeckt, dass Bereiche des Gehirns, die für die Regulation der Fruchtbarkeit verantwortlich sind, Gehirngebiete für den Stoffwechsel regulieren.

Dem Mechanismus auf die Spur kamen die Forscher, als sie Mäuse mit ausgeschaltetem Nscl-2-Gen untersuchten. Nscl-2 ist ein in Nervenzellen im Gehirn weit verbreiteter Transkriptionsfaktor. Dabei ist er in Neuronen mit unterschiedlichen Aufgaben aktiv.  „Bei den Tieren, in denen das Nscl-2 Gen durch einen gentechnischen Eingriff ausgeschaltet war, beobachteten wir mit dem Eintritt in die Pubertät eine verstärkte Gewichtszunahme. Gleichzeitig war die Fruchtbarkeit reduziert“, so Thomas Schmid, Erstautor der Studie. Im Unterschied zu anderen bekannten Modellen verursacht das Fehlen eines Gens damit Übergewicht nicht schon lange vor Eintritt in die Pubertät.

Die Beobachtung nahmen die Max-Planck-Wissenschaftler zum Anlass,  gezielter nach den Hintergründen zu suchen. Zwei unterschiedliche Hirnareale rückten dabei in den Fokus. Schmid: „Mit Beginn der Pubertät werden bestimmte Nervenzellen im Hypothalamus aktiv, die als GnRH-Neurone bezeichnet werden. Vereinfacht gesagt, sind sie für die Funktionalität der Geschlechtsorgane und das Paarungsverhalten verantwortlich. Die zweite Gruppe Nervenzellen sind die POMC-Neurone. Diese steuern die Stoffwechselaktivität, indem sie dem Gehirn Auskunft über verfügbare Fettreserven  geben und die damit verbundene Nahrungsaufnahme regulieren.“

Für die weiteren Untersuchungen untersuchten die Wissenschaftler Mäuse, in denen Nscl-2 ausschließlich in den GnRH-Nervenzellen ausgeschaltet war. Mäuse, denen deshalb die Nscl-2-abhängigen GnRH-Neuronen fehlten, nahmen deutlich an Gewicht zu. Ein Verlust der Fruchtbarkeit war bei den Tieren hingegen nicht festzustellen, weil alle anderen GnRH-Neurone, die nicht auf Nscl-2 angewiesen sind, noch vorhanden waren.

„Unsere Daten zeigen, dass die Nscl-2-abhängigen GnRH-Neurone gezielt die Aktivität der POMC-Neurone regulieren. Bei unseren Nscl-2-Knockout-Mäusen fehlt diese Sorte GnRH-Neurone. Daraufhin werden die POMC-Neurone abgeschaltet, was eine Gewichtszunahme zur Folge hat“, so Schmid. Ein identisches Bild haben die Untersuchungen an Mäusen mit niedrigem Geschlechtshormonspiegel ergeben zum Beispiel an kastrierten und alten Mäusen. „Auch dort fehlen Nscl-2-abhängige GnRH-Neurone und in der Folge die Reduktion an POMC-Neurone“, so Schmid weiter. Ein weiteres Kontrollexperiment bestätigte den neuen Mechanismus, so Braun: „Dagegen führt eine Ausschaltung des Nscl-2 Gens in POMC-Neuronen nicht zu einer Gewichtszunahme, was noch einmal die indirekte Art und Weise aufzeigt, durch die das Nscl-2 Gen das Körpergewicht reguliert.“

„Mit dieser Studie konnten wir erstmals zeigen, dass das für die Reproduktion verantwortliche System im Gehirn das metabolische System beeinflusst“, sagte Braun. Bisher sei nur der umgekehrte Zusammenhang bekannt gewesen. Inwieweit die Identifizierung des Mechanismus dazu beitragen könnte, die altersbedingte Gewichtszunahme zu beeinflussen, soll in weiteren Studien untersucht werden.

MH/HR

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