Von der B-Zelle zur T-Zelle

Transkriptionsfaktor EBF1 erinnert Zellen an ihre Aufgabe

2. Juli 2013

Zellen entwickeln sich über viele Schritte hinweg und müssen sich dauerhaft an diese Spezialisierung erinnern. Bei B-Zellen des Immunsystems ist für diese Erinnerung der Faktor EBF1 zentral verantwortlich, hat ein Team um Rudolf Grosschedl vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik herausgefunden. Schalteten die Forscher den Faktor aus, verloren die Zellen ihre eigentliche Identität und entwickelten sich zu T-Zellen. Weil B-Zellen – im Unterschied zu den meisten anderen Zellentypen – einen charakteristischen genetischen Fußabdruck im Erbgut aufweisen, konnten die Forscher die Herkunft jeder einzelnen Zelle rekonstruieren.

Auf dem Weg von der Stammzelle zu einem funktionsfähigen Teil des Immunsystems müssen Zellen viele Spezialisierungsschritte durchlaufen – und sich jeweils gegen andere Möglichkeiten der Spezialisierung entscheiden. Außerdem ist wichtig, dass die einmal getroffene Entscheidung dauerhaft bestehen bleibt.

B- und T-Zellen des Immunsystems entstehen aus der gleichen Stammzelle. Aber nur bei manchen Zellen ist der Faktor EBF1 aktiv und sorgt so für eine Entwicklung zur B-Zelle, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Rudolf Grosschedl schon 1995 nachweisen konnten. Ob EBF1 auch daran beteiligt ist, dass sich B-Zellen dauerhaft an ihre Aufgabe erinnern, war bislang unklar. Für ihre Untersuchungen arbeiteten die Max-Planck-Wissenschaftler mit Forschern der Universität Freiburg zusammen.

In der Regel sterben Zellen, wenn EBF1 abgeschaltet wird. Darum sammelten die Forscher Maus-B-Zellen eines fortgeschrittenen Stadiums und übertrugen sie auf Mäuse ohne Immunsystem. Danach schalteten sie in den transplantierten B-Zellen das Protein EBF1 aus. Nach drei Monaten untersuchten sie, welche Immunzellen in den Mäusen vorkamen. „Wir schätzten die Chance als sehr gering ein, dass die Zellen durch diese Übertragung am Leben erhalten werden können. Darum war die Freude, als es geklappt hat, umso größer“, sagt Robert Nechanitzky, Doktorand und Erstautor der Studie. Die Wissenschaftler fanden tatsächlich Immunzellen. Doch die B-Zellen hatten ihre eigentliche Aufgabe vergessen. Dafür waren T-Zellen und natürliche Killerzellen zu finden, die in den Tieren eigentlich nicht vorkamen. Ob diese Zellen tatsächlich aus den übertragenen B-Zellen stammten, überprüften die Forscher anhand des besonderen genetischen Fußabdrucks von B-Zellen.

Anders als die meisten Körperzellen verändern B-Zellen während der Entwicklung ihre DNA-Sequenz. Für die Antikörperbildung entfernen sie Teile und fügen neue Bereiche zusammen. Genau diesen für B-Zellen typischen genetischen Fußabdruck fanden die Forscher auch bei T-Zellen und natürlichen Killerzellen. Die übertragenen B-Zellen hatten also nach Abschalten des Faktors EBF1 ihre Spezialisierung vergessen und sich in andere Zellarten umgewandelt. Bislang war nur vom Faktor Pax5 bekannt, dass sein Fehlen derartige Auswirkungen haben kann. „Wir vermuten, dass die beiden Proteine unterschiedliche Funktionen der Zelle regulieren. EBF1 hemmt vor allem das Ablesen von Genen, die ein alternatives Entwicklungsprogramm einleiten, während Pax5 dafür sorgt, dass eine B-Zelle nicht mehr auf Signale reagiert, die eine andersartige Spezialisierung ermöglichen“, sagt Grosschedl.

Als nächstes möchten die Freiburger Wissenschaftler die genauen molekularen Wechselwirkungen in der Zelle verstehen und das Netzwerk an beteiligten Faktoren besser definieren. Langfristig sollen mit diesem Wissen auch Zellen gezielt umprogrammiert werden können, etwa beim krankhaften Verlust eines Zelltyps.

JF/HR

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