Rückenwind für Tierwanderungen

Computermodell verknüpft Wanderbewegungen von Tieren mit Umweltdaten von Satelliten

3. Juli 2013

Keine Wanderung ohne einen zuverlässigen Wetterbericht – diese Regel gilt auch für die Tierarten, die auf ihren Zugrouten manchmal tausende von Kilometern zurücklegen. Sie richten ihre Wanderungen aber nicht nur am Wetter, sondern auch an anderen Umweltfaktoren aus. Deshalb haben Wissenschaftler vom Max-Planck Institut für Ornithologie in Radolfzell zusammen mit Kollegen von der Ohio State University, USA, das Computermodell Env-DATA entwickelt, das die Bewegungsmuster mit hunderten von Umweltdaten verbindet. So können Forscher mit einem ‚Mausklick‘ auf globale Satellitendaten zugreifen und beispielsweise verfolgen, wie Galapagos-Albatrosse (Phoebastria irrorata) von ihren Heimatinseln im Pazifik zur peruanischen Küste fliegen, um die nahrungsreichsten Meeresströme zu nutzen. Sie wählen dabei auf dem Hin- und Rückweg unterschiedliche Routen, um möglichst wenig Gegenwind zu haben.

Tierwanderungen zählen zu den faszinierendsten Schauspielen auf der Erde. Jeden Moment ziehen unzählige Arten über den Globus – manche nur kurze Distanzen, andere überqueren ganze Kontinente. Mit GPS-Sendern können Forscher die Zugrouten heute sehr genau verfolgen. In der von Martin Wikelski und Kollegen vom Max-Planck Institut für Ornithologie in Radolfzell entwickelten, frei zugänglichen online-Datenbank Movebank sind heute die Zugdaten von mehr als 300 verschiedenen Tierarten dokumentiert.  Sie ist damit die größte Sammlung dieser Art weltweit.

Die Gründe für die Reisen sind vielfältig: Paarung, Nahrungssuche oder Schutz vor Fressfeinden. Auf ihren Reisen sind Tiere jedoch unterschiedlichsten Umweltbedingungen ausgesetzt, die die Wanderungen ebenfalls maßgeblich mitbestimmen. Vögel und Wale beispielsweise wählen ihre Routen so, dass sie Winden und Meeresströmungen folgen und dadurch Energie sparen.

Satelliten und Stationen auf dem Land und im Meer können diese Faktoren messen. Bislang war es jedoch sehr mühsam, die Daten zu den Bewegungsmustern mit den dazugehörenden Umweltbedingungen zu verknüpfen. Die Wissenschaftler haben deshalb ein Software-Modul für Movebank entwickelt, das automatisch die Bewegungsdaten mit den zugehörigen Messergebnissen der vor Ort herrschenden Umweltbedingungen verknüpft. So können sie über die gesamte Reise eines Tiers hinweg verfolgen, welche Temperaturen, Wind- oder Strömungsgeschwindigkeiten auftreten. „Mit der Anwendung können Wissenschaftler auf der ganzen Welt Bewegungsmuster mit solchen Daten verbinden. In der Vergangenheit waren diese Projekte eigene Doktorarbeiten, jetzt ist nur noch ein Klick dafür erforderlich“, sagt Martin Wikelski. Das Programm nutzt dazu Computerkapazitäten der Max-Planck-Gesellschaft am Rechenzentrum Garching bei München und greift auf verschiedene Quellen mit Umweltdaten zurück, darunter auch Messungen der NASA und ESA zur Vegetation, Eisbedeckung, Geografie und Regenfällen.

Mit den neuen Computermodellen haben die Max-Planck-Forscher zusammen mit Gil Bohrer von der Ohio State University die Bedingungen auf den Flugrouten der Galapagos-Albatrosse analysiert. Die Meeresvögel brüten während der Sommermonate auf verschiedenen Inseln des Galapagos-Archipels, von wo aus sie zu ausgedehnten Flügen aufbrechen, um ihre Jungen mit Nahrung zu versorgen. Die Wissenschaftler statteten neun Vögel mit GPS-Sendern aus und sammelten vier Monate lang ihre Bewegungsdaten. „Eine Verknüpfung mit einer Datensammlung der Oregon State University über die Primärproduktion im Ozean hat ergeben, dass die Albatrosse in Meeresgebiete mit hohen Chlorophyll-Konzentrationen vor der peruanischen Küste fliegen. Diese Regionen sind demnach reich an pflanzlichem Plankton und in der Folge auch an Fischen – der Hauptnahrungsquelle der Albatrosse.  

Die Vögel folgen dabei einer Flugroute im Uhrzeigersinn, so dass sie möglichst lange von Rückenwind profitieren. Sie fliegen zunächst auf kürzestem Weg zum Festland. Auf der Suche nach Nahrung fliegen sie dann der Küste entlang Richtung Süden. Erst auf dem Rückweg in nördlicher Richtung segeln sie ‚hart am Wind‘ und müssen so gegen die herrschende Windrichtung ankämpfen. „Die Fallstudie mit den Galapagos-Albatrossen zeigt, wie wichtig es ist, Bewegungs- und Umweltdaten gemeinsam auszuwerten. Von den jeweils herrschenden Umweltbedingungen hängt es nämlich beispielsweise ab, wann Tiere mit ihrer Reise beginnen oder welcher Route sie folgen“, erklärt Wikelski. In der Zukunft werden es solche Daten erlauben, den Einfluss von globalen Umweltveränderungen auf Tierwanderungen und menschliche Aktivitäten vorherzusagen.

HR

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